kaum eine Pause: Michael Jung Foto: Schulze

Reiten: Altheimer tritt mit deutscher Vielseitigkeits-Equipe an. 35-Jähriger setzt große Hoffnung in Stute fisherRocana.

Michael Jung hat kaum Pause – die Saison im Springen zieht sich inzwischen über das ganze Jahr, in der Vielseitigkeit gibt es nur im Winter eine kurze, wetterbedingte Pause. Bis dahin dauert es jedoch noch.

Jetzt steht zunächst die Vielseitigkeits-EM an. Die Uhr stand gerade auf zwei Uhr, als Michael Jung in der Nacht von Sonntag auf Montag aus den Niederlanden wieder in Altheim ankam. In Ommen war er am vergangenen Wochenende mit fünf seiner Springpferde gestartet – bereits am zweiten Tag hatte er zwei goldene Schleifen mit Sportsman und Daniel eingeheimst, dazu kam ein zweiter Platz mit fischerChelsea und Rang fünf mit Sinderella sowie weitere Erfolge an den darauffolgenden Tagen.
Wo andere nach einem prall gefüllten Wochenende samt mehrstündiger Heimreise einen Grund zum Ausschlafen sehen, sieht der Olympiasieger, Welt- und Europameister wohl eher eine verstrichene Chance auf ein Training – zumindest steht er am nächsten Morgen schon wieder früh im Stall.

Jung, der erst vor wenigen Tagen  35 Jahre alt wurde, hat in den nächsten Tagen Großes vor. Und dafür gilt es nicht nur sich selbst, sondern auch sein Pferd vorzubereiten. Am Freitag bricht Jung gemeinsam mit seinem Vater Joachim, Stute fischerRocana und deren Pflegerin nach Polen auf. Im 800 Kilometer entfernten Strzegom, einer kleinen Stadt im Südwesten Polens, findet in diesem Jahr die Vielseitigkeits-Europameisterschaft statt. Und dort ist Michael Jung als einer der vier deutschen Mannschaftsstarter dabei – als einziger Mann übrigens, denn neben ihm gehören Ingrid Klimke, Bettina Hoy und Julia Kajewski der deutschen Equipe an.

Montag geht es nach Strzegom

Zuerst findet über das Wochenende jedoch ein Trainingslager statt, in einem Ort wenige Kilometer von Strzegom entfernt. Von dort aus geht es am Montag  nach Strzegom – damit sich die Pferde akklimatisieren können. Das Turnier beginnt schließlich am Mittwoch mit der Verfassung. Dort entscheiden die Richter, ob das jeweilige Pferd für die Prüfungen zugelassen wird und erst dann wird auch endgültig genannt und ausgelost. Donnerstags und freitags wird die erste Disziplin geritten – die Dressur, die aufgrund der hohen Teilnehmerzahl auf zwei Tage verteilt ist. »In der Dressur ist es ein leichter Vorteil, eher hinten im Feld zu sein«, sagt Jungs Vater Joachim, »dann haben sich die Richter schon etwas eingependelt«.

Im Gelände hingegen hängt vieles vom Wetter ab. Und da werden Erinnerungen an die EM im schottischen Blair Castle vor zwei Jahren wach: »Wenn es lange regnet, wird es matschig, dann können die hinteren Starter natürlich im Nachteil sein«, so Jung. Die Auslosung gilt jedoch sowohl für die Dressur als auch für das Gelände, das hält sich also die Waage. Nur in der dritten Disziplin, dem abschließenden Springen, wird in umgekehrter Reihenfolge gestartet.
Strzegom ist nicht nur für Jung ein bekanntes Pflaster – auch seine zwölfjährige Stute fischerRocana war schon dort.  Das Gelände sei relativ eben, trotzdem wird Jung es gemeinsam mit seinem Vater vier- bis fünfmal abgehen. Der Fokus der letzten, intensiven Vorbereitung auf die EM liegt auf dem Konditionstraining, das unter anderem am Hang absolviert wird, und den Feinheiten.

Kleine Stute punktet mit Wendigkeit

Deshalb saß Michael Jung am frühen  Montagmorgen, nach dem Turnier in Ommen, auch direkt wieder auf der Stute. »Rocana ist nicht die Größte und hat einen relativ kleinen Galoppsprung«, erklärt Joachim Jung. Wer denkt, sie sei deshalb nicht geeignet, der täuscht sich gewaltig: »Sie macht das mit ihrer Wendigkeit und ihrer Rittigkeit wett«, so Jung. Bedeutet: fischerRocana nimmt die Hilfen des Reiters zügig an, kann Tempowechsel in Sekundenschnelle umsetzen – so kommt sie nach einem Sprung gleich wieder in den Renngalopp.

Ursprünglich hatte Michael Jung geplant, mit Lennox bei der EM zu starten – der hatte sich jedoch vor einigen Wochen eine Zerrung zugezogen. In der  dunkelbraunen Stute hat der 35-Jährige jedoch ein starkes Ersatzpferd an der Hand, das mit zwölf Jahren nicht nur Erfahrung mitbringt, sondern vor allem auch das  Potenzial, gemeinsam mit Michael Jung und dem Team Deutschland ganz nach vorne zu stürmen.