Die verschiedenen Schäden, die man am Holz erkennen kann, zeigt Otmar Fuchß (Zweiter von links) dem Ministerpräsidenten. Foto: Lück

Ministerpräsident frischt bei Rundgang Wissen auf. Anfeindungen um Baumfällen lassen MP keine Ruhe.

Rottenburg - Das war (fast) wie ein Besuch bei Freunden: Ministerpräsident Winfried Kretschmann frischt sein grünes Wissen in der Forsthochschule Rottenburg auf.

Der Ministerpräsident (MP) kam sogar fünf Minuten eher als erwartet. Nimmt erst mal einen Schluck heißen Tee, ehe er sich sein Namensschild aus Holz ansteckt.

Und Rektor Bastian Kaiser, der mit Kretschmann schon auf Japan-Reise war, begrüßte den hohen Gast gleich ganz locker und gut gelaunt, wie unter Freunden: "Wundern sie sich nicht, wenn die Studenten etwas blass sind. Die stecken im Prüfungsstress. Und verzeihen sie, dass sie alleine sitzen. Das ist wohl die Ehrfurcht vor ihrem Amt!"

Der MP schmunzelt. Kontert dann – ebenso gut gelaunt: "Ich hoffe, dass keiner von ihnen wegen meines Besuches durch die Prüfung fällt. Das Thema Bauen mit Holz, dass wir jetzt im Land fördern, ist auch durch ihre Forschung und ihren Rat entstanden. Vielen Dank dafür!"

Dann geht es auf zum Rundgang. Erst zeigt ihm Stefan Ruge die Pflanzenbestimmung, dann Otmar Fuchß die verschiedenen Schäden, die man am Holz erkennen kann. Fuchß: "Hornissen sorgen für Schälfraß. Früher hat man sogar Spechte geschossen, weil man Baumschäden durch sie befürchtet hat." Kretschmann: "Echt?"

Dann ist Thorsten Beimgarten dran. Ein Professor, der sich mit der Bekämpfung des Schwarzwildes beschäftigt. Der Jäger: "Das Schwarzwild hat inzwischen die 1000 Meter Grenze überwunden und jagt hier schon das Auerwild. Das liegt am Klimawandel. Man kann es natürlich bejagen." Dann zeigt er Kretschmann ein Gewehr: "Als Jäger ist man da schon fast paramilitärisch aufgerüstet. Deshalb forschen wir am Saufang, damit diese Methode so stressfrei für die Tiere ist, wie es geht. Weil es mit der Jagd alleine nicht getan ist."

Buchenholz zu Bauholz

Thomas Gottschalk trifft dann den Nerv des MP. Er hat geforscht, wie sich der Spitzberg bei Tübingen – der Berg der Wurmlinger Kapelle – bezüglich der Artenvielfalt in den vergangenen 50 Jahren entwickelt hat. Ergebnis: Weil der Wald sich so verbreitert hat, ist die Zahl der Arten, die durch die rote Liste geschützt sind, drastisch zurückgegangen. Dort müsste man entweder auslichten oder die Naturschutzgebiete so vergrößern, dass man auch die notwendigen Freiflächen schaffen kann.

Kretschmann: "Es wäre nicht schlecht, wenn die Botschaft mal kräftig von ihnen kommt. Kahlschlag macht teilweise Sinn, weil viele Arten einfach das Licht benötigen. Ich meine, wir haben eher zu viele Bäume als zu wenige. Aber wenn ich das sage, halten mich alle für einen grünen Verräter! In sofern wäre ich froh, wenn die Trompete mal von ihnen kommen würde." Rektor Kaiser: "Noch blasen wir diese Trompete eher piano."

Dann geht es weiter ins Technikum. Hier zeigt Marcus Müller wie die Hochschule Buchenholz zu Bauholz machen will. Sebastian Hein einen Stand weiter forscht daran wie man bisher in Deutschland wenig genutzte Baumsorten wie Linde oder Edelkastanie für die Holzgewinnung nutzbar machen kann. Um diese Pflanzen vor Wildverbiss zu schützen, entwickelt die Hochschule ein Material, das ohne Plastik auskommt. Kretschmann schaut sich die Totenbretter an, die auf dem Tisch vor Hein liegen. Der Ministerpräsident: "Die habe ich schon in Japan gesehen. Eine tolle Qualität, die sie dort liefern."

Keine großen Kahlschläge

Doch die Anfeindungen um das Baumfällen lassen dem MP keine Ruhe. Kretschmann fragt Hain: "Wenn sie von naturnaher Waldwirtschaft reden, die keinen Kahlschlag vorsieht – ist das Förster-Ideologie?" Hein: "Das kommt daher: In anderen Ländern gab es in der Vergangenheit große Waldverluste durch Brände. Bei uns kleine Flächenverluste durch Windbrüche. Daher arbeitet unsere heimische Forstwirtschaft nicht mit großen Kahlschlägen."

Eine Information, die dem Landesvater neu ist. Dann geht es um die Heiztechnik. Der Ministerpräsident fragt: "Wir haben im Moment das Feinstaubproblem im Land. Kann ich problemlos die Pelletheizung empfehlen, weil man ja weiß, dass die Holzheizung für sehr viel Feinstaub sorgen kann?"

Harald Thorwald forscht genau daran. Er zeigt erst einmal eine Statistik, dass 31 Prozent der erneuerbaren Energien des Ländles aus Biogenen Feststoffen kommt. Also Holz. Thorwald zeigt auf eine Heizung links: "Das ist eine Pelletsheizung. Wir entwickeln einen Filter, der bis zu 99 Prozent der Abscheidungen zurückhält." Zeigt auf die andere Seite: "Hier haben wir einen Forschungsofen. Mit den Sensoren innen können wir Katalysatoren und andere Dinge entwickeln, die 30 bis 65 Prozent des CO2 und des Staubes zurückhalten." Zeigt eine Wabe auf dem Tisch: "Das ist so ein Katalysator. In sofern kann ich guten Gewissens eine Pelletheizung empfehlen."

Vor der riesigen Pellet-Heizung stehen zwei Baumscheiben – eine kleine und eine große. Rektor Kaiser: "Beide Baumscheiben sind Douglasien und 70 Jahre alt. Genau wie sie. Wenn sie sich beide anschauen, erkennen sie: 70 ist nur eine Zahl. Daneben steht noch ein Stück Linde. Weil wir wissen, dass sie gerne Holz bearbeiten!"

Der Landesvater schmunzelt. Sagt: "Danke für die orginellen Geschenke. Die Botschaft habe ich verstanden. Ein großes Kompliment an die Hochschule, die sich sehr klug präsentiert hat. Bei der großen Herausforderung durch den Klimawandel stehen sie hier in Rottenburg im Herzen des Wandels."

Ein Obstwasser genehmigt

Und eine Botschaft hat der Ministerpräsident noch: "Alle reden über die Digitalisierung. Ich unterstütze persönlich eine Initiative, mehr Taxonomen auszubilden und Lehrstühle für Artenforscher zu schaffen. Wir sind in der ökologischen Transformation und brauchen das Wissen um die Arten, die es gibt. Und Leute, die die Arten auch bestimmen können. Man muss sich vorstellen, dass der Rückgang der Insekten durch Laien festgestellt wurde. Dort ist etwas aus der Spur geraten!"

Rektor Kaiser begrüßt das: "Mit Gottschalk haben wir einen Taxonomen. Wir als Hochschule legen großen Wert auf die Verbreitung des Wissens um die Arten. Unsere Studenten und Lehrpersonal machen viele Aktionen mit Schulen, Kindergärten und mit der Bevölkerung."

Dann kommt Förster Lorenz Truffner mit einer Flasche Obstwasser (40 Prozent). Truffner: "Das ist aus dem Bio-Land. Wie wäre es mit einem Schnaps?" Der MP: "Nur zum probieren. Ich muss schließlich noch was schaffen."