Professor Anton Birlinger kam als Wurmlinger vom Land und arbeitete sich nach oben. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschichte: Todestag von Anton Birlinger jährt sich zum 125. Mal / Unfehlbarkeit des Papstes angezweifelt

Von Alexandra Feinler

Rottenburg-Wurmlingen. Bei einigen Wurmlingern ist Professor Anton Birlinger in Vergessenheit geraten, dabei gehört der Heimat- und Brauchtumsforscher sowie Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas zu den berühmtesten Dorfvätern. Heute jährt sich sein Todestag zum 125. Mal.

Eine längst vergangene Zeit – und doch sind die Arbeiten von Anton Birlinger so aktuell wie selten zuvor. Der Trend zum Erhalt des Dialekts gerät zunehmend in den Fokus, weshalb Birlingers "So sprechen die Schwaben" oder "Aus Schwaben. Sagen, Legenden, Aberglauben, Sitten" neue Bedeutung erhalten. Die unterschiedlichsten Eindrücke des "Vaters der schwäbischen Volkskunde", der in vielen Städten Deutschlands lebte, spiegeln sich darin.

Die frühe Förderung durch den Ortspfarrer Johannes Köhle hatte Anton Birlinger, der am 14. Januar 1834 in Wurmlingen geboren wurde, bereits in jungen Jahren vorangebracht. Mit 13 Jahren lernte er Latein, Griechisch und Französisch. Mit Leichtigkeit schloss er die Lateinschule nach zweieinhalb Jahren mit dem Landesexamen ab.

Abitur und Germanistik-Studium in Tübingen folgten, wobei sich der promovierte Philologe früh mit der Volkskunde beschäftigte. Begegnungen mit Dichter Ludwig Uhland weisen daraufhin.

Vorerst verschrieb sich Anton Birlinger der Theologie, ließ sich mit 25 Jahren zum Priester weihen und wirkte als Vikar in Nendingen (bei Tuttlingen) sowie Bad Saulgau (Oberschwaben).

Nach kurzer Zeit ließ er sich von seinen Pflichten entbinden und ging mit einem Zeugnis von Ludwig Uhland als freier Gelehrter nach München. Er fand an der Hof- und Staatsbibliothek eine Anstellung als Assistent. 1861 und 1862 brachte er die Bände "Volksthümliches aus Schwaben" heraus, seine bis heute bekanntesten Werke.

Zu dieser Zeit lernte er viele Teile von Deutschland kennen, er kam nach Breslau und Berlin und habilitierte als Privatdozent in Bonn.

Professor widmet sich der Erforschung von Dialekt und Brauchtum

Auf die Erfolgsjahre folgten herbe Zeiten, denn nach der Ablehnung des Unfehlbarkeitsdogmas des Papstes brauchte Anton Birlinger 1870 ein dickes Fell. Anfangs teilten einige Diözesangeistliche seine Meinung, knickten jedoch um, sodass Birlinger schlussendlich der einzige Rottenburger Diözesanpriester war. Die katholische Kirche schloss ihn aus der Gemeinschaft aus, was den Volkskundler nicht in seiner Entscheidung trübte.

Der außerordentliche Professor für Philologie widmete sich in seiner Freizeit der Brauchtums- und Dialektforschung. Schwäbische Geschichten, beispielsweise zum Wurmlinger Spitznamen, "Milchknöpfle mit Saumischt drum rom", blieben dank ihm erhalten. Die Wurmlinger hätten die Schüssel mit den "Milchknöpfle" in Saumist gelegt, damit diese warm aufs Feld kam – daher der Spitzname. "Ihm ist es zu verdanken, dass überlieferte Volkserzählungen und Rechtsbräuche (Deutsche Rechtsaltertümer) aufgezeichnet wurden", nennt der Volkskunde-Professor Rudolf Schenda Birlinger den "Vater der schwäbischen Volkskunde".

Für seine Verdienste erhielt der Wurmlinger die württembergische und preußische Medaille für Kunst und Wissenschaft. Selbst König Wilhelm, Fürst Karl Anton von Hohenzollern, Herzog Max von Bayern und König Karl von Württemberg hätten ihn mit Orden und Auszeichnungen geehrt. Vor 125 Jahren, am 15. Juni 1891, starb Anton Birlinger nach dreimaliger Operation am Darm. In seine Heimat Wurmlingen kehrte er nicht mehr zurück, weshalb er auf dem Bonner Nordfriedhof begraben ist.