Cheerleading ist ein sehr athletischer Tanz, in dem auch verschiedene Hebefiguren eingebaut sind. Fotos: Beiter Foto: Schwarzwälder-Bote

Sport: Hoch die Pompons: Rebecca Mayer ist Mitglied in einer inklusiven Cheerleader-Gruppe

Von Roland Beiter

Wenn Rebecca Mayer aus Rangendingen mit den "Blue Poisons" aus Tübingen auftritt, ist es für sie etwas ganz Besonderes und dazu eine echte "Herzenssache". Denn sie gehört Deutschlands einziger inklusiven Cheerleader-Gruppe an.

Rangendingen/Mössingen/Tübingen. Wenn die "Blue Poisons" in der Sporthalle der Tübinger BG-Klinik üben, dann hört sich das von außen an wie bei jeder anderen Tanzgruppe: fetzige Power-Music gibt einen schnellen Rhythmus vor, die knappen wie scharfen Befehle von Trainerin und Choreografin Susanne Pape-Kramer treiben die Tänzerinnen an. Doch spätestens, wenn man einen Blick in den Spiegelsaal der Halle wirft, erkennt man das Besondere der Tanzgruppe: zwischen gesunden Läuferinnen bewegen sich mehrere Tänzerinnen mit Handicap, zwei von ihnen sitzen im Rollstuhl.

Der Begeisterung tut dies keinen Abbruch: Die Frauen lachen und schwingen zackig und im Takt ihre Pompons, die glitzernd blauen Puschel, mit denen sie ihren schnellen Bewegungen noch mehr Dynamik verleihen. Was die "Blue Poisons" bei ihrem Training machen, sieht ziemlich athletisch aus und bringt auch die Tänzerinnen ohne Handicap, wie Rebecca Mayer, außer Puste.

Seit Oktober üben und tanzen die Cheerleader zusammen. Und ihre Geschichte ist auch eine sehr traurige Geschichte. Denn gerade, als die junge Gruppe so richtig durchstarten wollte, verstarb völlig unerwartet deren Gründerin Asun Kramer aus Mössingen. "Das war ein Schock für uns alle", sagen die Tänzerinnen. Doch gemeinsam entschieden sie, weiterzumachen. "Asun hätte nichts anderes gewollt", sagen sie. Deshalb legen sie sich für ihre verstorbene Freundin mächtig in Zeug.

"Langsam kommt Schwung rein", stellen deshalb auch Lisa Schwägerle und Martina Heim fest. Sie sind Abteilungsleiterinnen beim RSKV, dem Rollstuhl-Sport- und Kultur-Verein in Tübingen, dem die Cheers angehören. Bei den beiden jungen Frauen laufen nach dem Tod von Asun Kramer mittlerweile die Fäden zusammen. Für ihre Idee einer inklusiven Tanzgruppe habe die verstorbene Mössingerin vor einem halben Jahr ihren Freundes- und Bekanntenkreis "abgeklappert" und mit unheimlich viel Kraft und Willensstärke die Gruppe ins Leben gerufen.

"Asun war eine echte Powerfrau", erinnern sich ihre Mittänzerinnen. Über die Verstorbene war auch Rebecca Mayer aus Rangendingen zu den "Blue Poisons" gekommen. "Ich habe Asun bei einer Modenschau in Balingen kennengelernt", erzählt sie. "Sie wollte unbedingt mitlaufen und hat es schließlich auch geschafft – als Zombie-Braut", erinnert sich die Mode-Designerin.

Von da an waren die beiden jungen Frauen Freunde, und Rebecca wurde Mitglied der Tanzgruppe. "Am Anfang war ich etwas skeptisch", gibt die 27-Jährige zu, die als Jugendliche Ballettunterricht hatte. Doch heute sei sie überzeugt von dieser "tollen Truppe" und staune immer wieder, wie stark ihre Mittänzerinnen sind und mit welcher Selbstverständlichkeit sie ihr gehandicaptes Leben meistern. "Die Blue Poisons haben bei mir mit den Vorurteilen gegenüber Menschen mit Handicap aufgeräumt", ist sie überzeugt.

Glitzer-Röcke als Zeichen der Lebensfreude

Dass sie beim Nähen des Cheerleader-Kostüms ihr Talent als Modeschneiderin zur Verfügung stellte, war für Rebecca Mayer eine Selbstverständlichkeit. Mit Asun Kramer entwarf sie ein Kostüm mit Faltenrock und viel Glitzer – als Zeichen für die Lebensfreude und gute Laune, mit der die "Blue Poisons" ihre Zuschauer begeistern wollen. Genäht wurde zu Hause bei Mutter Olga Mayer in Rangendingen, die ihre Tochter bei deren Aufgabe kräftig unterstützte.

Die neun jungen Frauen, fünf mit einer Körperbehinderung und vier ohne Handicap, haben noch "ziemlich viel vor". Für zehn Auftritte sind die Tübinger Cheers bis Juli gebucht, ihren Premieren-Auftritt hatten sie bei den Ehrungen der Sportkreisjugend in Pfullingen. Am vergangenen Samstag sorgten sie in der Pause des Basketball-Bundesligaspiels der Walter Tigers Tübingen in der Paul-Horn-Arena Tübingen für Stimmung.

Unterstützt werden sie in ihrer PR-Arbeit von Martin Sowa, Projektleiter des landesweiten Inklusionssportprojekts Bison. Und weil Cheerleading ein sehr athletischer Sport ist, träumen die jungen Damen auch davon, dass weitere Frauen, aber auch einmal Männer bei ihnen mittanzen. Besonders bei den Hebefiguren und Pyramiden wären diese eine große Hilfe. Und die jungen Frauen sind überzeugt: "Wir kriegen jeden zum Tanzen."

Weitere Informationen: Infos und Videos auf Facebook und unter Bison.bawue@gmx.de oder über lisa.schwaegerle@hotmail.de.