Vier Standorte auf Rottweiler Gemarkung (rot) sowie je einer in Weigheim und in Meßstetten (blau) sind im Gespräch. Foto: maps4news.com, Rörsch

Justizministerium informiert am Freitagabend Bürgermeister über Standortsuche für den geplanten Neubau.

Rottweil - Für heute hat das Justizministerium in Sachen Gefängnisneubau eingeladen. Die Spannung ist groß. Mindestens ebenso groß wie die Erwartungen bei den Kommunalverwaltungen und den Bürgern.

Ob heute wirklich die Entscheidung bekannt gegeben wird, an welchem Standort der Gefängnisneubau entstehen soll? Die Oberbürgermeister von Rottweil und Villingen-Schwenningen, Ralf Broß und Rupert Kubon, sowie Lothar Menning, Bürgermeister von Meßstetten, dürften ebenso neugierig sein, wie die Bürger an den potenziellen Standorten. Ebenso wie Vertreter des Staats- und des Finanzministeriums sind die Stadtoberhäupter heute ab 10 Uhr nach Stuttgart ins Neue Schloss zu Justizminister Rainer Stickelberger und der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, eingeladen, um über die nächsten Schritte informiert zu werden.

Denkbar ist dabei vieles. Es könnte heute tatsächlich die Präferenz der Ministerien bekannt gegeben werden – für die Auswahl liegen immerhin die Ergebnisse aus zwei Bewertungsdurchläufen und Untersuchungen zur Bebaubarkeit, der Flora und Fauna vor. Es könnte(n) neuerliche Runde(n) der Bürgerbeteiligung eingeläutet werden, als zusätzlicher Baustein der Entscheidungsfindung bei der Landesregierung. Oder es könnte lediglich die überarbeitete Bewertungsmatrix vorgestellt werden, mit weiter offenem Ausgang der Standortsuche – immerhin war gerade erst zu Beginn der Woche aus Stuttgart vermeldet worden, es gebe bislang keine Präferenzen.

Sechs Standorte hat das Land seit der Absage aus Tuningen für das Liapor-Gelände noch zur Auswahl. Neben der früheren Zollernalb-Kaserne in Meßstetten, die vom Land derzeit als Erstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge genutzt wird, und Weigheim bei Villingen-Schwenningen geht es um vier Standorte auf Rottweiler Ge-markung: das Bitzwäldle, das Esch, Hochwald und der Stallberg. Und so wie die Suche nach einem Bauplatz für das Gefängnis mittlerweile eine Geschichte hat, ist es auch mit der Debatte um das eine oder andere dieser Areale.

Auf die längste Historie kann fraglos der Stallberg verweisen. Über Jahrzehnte hinweg war es klar: Dieses Areal hat sich das Land für den Neubau einer großen Justizvollzugsanstalt ausgeschaut. Die Fläche ist dementsprechend bereits im Flächennutzungsplan ausgewiesen, das Land hat bereits in den Grunderwerb investiert und die Stadt bei allen Suchen nach neuen Gewerbeflächen den Bereich immer außen vor gelassen.

2008 gibt es den Bruch mit dem Stallberg

Den Bruch mit diesen Plänen gab es 2008. Probebohrungen führten die damalige Landesregierung zur Erkenntnis, dass wegen der Gipsvorkommen im Untergrund der Aufwand für einen Gefängnisneubau zu groß wäre. Wie groß der Mehraufwand ist, wie teuer es also kommen würde – diese Frage stellt der Rottweiler FWV-Stadtrat Peter Schellenberg zwar nach wie vor immer wieder, mit der Suche nach einer Antwort hat sich bislang in Stuttgart aber noch niemand beschäftigt. In der Bewertungsmatrix war der Stallberg stattdessen für das Vorhaben ausgeschlossen worden.

Nicht beantwortet ist allerdings auch die Frage, inwiefern sich der Baugrund am Stallberg von dem in Weigheim unterscheidet. Denn auch dort waren die Geologen im Untergrund auf Pyrit als quellfähiges Material gestoßen. Der hohe Grundwasserstand sorgte für ein weiteres Minus auf der Bewertungsskala. Zu einem Ausschluss hatte dies im Gegensatz zum Stallberg aber nicht geführt. Allerdings rutschte daraufhin das Liapor-Gelände plötzlich ganz nach oben auf der Liste der Standorte – obwohl es überhaupt nicht innerhalb der Ausschreibungsfrist für den vom Land ausgelobten Suchlauf ins Spiel gebracht worden ist. Solche Verfahrensdetails scheinen in den Ministerien aber wenig zu interessieren. Sonst würde auch über Meßstetten nicht im Zusammenhang mit einem Gefängnisneubau geredet werden, denn das fragliche Gelände der Zollernalb-Kaserne liegt nicht im Suchdreieck Rottweil–Donaueschingen–Tuttlingen. Das Finanzministerium hat dazu erklärt: Die Liapor-Fläche sei einbezogen worden, da es für den Suchlauf »keine formale Ausschlussfrist« gebe. Und der Standort Meßstetten werde aus Konversionsgründen einer näheren Prüfung unterzogen. »Unser Ziel ist es, den optimalen Standort zu finden«, machte die Pressestelle des Finanzministeriums im November 2013 deutlich.

2008 hatten die Erkenntnisse zum Stallberg zur Folge, dass sich die Rottweiler Stadtverwaltung in Absprache mit den Ministerien auf die Suche nach möglichen Alternativen machte. Das Esch, schon damals dem Land vom privaten Besitzer angeboten, rückte in den Fokus. Nach ersten Protesten gegen diese Überlegung nahm der Gemeinderat allerdings schnell Abstand davon und signalisierte dem Land: einem entsprechenden Bebauungsplan für das Esch würde das Gremium nicht zustimmen. Mittlerweile sagen die Stadträte, sie seien damals zu schnell eingeknickt. Die Entscheidung ist deshalb revidiert und das Esch als einer der vier Standorte auf Rottweiler Gemarkung wieder im Auswahlverfahren.

Der erste Protest bleibt vergleichsweise harmlos

Zur Erkenntnis, zu schnell reagiert zu haben, sind die Rottweiler Stadträte nicht von ungefähr gekommen. Nachdem in der Folge das Bitzwäldle bei Zepfenhan an der Grenze zum Zollernalb-Kreis von der Landesregierung wie auch den Rottweilern für den Gefängnisneubau ins Auge gefasst war, mussten Gemeinderat und Stadtverwaltung lernen, dass im Vergleich zum Aufschrei gegen das Bitzwäldle die Proteste gegen das Esch noch harmlos geblieben waren. Ins Visier gerieten rasch nicht nur die Stadtoberen, die im Sinne der Bürger und der Stadt Entscheidungen fällen müssen. Die Ablehnung der Bitzwäldle-Pläne beschränkte sich stark auf die unmittelbare Nachbarschaft. Die große Mehrheit der Rottweiler weiß der Gemeinderat hinter sich. Zwischen Zepfenhan und Rottweil taten sich mitunter quer durch Familien Gräben auf, die noch immer nicht ganz wieder zugeschüttet sind. Noch schwelt schließlich die Suche nach einem JVA-Standort und das Bitzwäldle steht weiter auf dieser Kandidaten-Liste.

Vom Hochwald war 2008 ebenfalls bereits ein Standort in der Bewertungsmatrix der Stadtverwaltung aufgetaucht – und vom Land damals unter anderem wegen der exponierten Lage auf einer Kuppe als nicht geeignet beurteilt worden. Für den von der neuen Landesregierung angestoßenen Suchlauf hat ein privater Eigentümer deshalb ein anderes, das Nachbargrundstück, angeboten. Der Großteil der Anwohner hat die Angst um das Naturidyll direkt vor der eigenen Haustür zur Interessensgemeinschaft Hochwald zusammengeschweißt.

Eigentlich ist im Moment die Landesregierung gefragt. Aus Stuttgart müsste nun ein Signal kommen, welcher der sechs Standorte als der am besten geeignetste eingestuft wird. Dann könnte vor Ort der Dialog beginnen und im Gemeinderat gegebenenfalls eine Entscheidung getroffen werden, um dem Land die Grundlagen für das Bauprojekt zu schaffen. Aus den drei Bewerberstädten sind die Signale der Stadtparlamente bislang klar: Jeder der drei Kommunen will das Großgefängnis, das inzwischen mit noch 500 Haftplätzen geplant ist. Der Standortgemeinde winken jährlich bis zu 500 000 Euro über Zuweisungen des Landes. Und Rottweil führt darüber hinaus die Sicherung des Justizstandorts ins Feld.