Robert Gwisdek in "Renn wenn du kannst" Foto: Tom Trambow/promo

In der Tragikomödie "Renn, wenn du kannst" spielt Robert Gwisdek einen Rollstuhlfahrer.

Stuttgart - Dietrich Brüggemanns Film "Renn, wenn du kannst" ist in aller Munde - besonders wegen Robert Gwisdek, der als Rollstuhlfahrer seine Mitmenschen schikaniert, am Stück zynische Sprüche absondert und die Respektlosigkeit zum Lebensmotto erhoben hat.

Herr Gwisdek, vor kurzem haben Sie beim Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen den Preis für eine besondere Einzelleistung bekommen - wie fühlt es sich an, plötzlich im Rampenlicht zu stehen?

Ich bin selbst überrascht, dass der Film jetzt überall so groß beworben wird. Das schleicht sich so an. Er ist ja gut auf Festivals herumgegangen. Letztlich steht das in den Zeitungen, aber es verändert nicht den Tagesablauf.

Häufen sich jetzt die Anfragen?

Eher indirekt, ich werde angesprochen, aber das ist alles noch zu unkonkret, um etwas darüber sagen zu können.

Wie versetzt man sich in einen Rollstuhlfahrer wie Ben hinein?

Ich habe zwei Monate lang trainiert und viel Zeit im Rollstuhl verbracht. Ich bin in der Stadt herumgefahren, um ein Gefühl für die Lebenssituation zu bekommen. Zu Hause habe ich geübt, mich ohne Bauchmuskeln und Beine zu bewegen. Vor allem das mit den Händen war schwierig, Essen, Anziehen, Ausziehen mit verkürzten Handmuskeln, ohne die Finger wirklich benutzen zu können. Ich habe oft überlegt, wie ich an seiner Stelle wäre, sein Handicap ist ja selbst verschuldet, und er hat sogar jemanden mitgerissen, was in seinem Fall zu einer Extraverhärtung und zu einer extremen Abkapselung führt.

Haben Sie mit Betroffenen geredet?

Ja, zwei Leute haben mich beraten. Der eine ist etwas stärker behindert als Ben im Film, der andere etwas weniger. Beide gehen gut mit der Situation um, sie sind sehr kämpferisch veranlagt. Einer war unser Redakteur, mit dem bin ich auch mal ins Kino gegangen. Das ist schon ein Abenteuer, vor allem mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Man kann nur bestimmte Routen nehmen, weil es nicht überall Aufzüge gibt. Im Film sieht es jedenfalls einfacher aus, als es in Wirklichkeit ist, wenn man sich nicht frei bewegen kann.

Wie haben Sie die Reaktionen der Menschen erlebt, wenn Sie im Rollstuhl in der Öffentlichkeit unterwegs waren?

Ich habe mich ein wenig unsichtbarer gefühlt. Die Leute machen Platz, sie räumen Tische weg im Café, aber sie schauen einen weniger direkt an. Man fällt aus einem gewissen Raster, erstens als Gefahr und zweitens, was die Attraktivität angeht. Die Leute sind aufmerksam, aber sie interessieren sich erstmal weniger für einen.

"Ich habe schon viel Schwachsinn gemacht"

Wie viel hat Regisseur Dietrich Brüggemann ihnen vorgegeben, und wo hat er Ihnen Freiheiten gelassen, die Rolle auszugestalten?

Er weiß sehr genau, was er will, vor allem, was die Sprache angeht. Bens Sprachgestus und Sprachmelodie entspricht Dietrichs, er schreibt genau so, wie er redet. Ich spreche eigentlich ganz anders. Ich habe ihm viel zugehört, er hat Passagen aus dem Buch vorgelesen, und dann konnte ich gar nicht anders, als auch so zu reden. Ich habe andere Dinge eingebracht, das Timing zum Beispiel und die Trockenheit. All das hat dann diese Figur geformt.

Eine Szene zeigt, wie schwer es für Querschnittgelähmte ist, Sex zu haben, wie peinlich das werden kann. Wie haben Anna Brüggemann und Sie sich darauf vorbereitet?

Das war eine schwierige Szene. Anna und ich sind den Text oft zusammen durchgegangen, um beim Drehen nicht mehr darüber nachdenken zu müssen. Dann haben wir uns reingeworfen, als wären wir diese Menschen, und dann rollt das los. Das ist eine wichtige Szene, und ich habe einfach versucht, ganz und gar drin zu sein. Nicht unbedingt in der Peinlichkeit, sondern eher in der Hinsicht, dass wir uns Zeit lassen, die Situation zu fühlen und nicht nur Dialogsätze hin- und herwerfen.

Sie waren schon in anderen jungen Spielfilmen wie "13 Semester" zu sehen, aber auch in einem "Donna Leon"-Krimi. Wie wählen Sie Ihre Rollen aus?

Intuitiv, würde ich jetzt mal vereinfachend sagen. Ich habe auch viel abgelehnt und mich zweimal jeweils sieben Monate, bei meiner Agentur sperren lassen, um Zeit für andere Dinge zu haben. Jetzt fängt das erst so richtig an, dass das mehr wird. Ich wähle vor allem danach aus, ob ich eine Geschichte als lebendig und echt empfinde. Es gibt viele Projekte, bei denen die Leute einfach etwas noch mal machen, was schon tausendmal gemacht worden ist, in den dazugehörigen Drehbüchern liest man dann Sätze, die man schon tausendmal gehört hat. Ich finde interessant, wie viele Leute sich für sowas motivieren können. Für mich gehört zu einem lebendigen Projekt, das man ein bisschen ins Unbekannte aufbrechen kann. Dass irgendwas bebt und pulsiert, dass ich überrascht werde.

Hat das wirklich immer geklappt?

Auf keinen Fall. Ich habe schon viel Schwachsinn gemacht. Deswegen will ich auch keinen mehr machen. Ich bereue das zwar nicht, aber es ist schon quälend, wenn man sein Gesicht für solche Projekte hergibt, die man nicht wirklich liebt. Nachher steht man ja dafür. Deshalb musste ich erstmal lernen, abzusagen und lieber preiswerter zu leben.

Wie haben Sie das empfunden, als Kind so bekannter Eltern wie Corinna Harfouch und Michael Gwisdek aufzuwachsen? War das anstrengend?

Natürlich werden sie in der Öffentlichkeit erkannt, aber das ist alles noch im Rahmen. Wir können zusammen S-Bahn fahren, Leute sagen etwas Freundliches, aber das wird nie penetrant.

Haben Sie - wie alle Kinder - auch gegen Ihre Eltern rebelliert?

Das Problem hatte ich mal kurz mit 20. Dann bin ich aber für ein halbes Jahr abgehauen und danach war es gut. Ich mag meine Eltern viel zu sehr, um ein Spannungsverhältnis aufrechtzuerhalten. Meine Eltern sind enorm liebenswerte Verrückte. Sie sind selbst Rebellen auf ihre Art, da muss ich gar nicht mehr so viel rebellieren, sie lassen mir von allein meine Freiheit. Ich kann nicht anders, als sie zu mögen.