Erzwungene Langeweile: Ein Flüchtling in der Ergenzinger Erstaufnahmestelle. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Erst in der nächsten Station gibt’s Taschengeld / Umbauten in Ergenzingen sind abgeschlossen

Das kann man wohl Lagerkoller nennen. Viele Flüchtlinge in der Erstaufnahme in der ehemaligen Dräxlmaier-Halle sind verzweifelt.

Von Jürgen Lück

Auf den ersten Blick sieht alles gut aus: Draußen spielen Pakistani mit Tennisball und einem Brett Cricket. Kinder sind mit einem Fußball zu Gange oder rollen mit Fahrrädern draußen herum. Bruno Gross vom Deutschen Roten Kreuz: "Alles, was rund ist wie Bälle, Fahrräder oder Dreiräder wird dringend benötigt."

Auch innen ist kräftig umgebaut worden. Feldbetten sind draußen, und die neuen Doppelstockbetten werden von allen "WGs" zusammengestellt und mit Decken abgehängt. Ein bisschen Campingplatz-Atmosphäre – es ist aber der Versuch der Flüchtlinge, ein bisschen Privatsphäre zu erlangen.

Gross: "Durch den Umbau, der seit gestern fertig ist, sind bessere Verhältnisse für alle geschaffen." Oben steht ein Fertigbau mit Rigipsplatten, wo die Essensausgabe rein soll. Hinten ist ein Kindergarten geplant, davor Spiel- und Fußballplatz. Unten neben den Doppelbett-WGs stehen Balkenkonstruktionen mit OSB-Platten. Gross: "In ein bis zwei Wochen sollen hier die Sanitär-Anlagen für Männer und Frauen fertig sein."

Verzweifelte Syrer und Iraker im Kindergarten

Sieht also so aus, als ob die Verhältnisse für die Flüchtlinge langsam besser werden. Aber: Es herrscht "Lagerkoller". Oben im zukünftigen Kindergarten verzweifelte Syrer und Iraker. Die Männer sagen: "Wir fühlen uns schlecht hier. Wir kriegen kein Geld. Das Essen ist schlecht." Einer sagt, dass er schon seit 22 Tagen hier ist und immer noch kein Taschengeld bekommen hat. Dann sagt er "Food" und deutet an, dass er sich übergeben muss.

Manhal (17): "Ich will zu meinem Vater. Er ist in Weinheim. Aber ich hänge hier fest." Anas: "Ich bin schon seit vier Wochen hier. Es gibt kein Geld. Ich habe seit 18 Tagen keine Zigarette geraucht, und meine Telefonkarte ist auch leer." Die Stimmung ist aufgebracht, die Flüchtlinge sind frustiert.

Als wir am Eingang stehen, rückt der Sicherheitsdienst plötzlich ein. Auch Gross geht hinterher. Dann wird ein Flüchtling ins Pförtnerhäuschen gebracht. Gross: "Innerhalb von drei Minuten haben sich zwei Männer in die Haare bekommen. Wir holen jetzt die Polizei – wir fahren hier die Null-Toleranz-Politik."

Ein Helfer erklärt, dass er unter dem zunehmenden Lagerkoller zu leiden hat: "Man hat beschlossen, dass Flüchtlinge vor der Registrierung kein Taschengeld mehr bekommen. Da kann ich nur versuchen, sie zu beruhigen und zu trösten. Auch den Kindern geht es hier nicht gut. Das merkt man, wenn man sie genau beobachtet. Das belastet mich schon."

Steffen Fink, Sprecher des Regierungspräsidiums Tübingen und Hausherr der provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung in Ergenzingen: "Eigentlich ist das Ziel, dass die Flüchtlinge, die hier direkt aus Bayern ankommen, so bald wie möglich in eine der Landeserstaufnahmestellen kommen. Die sind in Meßstetten oder jetzt neu in Heidelberg. Wir melden dem Stab in Stuttgart unsere Kapazitäten und versuchen, die Flüchtlinge so schnell wie möglich dort hinzubekommen. Denn ein langer Aufenthalt in einer provisorischen Erstaufnahme ist nicht gut für die Stimmung."

Erst in der LEA gibt es die Registrierung, die erkennungsdienstliche Behandlung und bei der dortigen BAMF-Stelle kann auch gleich ein Asylantrag gestellt werden. Erst dann bekommen die Flüchtlinge Taschengeld.

Klar, dass das an den Nerven der Flüchtlinge in Ergenzingen zehrt. Kein Geld, keine SIM-Karte, kein Kontakt zur Heimat. Jeder zusätzliche Tag wird zur Belastung. Ein Syrer: "Ich bin jetzt schon fast vier Wochen hier, und die Afghanen sind schon nach drei Tagen hier raus!"

Lagerkoller in Ergenzingen? Bruno Gross vom DRK: "Lagerkoller würde ich das nicht nennen. Sondern Ungeduld. Man darf nicht vergessen, dass die Menschen auf der Flucht waren und immer so schnell wie möglich weiter wollten. Im Kopf sind die immer noch auf der Flucht."