Seit 1982 beschäftigen sich Archäologen mit Sülchen / Vortrag verschafft weitere Einblicke in die sagenumwobene Siedlung

Von Annika Rath Rottenburg. Wie hat Rottenburg in der Zeit nach den Römern ausgesehen? Mit dieser Frage beschäftigte sich Beate Schmid in ihrem Vortrag "30 Jahre Ausgrabungen Rottenburg-Sülchen. Rückblick und Ausblick" in der Zehntscheuer. Zahlreiche interessierte Rottenburger lockte das Thema in das Sülchgau-Museum. Der Saal war voll, zusätzliche Stühle mussten organisiert werden. Als dann schließlich auch die Technik funktionierte, nahm Beate Schmid, Referat für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Tübingen, die Zuhörer mit auf eine Reise durch 30 Jahre archäologische Arbeit.

Mit einer Größe von rund 40 Hektar zählt das Gebiet nordöstlich von Rottenburg zu den größten Siedlungswüstungen in Baden-Württemberg. Davon konnten bisher etwa zehn Prozent archäologisch erforscht werden. "Sülchen hat etwa 900 Jahre lang bestanden", gab Beate Schmid Einblicke in die Vergangenheit. Sie ist schon lange mit den Ausgrabungen betraut.

Ausgrabungen während Baumaßnahmen

Seit mehr als 30 Jahren forschen Archäologen auf dem Gebiet des früheren Sülchen. "Ausgrabungen finden immer dann statt, wenn Baumaßnahmen umgesetzt werden sollen", beschrieb die Expertin. Als Beispiel nannte sie die Osttangente oder die Erschließung des Wohngebiets "Lindele". Im Bereich der Osttangente wurden bei Freilegungen zahlreiche Pfostengruben entdeckt, Relikte von Häusern, die ohne Keller auf Pfosten gebaut wurden. Außerdem wurde die Existenz von 97 Grubenhäusern mit Untergrabungen aufgedeckt.

Neben den Überresten von Gebäuden wurden Befunde gemacht, die helfen, die frühere Infrastruktur zu rekonstruieren. Dazu zählen Töpferöfen, selten auch Überreste von geschotterten Straßen oder gemauerten Brunnen. Um letztere zu bauen, wurden Steine der römischen Siedlung Sumelocenna wiederverwendet. Auch Haushaltsmüll wie Scherben oder Tierknochen geben Auskunft über den Lebensstandard der Bewohner und die technische Entwicklung der Gesellschaft.

Im neunten Jahrhundert wurde der Name der Siedlung das erste Mal archivarisch genannt. Zwei Jahrhunderte lang war sie vermutlich das Zentrum eines Verwaltungsbezirks und Sitz der Sülchgaugrafen. In diesem Zeitraum dürfte auch die Kirche, die bis heute an diesen Ort erinnert, gegründet worden sein. "Dafür spricht ihr Martinspatrozinium", so Beate Schmid. 1057 ging die Siedlung durch eine Schenkung an das Bistum Speyer über. 1198 wurde sie das letzte Mal genannt. Die Stadt Rottenburg wurde schließlich 1270 gegründet.

Obwohl die Siedlung an Bedeutung verlor, blieb die Sülchenkirche die Pfarrkirche Rottenburgs. 1450 wurde sie sogar noch einmal neu gebaut, bevor 35 Jahre später der heutige Dom die Pfarreirechte und das Martinspatrozinium erhielt. Das Bauwerk in Sülchen wurde zur Friedhofskapelle, in der seit dem 19. Jahrhundert die Bischöfe der Diözese Rottenburg-Stuttgart beigesetzt werden.

In einem Monat enden die Untersuchungen in der Siedlungswüstung. Danach werden die Befunde und Daten aufgearbeitet. "Die Ergebnisse sollen in einer allgemeinverständlichen Publikation öffentlich gemacht werden", blickte Beate Schmid in die Zukunft. Das ist gut so, denn "wir haben viel Neues erfahren, das noch mehr Fragen aufwirft", so Kulturamtsleiter Karlheinz Geppert.