Die Hilfsbereischaft für die Flüchtlinge in Ergenzingen war groß. Den ganzen Samstag über brachten Menschen aus der Region die benötigten Hilfsgüter, die von Mitarbeitern des DRK in Empfang genommen wurden. Foto: Ranft

Viele Menschen bringen Spenden zur Erstaufnahmestelle in Ergenzingen. Betriebe sagen Tag der offenen Tür ab.

Rottenburg-Ergenzingen - Die Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge in Ergenzingen ist riesengroß. Den ganzen Samstag über brachten viele Menschen aus dem Gäu, aber auch aus den Landkreisen Freudenstadt, Calw, Böblingen und Tübingen Kinderbetten, Spielsachen und vieles mehr zur Erstaufnahmeeinrichtung im Gewerbegebiet Höllsteig.

Am Ende waren eine Lkw-Wechselbrücke, ein Container und ein Lkw des DRK randvoll. Viele Dinge werden nun im Ergenzinger DRK-Heim eingelagert, der Rest bleibt in der Einrichtung. Bereitwillig halfen auch die Sicherheitsleute beim Verladen mit, wenn Not am Mann war.

Einer davon, ein Palästinenser Namens Angad, tat in tadellosem Deutsch kund, dass er von der Hilfsbereitschaft in Deutschland sehr beeindruckt sei, obwohl viele Menschen in diesem Land gar nichts oder wenig über die Länder wüssten, aus denen die Flüchtlinge kommen.

Er habe vor zehn Jahren mit seiner Familie Palästina verlassen. In Beirut sei die Familie in eine Kontrolle der Hisbollah geraten. Man habe ihn gefragt, ob er sein Haus verkauft habe und wo das Geld sei. Wenn er letzteres nicht herausrücke, werde eines seiner beiden Kinder erschossen. Ohne Geld, aber immer wieder unterstützt durch gute Menschen, habe die Familie die viermonatige Odyssee durch den Orient und Europa nach Deutschland geschafft.

Mittlerweile arbeite er als Lagerist in einer Stuttgarter Firma und verdiene sich an den Wochenenden bei einem Sicherheitsdienst etwas dazu. Englisch und Deutsch spreche er mittlerweile fast fließend, denn ohne Sprachkenntnisse sei man verloren, so Angad.

Mehr bei Flüchtlingen als bei der Familie

Der Ergenzinger DRK-Bereitschaftsführer Daniel Huber, der derzeit mehr bei den Flüchtlingen als bei seiner Familie ist, wurde am Samstagnachmittag von seiner Gattin abgeholt und verbrachte erst einmal eine Nacht bei Frau und Kindern.

Gestern war er dann schon wieder im Einsatz. Huber freute sich darüber, dass die Menschen den Flüchtlingen so viel Anteilnahme entgegen bringen. Diese Menschen haben es verdient, sagte er und weiter: "Sie wissen das zu schätzen und sind sehr, sehr dankbar. Überhaupt, das wurde in den vergangenen Tagen mehr als deutlich, stehen die Hilfsorganisationen hoch im Kurs und genießen Vertrauen und Ansehen in der Bevölkerung. Sie sind gut strukturiert und verstehen ihr Handwerk". Horst Staudt, ein langjähriger und erfahrener Rotkreuzler aus Ergenzingen sagt dazu: "Im Gegensatz zur Politik üben wir Szenarien wie dieses, da weiß jeder, was er zu tun hat. Wir reden auch nicht aneinander vorbei".

Apropos Politik. Über diese ärgern sich derzeit etliche Handwerker und Dienstleister im Gewerbegebiet Höllsteig. Es sei seitens der Politik keine klare Linie zu erkennen. Der Horber OB Rosenberger stecke "seine" Flüchtlinge nicht in Gewerbegebiete, weil er eine Gettoisierung befürchte. In Rottenburg rede man zwar davon, dass man die Flüchtlinge integrieren müsse, stecke sie aber in einer Nacht- und Nebelaktion in ein Gewerbegebiet.

Sicher ist auch, dass der geplante Tag der offenen Tür von fünf Betrieben im Gewerbegebiet Höllsteig am 3. Oktober zumindest teilweise ins Wasser fällt. Silke Baur, die mit ihrem Mann im Höllsteig eine Schnapsbrennerei und einen Brennstoffhandel betreibt, sagt (Stand Samstagmorgen) dazu: "Ja, das stimmt, mittlerweile sieht es so aus, dass wir diesen Tag alleine bestreiten". Das sei sehr schade, meint sie, aber sie könne auch diejenigen verstehen, die nicht mehr mitmachen wollen. Es sei eben binnen kürzester Zeit vieles über den "Höllsteig" hereingebrochen, das es erst mal zu verdauen gelte. Sie und ihr Mann hätten ein neues Ladengeschäft für ihren Spirituosenverkauf eingerichtet, das sie der Öffentlichkeit vorstellen wollen. Darauf hätten sie sich ein halbes Jahr vorbereitet. Die Einladungen zu diesem Tag habe man schon verschickt. Wir können das nicht mehr abblasen, so Silke Baur.