Vor der beeindruckenden Kulisse von Blair Castle blieb Michael Jung mit fischerTakinou auch im Parcours fehlerfrei und verteidigte seine EM-Titel im Einzel und mit der Mannschaft. Foto: v. Hardenberg

Reiten Der Konkurrenz bleibt nur die Bewunderung. Mit fischerTakinou viertes Championatspferd im Altheimer Stall.

Da war er dann also, der Glückwunsch von Queen Elizabeth. Gleich zwei Goldmedaillen überreichte die Königin am Sonntag an Michael Jung als Titelverteidiger im Einzel und mit der deutschen Mannschaft.

Einmal mehr hat der 33-Jährige bei den Europameisterschaften im schottischen Blair Castle seine Ausnahmestellung bewiesen.

Die Fachleute und das begeisterte Publikum staunten im Dauerregen der Geländeprüfung nicht schlecht, als der Altheimer im Sattel des erst achtjährigen Newcomers fischerTakinou mit einem famosen Ritt nach Dressurplatz drei die Führung in der Einzelwertung übernahm.

Das jüngste Pferd der Europameisterschaft bewies dabei nach einem zwischenzeitlichen Zeitrückstand am Ende hervorragende Steherqualitäten und erreichte mit großer Geschwindigkeit das Ziel in 10:04 Minuten, womit beide die Zeitvorgabe (10:13 min) als eines von nur drei Paaren unterboten.

Nicht nur die Engländer mit dem Ausfall des Mitfavoriten William Fox-Pitt und der nach dem ersten Tag hinter der amtierenden Einzel-Weltmeisterin Sandra Auffahrth mit Opgun Louvo auf Platz zwei liegenden, aber um viele Plätze zurückgefallenen Holly Woodhead, kamen mit den Witterungsbedingungen und der anspruchsvollen, 5800 Meter langen Strecke mit 29 Hindernissen dagegen nicht zurecht. Weil 21 der 66 Teilnehmer das Ziel nicht erreichten, wurde eines der Bergab-Hindernisse mit dem auf das schottische Nationalgericht anspielenden Namen Haggis, neeps and tattis am Ende nicht gewertet. Die deutschen Vielseitigkeitsreiter bewältigten trotz einiger Zeitfehler auch den hügeligen Kurs mit Bravour. Der Lohn nach weiteren Nullrunden beim abschließenden Parcoursspringen: Sie sind seit nunmehr fünf Jahren ungeschlagen. Nach dem erneuten Doppel-Gold in Schottland gelten Jung & Co. damit auch als Olympia-Favoriten für Rio de Janeiro 2016.

Schon kurz nach dem erneuten Triumph ging daher auch Michael Jungs Blick ein Jahr nach vorne. "Für mich ist es wichtig, auch in die Zukunft zu schauen", sagte der Reiter vor der nächtlichen Heimfahrt:

"Jetzt habe ich einen neuen Champion für die Zukunft." Gemeint war der erst achtjährige Wallach fischerTakinou, mit dem Jung bei der Europameisterschaft erneut Doppel-Gold gewann – und der nun neben dem bewährten Goldpferd von London, La Biosthetique Sam, auch ein Kandidat für die Olympischen Spiele in Rio ist.

Der ungewöhnliche Plan auf dem Weg über Schottland nach Brasilien hat sich gelohnt. "Danke für das Vertrauen", sagte Vater Joachim Jung zu Bundestrainer Hans Melzer, der dem riskanten Vorhaben zugestimmt hatte. Mancher hatte den Kopf geschüttelt, weil Michael Jung ein Nachwuchspferd in Blair Castle einsetzen wollte. Schließlich hat er mit Sam, fischerRocana, Siegerin der Viersterne-Prüfung von Lexington, und dem bei der letzten EM in Malmö doppelt erfolgreichen Halunke weitere Championatspferde im heimischen Stall stehen.

"Ich habe jetzt noch ein Pferd mehr für die nächsten großen Aufgaben", erklärte auch Michael Jung. Seine Nummer eins ist derzeit noch Sam, mit dem er in London olympisches Doppel-Gold gewann. Doch der vor zwei Jahren in Frankreich gekaufte fischerTakinou hat das Zeug dazu, sein Nachfolger zu werden. Das ist beeindruckend für ein so junges Pferd. Er hat mir ein super-tolles Gefühl gegeben", lobte der Reiter den EM-Auftritt des achtjährigen Anglo-Arabers.

Für die Konkurrenz muss es beängstigend wirken, welche Auswahl der Ausnahmereiter hat. Zehn goldene Medaillen hat Jung nun innerhalb von nur sechs Jahren gesammelt und dabei auf vier verschiedenen Pferden gesessen. Das ist einmalig. Mit 33 Jahren hat Jung schon mehrere Rekordserien aufgestellt und der Konkurrenz das Fürchten gelehrt. Jahrzehntelang stellten die Briten die dominierenden Vielseitigkeits-Teams und ritten mit William Fox-Pitt an der Spitze von einem EM-Gold zum nächsten, ehe sie von Jung & Co. abgelöst wurden.

Fox-Pitt hatte vor zwei Jahren gesagt: "Die Deutschen können nicht immer gewinnen." Das stimmt grundsätzlich, aber zumindest zweimal haben sie es seit dem verzweifelt klingenden Satz des Briten trotzdem getan. Auch in den schottischen Highlands mussten Fox-Pitt und Kollegen sich mit Platz zwei begnügen, und das mit mehr als 50 Fehlerpunkten Rückstand. Ein Ende der Serie ist nicht in Sicht, so dominant wie das Team der Bundestrainer Hans Melzer und Chris Bartle im Heimatland dieser Pferdesport-Disziplin auftraten.

"Viele andere reiten nur Gelände, wir reiten vielseitig", antwortete Bartle auf die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis. "Und wir haben ein sehr gutes Team hinter dem Team, das ist noch wichtiger als in der Formel 1", sagte der Brite, der seit mehr als zehn Jahren für den deutschen Verband arbeitet.

Auch für Bartle ist Jung das absolute Ausnahmetalent. "Michael reitet einfach alles toll, auch Dressur und Springen auf allerhöchstem Niveau", lobte der Coach, "er ist an allen Details interessiert, er ist noch konzentrierter, noch fokussierter geworden." Und einen besonderen Blick für außergewöhnlich talentierte Pferde hat Michael Jung auch.