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Rage setzt musikalischen Glanzpunkt. Saxon lässt auf sich warten, Nazareth machen’s kurz, aber Lordi versöhnt alle.

Rottenburg-Seebronn - Die neunte Auflage des Sommer-Festivals Rock of Ages ist Vergangenheit. Viel Rockmusik gab’s aufs Ohr, nostalgische und neue.

Über dem Seebronner Festivalgelände liegt wieder die Ruhe einer idyllischen Landschaft. Zwei Tage wummerten hier die Bässe, die Schlagzeuger hämmerten ihre Stakkatos auf die Trommelfelle, und die E-Gitarristen jagten ihre Riffs über die riesigen Lautsprechertürme. Die Fans feierten die Helden einer zurückliegenden überwiegend melodiösen, balladengeprägten Rockära genauso wie die Vertreter der etwas härteren Gangart, die mit ihrem monströsen Heavy Metal eigentlich auch nur das Gleiche versuchen wie die Altrocker. Sie wollen ihre Gefühle ausdrücken, ihre Fans mitnehmen in ihre Welt aus Musik und teils recht tiefgängigen Texten.

Mit den drei Oldie-Bands, Dr. Feelgood, Tokyo und Wishbone Ash ging’s am Freitag los. Von ihnen gab’s Bluesfeeling und Doppel-Gitarrensound zum Träumen, Schwofen, Mitsingen und Erinnern. »Stinklangweilige Mugge«, so das Urteil eines Herren aus der Metal-Szene – »ganz tolle Songs«, lautete das Kontra einer Nostalgikerin zu diesem ersten Dreier-Block.

Bei dem, was dann kam, gab es aber in beiden Lagern kein Vertun. Rage, die Band um den charismatischen Bassisten Peter »Peavy« Wagner, reiste mit ihrem gesamten Orchester-Projekt »Lingua Mortis Orchestra« an und überzeugten vor allem durch den gelungenen, innovativen Stilmix. Dreckige E-Gitarre zu butterweichem Cello. Gitarrist Victor Smolski machte es möglich, und die Stimmen von Jeannette Marchewka und Gastsänger Henning Basse gaben dem Sound Farbe und Glanz. Metal und Sinfonieorchester verschmolzen hier zu einem gewaltigen Klangkörper. Wie in Wacken faszinierten sie jeden einzelnen Festivalbesucher.

Was Bühnenpräsenz, musikalische Vielseitigkeit und Charisma anbelangt, stahlen sie Headliner Saxon locker die Show. Diese ließen sich erst mit der obligatorischen Wir-sind-die-Stars-Verspätung auf der Bühne blicken, und dies auch erst dann, als das Publikum zu buhen anfing und mit lauten Jogi-Löw-Rufen seinen Unmut kundtat. Festivalchef Horst Franz persönlich huschte irgendwann quer über die Bühne und rief laut Saxon. Dann war’s so weit. Der »Motor Cycle Man« donnerte einmal »To Hell and Back«, und der inzwischen 63-jährige Frontman der Band, Peter »Biff« Byford, geisterte dazu durch den Bühnennebel wie ein altes britisches Schlossgespenst. Die Arbeit am Kunden, an den Fans vorne an der Absperrung, überließ er seinen beiden Gitarristen Doug Scarratt und Paul Quinn. Mit ein bisschen Pyrotechnik motzten Saxon ihre Show noch auf und holten die Freunde von Jogi Löw wieder zurück in die Spur. »Power & Glory« plus Pyrobang – das passte und bildete einen gelungenen Abschluss des ersten Tages.

Mit dem explosiven norwegischen Gemisch TNT und dessen Ausnahmefrontmann Tony Harnell stieg man am Samstag ins Abendprogramm ein. Nazareth stand als nächstes auf dem Programm, und falls sich die Fans auf deren Welthits »Love Hurts« und »Dream on« gefreut hatten, so wurden sie enttäuscht. Nix war’s mit Welthits, und so spät wie die Schotten zum Auftritt kamen, so schnell waren sie auch wieder verschwunden. »Es wird nicht alles perfekt sein, das ist eben Rock ’n’ Roll«, unkte Bassist Pete Agnew schon beim Soundcheck.

Die Saibronner Schotten wetzten diese Scharte aber locker aus. Der örtliche Familienclan überzeugte, wie schon die Jahre zuvor, mit schottischem Folk, live gespielt auf Dudelsack und Drums.

Die finnische Monsterhorde Lordi versöhnte die Fans dann wieder mit dem Staraufgebot, für das sie eigentlich in den Rottenburger Vorort gepilgert sind. Erschreckende schaurig-schöne Outfits, eine Stimme, die selbst bei Monsters zu Hause auffällt und richtig Spaß an der Performance hatten die Crew um Frontmann und Lordi-Erfinder Tomi Putaansuu.

Kansas, eine wahre Legende des amerikanischen Rock, die sich mit ihrer Hymne »Dust in the Wind« für immer in die Geschichtsbücher eingetragen haben, sorgten dann für den krönenden Abschluss des diesjährigen Open-Air-Festival.

»Keine besonderen Vorkommnisse meldeten Polizei und Rot-Kreuz, und auch die Kameraden der Feuerwehr hatten zwei ruhige Tage.

Veranstalter Horst Franz hingegen konnte sich nur in leichten Sarkasmus retten. WM, Wetter und der frühe Ferienbeginn in Baden-Württemberg haben ihm einen gehörigen Strich durch seine 2014er-Kalkulation gemacht, wie er bereits am frühen Samstagabend bilanziert. »Trotzdem werden wir 2015 das zehnjährige Jubiläum von ROA feiern«, versprach der Meister im Gerüchte streuen, wie er sich selbst gern bezeichnet.