Lehrer sind nur so gut wie ihre Ausbildung – das Land steuert dabei jetzt nach. Foto: dpa

Master statt Staatsexamen, mindestens zehn Semester für Haupt- und Realschullehrer sowie sonderpädagogische Grundkenntnisse für alle: Das sind die Eckpunkte einer grün-roten Reform der Lehrerausbildung.

Master statt Staatsexamen, mindestens zehn Semester für Haupt- und Realschullehrer sowie sonderpädagogische Grundkenntnisse für alle: Das sind die Eckpunkte einer grün-roten Reform der Lehrerausbildung.

Stuttgart - Das Land stellt zum Wintersemester 2015/2016 alle Lehramtsstudiengänge auf Bachelor- und Masterstudiengänge um. Eine verbindliche Entscheidung für die pädagogische Karriere soll aber erst mit dem Übergang zum Masterstudium fallen, sagte am Dienstag Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne): „Junge Menschen müssen sich damit nicht schon zu Beginn eines Studiums festlegen, ob sie Lehrer werden wollen.“ Nach dem Bachelor könne man sich noch umorientieren und werde nicht zum Studienabbrecher.

Ob sich ein Bewerber wirklich dafür eignet, will das Land künftig noch genauer als bisher prüfen. „Wir wollen ein Auswahlverfahren, das nicht nur Noten, sondern auch die Motivation berücksichtigt“, sagte Bauer über die Zulassung zum Master. Im Bachelorstudium an einer PH oder einer Universität werde es zwar erste „schulbezogene Elemente“ geben. Dies sei allerdings nur als kurze Orientierungsphase gedacht. Schulpraxis ist erst im Lauf des Masterstudiums vorgesehen.

„Wir wollen Lehrer gezielt vorbereiten, um den Praxisschock zu vermeiden“, sagte Kultusminister Andreas Stoch. Zwar gebe es schon heute Orientierungstests vor einem Lehramtsstudium, doch ein künftiges Auswahlverfahren solle auch zeigen, „ob die Bewerber Kinder mögen“.

Das Land will künftig bei Lehrern der Sekundarstufe 1 (Haupt-, Werkreal- und Realschullehrer) auch mehr Wert auf die fachwissenschaftliche Ausbildung legen: Statt bisher acht soll ihre Regelstudienzeit an den Pädagogischen Hochschulen künftig zehn Semester betragen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnete dies als „entscheidend für den Lernerfolg insbesondere der schwächeren Schüler“.

Massive Proteste gegen „Einheitslehrer“

Die Regelstudienzeit für Lehrer an Grundschulen bleibt allerdings bei acht Semestern. Auch die wissenschaftliche Ausbildung für Lehrer an Gymnasien bleibt unverändert: Sie studieren in der Regel zehn Semester an Universitäten. Damit stellt sich die Landesregierung gegen den Vorschlag einer von ihr eingesetzten Expertenkommission, die im Frühjahr eine gleich lange Ausbildung für Lehrer aller Schularten gefordert hatte. Gegen diesen „Einheitslehrer“, wie er von Kritikern des Modells abwertend bezeichnet wurde, hatte sich jedoch massiv Protest formiert: Sowohl die Opposition als auch die mitregierende SPD lehnten ihn ab.

Von der Umstellung auf Bachelor und Master erwartet sich Ministerin Bauer auch, dass die sechs Pädagogischen Hochschulen (PH) im Land ihr Potenzial besser entfalten. Kretschmann sagte, die PH machten „einiges komplizierter“, sie böten aber auch Chancen. Ob künftig alle sechs Hochschulstandorte erhalten bleiben und ob sich einige PH spezialisieren, dazu wollte sich Kretschmann nicht äußern: „Wir führen keine Standortdebatten, das brächte die Sache auf eine schiefe Ebene.“

Die Frage des künftigen Lehrerbedarfs müsse allerdings in nächster Zeit analysiert werden, kündigte Stoch an. Bisher gebe es dazu keine belastbaren Zahlen. Auch das Referendariat, also die 18-monatige Vorbereitungszeit für den Schuldienst, sei nicht Gegenstand der Reform gewesen. „Das wird man aber auch reformieren müssen“, sagte Kretschmann. Ebenso wenig hätten Besoldungsfragen bei der Reform eine Rolle gespielt.

Voraussetzung für das Referendariat soll künftig der Master-Abschluss sein. Bauer nannte als mögliche Berufsfelder für Bachelor-Absolventen die frühkindliche Bildung sowie Betreuungsaufgaben in Ganztagsschulen.

Gewerkschaft enttäuscht über Reform

Eine weitere Neuerung soll sein, dass künftig jeder Lehrer eine Grundbildung zur sogenannten Inklusion erhält. Darunter versteht man den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern in einer Regelschule. Stoch: „Jede Lehrkraft muss künftig Lernstände der Schüler diagnostizieren, mit heterogenen Lerngruppen umgehen, mit Schülern mit besonderem Förderbedarf arbeiten, in diesen Bereichen didaktisches und methodisches Handwerkszeug erwerben und entsprechende Forschungsergebnisse kennen und nutzen.“

Eltern sollen aber auch weiterhin wählen können, ob sie ihre behinderten Kinder in einer Regelschule oder in einer Sonderschule unterrichten lassen. „Wir werden beide Strukturen vorhalten“, sagte Kretschmann, „wir müssen uns das, glaube ich, einfach leisten.“ Das sei zwar teuer, doch der Elternwille habe in diesem Fall Vorrang.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft äußerte sich enttäuscht über die Reform. Sie zementiere das dreigliedrige Schulsystem und verändere die Lehrerbildung nicht wesentlich. CDU und FDP äußerten Genugtuung darüber, dass der Einheitslehrer vom Tisch ist. Grün-Rot sei vor dem Druck der Lehrerverbände und der Opposition zurückgewichen.