In der Grafeneck-Ausstellung im Gewächshaus hat Wolfram Fischer zahlreiche Fragen zur NS-Euthanasie beantwortet. Foto: Hertle Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Wolfram Fischer referiert über Tötung von Behinderten im Nationalsozialismus

Wie dem nationalsozialistischen Rassenwahn und massenhaftem Mord an Kranken und Menschen mit Behinderung auch Rosenfelder zum Opfer gefallen sind, das hat Wolfram Fischer in seinem Vortrag in der Stadtbücherei deutlich gemacht.

Rosenfeld. Begleitend zur Ausstellung über Euthanasie in Grafeneck, wo 1940 mehr als 10 000 Menschen ermordet worden sind, schilderte Fischer beim Treffpunkt Lesezeichen zunächst die Hintergründe der "Aktion T4" zur Ermordung von "lebensunwerten" Menschen, wie es im NS-Jargon hieß.

Das Schloss Grafeneck bei Münsingen, 1560 erbaut, wurde 1928 von der Samariterstiftung Stuttgart erworben, die dort eine damals so genannte "Irren- und Krüppeleinrichtung" betrieb. 1939 wurde das Gebäude "für Zwecke des Reiches" beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch Adolf Hitler ein Dekret erlassen, das in bestimmten Fällen erlaubte, "den Gnadentod zu gewähren".

Die Anstalt Grafeneck wurde laut Fischer ausgewählt, weil sie abgelegen war. Das Personal für die geplante Tötungsaktion wurde aus Berlin und Umgebung rekrutiert. In einem Schuppen wurde ein "Duschraum" eingerichtet, in dem jeweils bis zu 70 Personen mit Kohlenmonoxid vergast wurden.

Wer aus den Behindertenanstalten in Südwestdeutschland nach Grafeneck transportiert wurde, das wurde auf der Grundlage von Erhebungsbögen entschieden. Darin mussten die Anstaltsleiter angeben, ob Heimbewohner arbeitsfähig waren oder nicht.

In grau gestrichenen ehemaligen Postbussen wurden die Behinderten nach Grafeneck gefahren, dort untersucht und in vielen Fällen fotografiert. Noch am Tag der Ankunft wurden sie ermordet. Die Bewohner der Albdörfer sahen den schwarzen Rauch aus den drei mobilen Krematorien aufsteigen.

Empört und entsetzt reagierten die Zuhörer, als Fischer die Details der Tötungsaktion in Grafeneck beschrieb und berichtete, dass die Angehörigen der Ermordeten "Trostbriefe" erhielten, "die von vorn bis hinten erlogen waren": Daten waren falsch, die Todesursache nur vorgetäuscht, und eine richtige Unterschrift trugen die Briefe auch nicht. Unter den 10 654 in Grafeneck ermordeten Menschen mit Behinderung waren auch Eugen Beutter, der aus einer Rosenfelder Gastwirtsfamilie stammte, und Simon Bisinger aus Heiligenzimmern.

Die Tötungsaktion in Grafeneck endete im Dezember 1940. Für Fischer war sie aber nur "die erste industrielle Mordanstalt" im Deutschen Reich. Nur folgerichtig, dass Ärzte und anderes Personal später in den Vernichtungslagern wie Auschwitz tätig waren. Nur wenige der Täter von damals wurden zur Verantwortung gezogen. Auch Grafeneck und der Massenmord dort waren lange kein Thema mehr. Heute ist die ehemalige Anstalt eine Gedenkstätte, welche das Ehepaar Fischer und Bürgermeister Thomas Miller besucht haben. Dort finden sich im Gedenkbuch die Namen der Ermordeten. Eine Kapelle ist errichtet und ein "Alphabet-Garten" mit Buchstaben aus Stein angelegt worden.

In der Ausstellung, die im Gewächshaus des Rosen- und Skulpturengartens noch bis 17. April zu sehen ist, erläuterte Fischer die Text- und Bildtafeln. Die Wanderausstellung, konzipiert von Gedenkstättenleiter Thomas Stöckle, ist für die Station Rosenfeld um zwei Tafeln für Eugen Beutter und Simon Bisinger ergänzt worden.

Die Nachfrage nach Führungen durch die Ausstellung sei groß, ergänzt Büchereileiterin Evelyne Kiessling: Unter anderem hätten sich zwei Schulklassen aus Sulz angemeldet. "Das Thema gewinnt an Fahrt", so Fischer: Viele erinnerten sich heute, dass Angehörige ebenfalls umgebracht worden waren.