Raiffeisenbank Oberes Gäu feiert 125-jähriges Bestehen (I) / Anfangs stand das Warengeschäft im Vordergrund

Von Klaus Ranft Eutingen/Rottenburg-Ergenzingen. Ihr 125-jähriges Betriebsjubiläum feiert in diesem Jahr die Raiffeisenbank oberes Gäu eG, die ihren Ursprung eigentlich in dem Darlehenskassen-Verein Ergenzingen hat. Dieser wurde am 27. Oktober 1889 von 88 Mitgliedern im Gasthof Linde gegründet. Dazu stand im damaligen Neckar-Bote: "Die Versammlung, bei welcher zum wiederholten Male Pfarrer Reiter aus Vollmaringen den zahlreich versammelten Zuhörern den Wert der Darlehenskassen beleuchtete, zeigte deutlich, dass dieses Institut von den meisten Einwohnern gewünscht wird, da sofort 88 Mitglieder dem Vereine beigetreten sind. Erfreulich ist es, dass der Ortsgeistliche, Pfarrer Heitele, sich bereit erklärte, als Vorsitzender des Aufsichtsrates beizutreten."

Die Gründung wurde von der Idee der beiden Genossenschaftspioniere Hermann Schulze-Delitsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen getragen, die das Modell einer Genossenschaft verfochten, die Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung in den Vordergrund stellten. Diese Genossenschaften entstanden aus der Not heraus, denn Wucherer machten sich die Not ihrer Mitmenschen zu Nutze und bereicherten sich auf Kosten der Ärmsten. So trug die Genossenschaftsidee im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts reife Früchte und es gründeten sich viele dieser Darlehenskassenvereine.

Allerdings stand nicht das herkömmliche Bankwesen im Vordergrund, sondern das Warengeschäft. Von den ursprünglich sieben Darlehenskassen-Vereinen, die die Raiffeisenbank oberes Gäu in heutiger Zeit verkörpern, sind Felldorf, gegründet 1881, und Bierlingen (1887) die ältesten. Es folgten Ergenzingen und Weitingen (1889), Wachendorf (1890), Göttelfingen (1892), Rohrdorf (1894), Baisingen (1897) und Eckenweiler (1920).

1952 verschmolzen Ergenzingen und Eckenweiler zur Spar- und Darlehenskasse Ergenzingen-Eckenweiler eGmbH und 1969 Bierlingen, Wachendorf und Felldorf zur Raiffeisenbank Wachendorf eG. Nachdem 1970 die Raiffeisenbanken Ergenzingen/Eckenweiler, Baisingen, Göttelfingen und Rohrdorf fusionierten, entstand die Raiffeisenbank oberes Gäu eG. 1981 schloss sich Weitingen an und seit 1989 gehört auch die ehemalige Raiffeisenbank Wachendorf zur Raiffeisenbank oberes Gäu.

Doch beim Darlehenskassen-Verein Ergenzingen begann alles. Bereits 1913 hatte dieser 277 Mitglieder. Der Stolz des Vaterlandes ließ auch die Banker nicht kalt und so bekam 1915 jeder, der zum Militär eingezogen wurde, zehn Mark. Während der Weltwirtschaftskrise 1923 galoppierte die Inflation. So wurde beschlossen, den Geschäftsanteil pro Mitglied auf 50 Millionen Mark zu erhöhen. Der Betrag musste umgehend einbezahlt werden. Nach der Währungsreform 1924 entsprach eine Rentenmark einer Billion Papiermark, beziehungsweise einer Goldmark.

1925 florierte das Warengeschäft. Es wurden sieben Waggon Kohlen, drei Waggon Düngemittel und 228 Kubikmeter Holz verkauft.

1942 erwarb die Raiffeisenbank in der Bismarckstraße ein Grundstück für den Bau einer Gemeinschaftswaschanlage. Gebaut wurde diese zwar nicht, dafür aber 1952 eine neue Mosterei mit moderner Presse. 1963 kaufte die Bank das Gebäude Bahnhofstraße 9 (heute Gäustraße 9), da man bislang das Rechnerzimmer in Privatgebäuden untergebracht war.

Die Rechner selbst waren manchmal etwas "eigen", wie der Kunde zu damaliger Zeit zu sagen pflegte, wenn er das, was er wollte, nicht bekam. Da spielte mit hinein, dass die Rechner ihre "Pappenheimer" kannten, aber auch, dass man sich gegenseitig nicht leiden konnte und es daher keinen Kredit oder Geldbetrag gab.

Das heutige Vorstandsmitglied Markus Urban weiß ein Lied davon zu singen: "Manches von damals holt uns heute noch ein", resümiert er. Ab und zu bekomme man schon noch zu hören: "Wir haben früher von euch früher nichts gekriegt und jetzt kriegt ihr von uns nix".

Das Geschäftsgebaren änderte sich 1967 grundlegend. Ab dato hieß die Darlehenskasse Raiffeisenbank Ergenzingen eGmbH und am 10. Juni des Jahres wurde mit Alfons Urban der erste hauptamtliche Geschäftsführer eingestellt, der vom Rechnerzimmer im Waldhorn in das erste eigene Bankgebäude in die Gäustraße 9 umzog. Mit Alfons Urban begann dann sozusagen die "Neuzeit" der Raiffeisenbank oberes Gäu.