Ein 30-jähriger "Luxusjunkie" hat von seiner Rottenburger Wohnung aus Heroin im großen Stil verkauft. Jetz muss er für acht Jahre ins Gefängnis. (Symbolfoto) Foto: dpa

Dealer-Urteil: Handel mit Heroin von Rottenburger Wohnung aus organisiert. Richter lobt Polizei für Ermittlungen.

Tübingen/Rottenburg - Ein "Luxusjunkie", der Heroin im großen Stil verkauft, seine Freundin als Helferin anlernt und einen süchtigen "Mitarbeiter" hat: Dieses Trio wurde am Montag am Landgericht Tübingen zu Haftstrafen verurteilt.

Der Hauptangeklagte weint nach der Urteilsverkündung. Der 30-jährige Mann wird die nächste Zeit hinter Gittern verbringen müssen: Das Gericht hat ihn wegen des Handels mit Drogen im großen Stil von seiner Rottenburger Wohnung aus zu sieben Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Seine Freundin (20), die mit ihm zusammenwohnte, wurde wegen Beihilfe zu zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, allerdings nach Jugendstrafrecht, weil ihre Persönlichkeitsentwicklung laut einem psychiatrischen Gutachter nicht ihrem Alter entspreche. Der Helfer (41) wurde ebenfalls wegen des Weiterverkaufs von kleineren Heroinmengen in mehr als 200 Fällen zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Alle drei sollen in dieser Zeit ihre eigene Heroinsucht in einer Therapie bekämpfen. Untherapiert seien alle drei in Gefahr, nach der Entlassung wieder ins Drogenmilieu abzurutschen und erneut Straftaten zu begehen.

Einer der Verteidiger ordnete die Taten der Drei in die "dritte bis zweite Bundesliga" ein, das verkaufte Heroin sei außergewöhnlich rein und von hoher Qualität gewesen. "Noch reineres Material bekommt man nur, wenn man es in Rotterdam direkt am Schiff abholt", frozelte der Richter. Gleiches gelte für das Kokain, das bisweilen auch verkauft wurde und in der Drogenszene eingeschlagen hätte wie eine Bombe. Der Richter sagte: "Für unsere lokalen, provinziellen Verhältnisse war das ein äußerst schwunghafter, umfangreicher, aufsehenerregender Handel." Der 30-Jährige sei zwischen Dezember 2013 und November 2014 die "zentrale Versorgungsstelle" der Tübinger Szene gewesen. In einem ähnlichen, überschaubaren Zeitraum habe es drei Drogentote aus der Tübinger Szene zu beklagen gegeben, heißt es vor Gericht. Spätestens das muss die Ermittler auf den Plan gerufen haben.

Der Hauptangeklagte, der nie eine Ausbildung gemacht hat, wurde nach einiger Zeit umfassend observiert, sein Telefon abgehört. Der Richter schilderte, dass der 30-Jährige gut vom Verkauf der Drogen gelebt habe, er sei ein "Luxusjunkie" gewesen, der Heroin für seinen eigenen Konsum immer verfügbar gehabt und vom Dealergeld Miete, Motorrad und Urlaube bezahlt habe. Wer aber so hoch dosierte Drogen verkaufe, wie der 30-Jährige es getan hat, könne nicht glauben, dass das auf Dauer unbemerkt bleibe, so der Richter. "War es ein Stück weit Naivität?"

Naiv wirken die Umstände des Drogenhandels allerdings nicht. Der 30-Jährige war gut organisiert, ist professionell vorgegangen: Wenn er mit dem Zug von Rottenburg nach Tübingen fuhr, ließ er gleichzeitig auskundschaften, ob Polizei am Anlagensee und im Bahnhofsbereich präsent ist, wo sich die Heroinszene trifft. Wenn dem so war, ist er einfach nicht ausgestiegen, wie im Gerichtssaal zu hören war. Seine Freundin soll Drogen auf einer Parkdecke aus einem Picknickkorb verkauft haben. "Sie haben das professionell gemacht, aber die Polizei war halt besser", sagte der Richter.

Das Gericht hat die junge Frau gnädig behandelt. "Man könnte Sie ohne Not auch für vier Jahre wegsperren", sagte ihr der Richter. Wie aus dem psychiatrischen Gutachten hervorgeht, hat sie eine Essstörung, war heroinabhängig, leidet unter der Trennung der Eltern, hat eine labile Persönlichkeit – all das müsse in einer psychiatrischen Klinik bearbeitet werden. Sobald das aber nicht klappt, heißt es auch für sie: Gefängnis.

Der dritte Angeklagte nahm das Urteil dem Anschein nach entspannt auf, er hat schon einmal den Absprung aus der Drogenszene geschafft, ist nach der Trennung von einer Frau aber wieder hineingeraten. Für ihn sieht auch der Richter die beste Perspektive.

Das Gericht folgte mit den Strafen dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

In einem getrennten Verfahren werden in den nächsten Wochen auch die Großhändler zur Verantwortung gezogen: zwei Männer, die die Drogen in den Niederlanden besorgt und dem 30-Jährigen weiterverkauft haben. Beide sitzen in Untersuchungshaft.