Lena Mager und Kai Belbe erleben das Flüchtlingsdrama auf der Insel Kos hautnah und helfen spontan

Von Florian Ganswind

Rottenburg. Das Flüchtlingsdrama auf der griechischen Insel Kos kennen viele aus dem Fernsehen. Die Rottenburgerin Lena Mager bekam es hautnah mit. Aus einer Urlaubsreise wurde eine Hilfsaktion. Doch das war für sie am Ende das viel bereichernde Erlebnis.

Mit ihrem guten Freund Kai Belbe aus Tübingen hatte sich die 21-Jährige die beliebte Urlaubsinsel als Reiseziel ausgesucht. Gesagt, getan. Die Koffer gepackt und los ging der Urlaubsspaß. Doch was Lena Mager, junge Stadträtin der Grünen in Rottenburg, vor Ort erlebte, kann man kaum in Worte fassen. "Als wir ankamen, war die Flüchtlingssituation noch gar nicht so bekannt. Vor Ort berichteten auch noch keine Medien. Das wurde erst später ein großes Thema." Doch das Bild, das sich ihnen bot, war erschreckend. Von Tag zu Tag kamen immer mehr Flüchtlinge an.

"Die Flüchtlinge hatten nicht mal Müllsäcke oder Putzzeug"

Am Anfang campierten viele Menschen im Stadtpark. "Zunächst war auch die Solidarität der Einwohner groß." Es wurde Essen verteilt. Und Lena Mager und Kai Belbe halfen mit. "Eigentlich waren wir ja im Urlaub. Aber uns war klar: Wir können jetzt nicht so machen, als würde es uns nichts angehen." Die beiden halfen bei der Verpflegung der Menschen. Doch irgendwann bröckelte die Solidarität. Die Anfeindungen wurden größer.

Lena Mager und Kai Belbe entschieden sich, in der als Flüchtlingslager umfunktionierten Hotelanlage Captain Elias zu helfen. Dort trafen sie überwiegend auf Afghanen und Pakistani. Überwiegend Jugendliche, die alleine auf der Flucht sind. Das Erschreckende: Die Flüchtlinge waren weitestgehend sich selbst überlassen. Hilfsorganisationen waren zunächst nicht oder nur kaum vor Ort. So packten die beiden auf eigene Initiative an. "Wir haben uns überlegt, wie wir den Menschen in dieser Hotelanlage am besten helfen können." Essen kaufen konnten die Flüchtlinge selbst, da die meisten ein kleines Geldpolster zusammengespart hatten. Schnell kamen sie auf die Idee, gegen die Vermüllung im Camp anzukämpfen. "Die Flüchtlinge hatten nicht mal Müllsäcke oder Putzzeug." So kauften die beiden "Urlauber" ein, sammelten den Müll und verfrachteten diesen in zig Säcken.

Mindestens genauso wichtig war aber sicher, dass Mager und Belbe für die Menschen einfach da waren, ein offenes Ohr hatten und sich Zeit nahmen. Und vielen Flüchtlingen damit auch wieder ein bisschen Hoffnung schenkten. Denn die Situation war besonders trostlos. Und manchmal auch gefährlich. Denn die offenen Feuerstellen, auf denen die Blechbüchsen mit Essen heiß gemacht wurden, stellten immer ein Risiko da. Wie die beiden Helfer nach ihrer Rückkehr erfuhren, kam es später zu einem Brand, der zum Glück nichts Verheerendes anrichtete.

Das klingt alles sehr traurig. Doch wie viel Lena Mager und Kai Belbe mit wenigen Mitteln bewirken konnten, beweisen ihre Schilderungen. "Wir haben dort viel miteinander gelacht, tolle Gespräche geführt. Am Abend sind wir beispielsweise auch an den Strand gegangen und haben dort Volleyball gespielt." Kleine Momente, in denen die Flüchtlinge ihre schlimme Situation zumindest teilweise vergessen konnten.

Für Lena Mager war es ein ganz besonderes Erlebnis. Erfüllend, bereichernd und energiestiftend. Ein etwas anderer Griechenland-Urlaub.

Auch nach ihrer Rückkehr stehen die beiden Jugend- und Heilerzieher mit einigen der Flüchtlingen im Kontakt. Zum Glück haben die Flüchtlinge ihre Smartphones, die für sie der Kompass auf ihrer Fluchtroute und der Kontakt zur Außenwelt sind. Einzelne der Menschen, die sie auf Kos kennenlernten, sind auch schon in Deutschland eingetroffen. "Wir versuchen, ihnen auch hier vor Ort zu helfen und vielleicht zu erreichen, dass sie hier zu uns in die Nähe kommen."

Gestern Nachmittag war sie am Hauptbahnhof in München. Einer der Flüchtlinge, mit denen sich beide angefreundet haben, kam dort an. Sie wollte ihm helfen, bei den Gesprächen mit der Polizei und den Behörden dabei sein. Doch das wurde ihr verboten. Sie konnte für den Jungen gestern nichts machen. Eine SMS kam noch von ihm, seither gibt es keinen Kontakt mehr. "Es ist wohl üblich, dass ihnen das Handy abgenommen wird, weil nach Schleusern gefahndet wird", erzählt Lena Mager am Telefon. Nun hofft sie, dass sie bald wieder von ihm hört.