Michael Jung ist bereit für die Olympia in Rio. Foto: Thomas Fritsch

Reiten: Doppel-Olympiasieger aus Horb setzt bei geplanter Titelverteidigung auf Jugend statt Erfahrung. Mit Video.

Das Wetter war alles andere als brasilianisch heiß, sondern eher regnerisch-kühl. Auf dem heimatlichen Reiterhof in Altheim bei Horb zeigte sich am Dienstag  aber Doppel-Olympiasiegers Michael Jung bereits ganz fokussiert auf den Start in Rio.

"Wenn ich sagen würde, dabei sein ist alles, wäre das sicher nicht ganz richtig", hielt der 33-Jährige bei einem Sportjournalisten-Treffen mit seinen Ambitionen nicht hinter dem Berg. Im besten Fall strebe er natürlich Gold in der Einzelwertung und mit der Mannschaft an, präzisierte Michael Jung, "aber dazu gehört auch etwas Glück, deshalb bin ich auch nicht enttäuscht, wenn es am Ende eine andere Farbe wird."

Edelmetall in irgend einer Form soll es aber auf jeden Fall sein, was vor allem auf die nach den Erfolgen bei den letzten Welt- und Europameisterschaften favorisierte deutsche Mannschaft gilt. Aber auch in der Einzelwertung wird der Titelverteidiger nach seinen jüngsten Erfolgen in Lexington und Badminton sowie dem damit verbundenen ersten Grand Slam-Erfolg eines deutschen Reiters wieder ganz hoch gehandelt.

Planungen mit dem Bundestrainer abgesprochen

Und das, obwohl er bei der vom 6. bis 9. August gleich zu Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im Reiterzentrum Deodoro ausgetragenen olympischen Vielseitigkeit nicht auf die jüngsten Sieger fischerRocana und La Biosthetique Sam setzt, sondern mit dem 9-Jährigen fischerTakinou das jüngste seiner drei Championatspferde beim Jahreshöhepunkt satteln will.

"Das ist der Plan", bestätigten Michael Jung sowie sein Vater und Manager Joachim Jung, der so auch mit Bundestrainer Hans Melzer abgestimmt worden sei. Entscheidender Punkt der Überlegungen war dabei der Auftritt in der einleitenden und für die Vielseitigkeits-Ergebnisse immer wichtiger werdenden Dressur, in der Michael Jung der jungen fischerTakinou eine bessere Wertung zutraut. Die olympische Geländeprüfung bewegte sich trotz eines bergigen und durchaus herausfordernden Kurses dagegen auf Dreisterne-Niveau, was dem schnell und trotz seiner Jugend bereits sehr konzentriert unter seinem Reiter agierenden, hoch im Blut stehenden Anglo-Araber ebenfalls entgegen kommen sollte.

Sein bisheriges sportliches Glanzstück lieferte fischerTakinou als jüngstes Pferd der Konkurrenz im Vorjahr bei den Europameisterschaften mit Einzel- und Mannschaftsgold in Blair Castle (Schottland) ab. Auch die bei den ersten Turniereinsätzen 2016 in Kreuth und Wiesbaden aufgetretenen Fehler lässt Michael Jung an seiner Entscheidung nicht zweifeln, zumal er in beiden Prüfungen auch einige Experimente wagte. Dennoch: Dass mit den bereits in Viersterne-Prüfungen erfolgreichen fischerRocana und La Biosthethique Sam zwei hochkarätige Alternativen zur Verfügung stehen, bringt dem Altheimer zusätzliche Sicherheit. Eine weltweit einmalige und höchst komfortable Situation für einen Vielseitigkeitsreiter, denn "schon zwei für Olympia qualifizierte Pferde bei einem Reiter sind ansonsten die absolute Ausnahme", wie Michael Jung weiß.

Er ist daher auch des Lobes über seine Vierbeiner voll: "Alle drei sind tolle Pferde, und Sam ist nach wie vor für mich die absolute Nummer eins." Dabei schließt er trotz seiner aktuellen Entscheidung einen weiteren Olympiastart des mittlerweile 16-jährigen Württemberger Wallachs nicht aus: "Warum nicht, auch in Tokio 2020 könnte er noch fit genug sein."

Vielleicht aber erhält Sam bereits in diesem Jahr doch schon seine zweite Chance. Sollte es im Hinblick auf die Olympiavorbereitung mit fischerTakinou zu Problemen kommen, hält sich Michael Jung ein Hintertürchen offen: "Man muss sehen wie es läuft; vor allem konditionell muss fischerTakinou auf dem Höhepunkt sein." Geplant sind bis zum August noch Starts bei den Prüfungen in Strzegom (Polen) Ende Juni und im Juli beim CHIO in der Aachener Soers; von der Atmosphäre und den äußeren Umständen her für Michael Jung eine ideale Vorbereitung für Rio.

Dort wird dann auch die endgültige Entscheidung fallen, welche vier der derzeit noch acht auf der Longlist stehenden deutschen Geländereiter das Ticket nach Brasilien erhalten. Vermutlich von Amsterdam aus gehen die Pferde nach dem Vorbereitungslehrgang auf die Luftreise nach Südamerika und werden direkt vom Flughafen ins Reitzentrum Deodoro gebracht, um eine lange Quarantänezeit zu vermeiden.

Probleme mit den klimatischen Verhältnissen erwartet Michael Jung in Rio nicht: "Zu Beginn des dortigen Winters wird es vermutlich Temperaturen geben wie bei uns im Hochsommer. Das dürfte den Pferden nichts ausmachen." Und auch die erhoffte Sieges-Grillparty kann dann im Freien stattfinden und muss nicht wie gestern in die Reithalle verlegt werden.