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Radikale Islamisten organisieren in der Abgeschiedenheit der Rhön eine Schulung.

Fulda - Die ultra-islamistische Organisation Einladung ins Paradies wirbt in Bosnien nach Informationen unserer Zeitung für eine Drei-Tage-Schulung in Hessen. Tagungsort: eine abgelegene Jugendherberge. Angekündigte Redner: ausgewiesene Größen der Salafisten-Szene in Europa. Das ruft jetzt die Sicherheitsbehörden auf den Plan.

Die Rhön hat viel zu bieten: Die Unesco erkannte die Region als Biosphärenreservat an, das Mittelgebirge zieht Wanderer und Fahrradtouristen an - und im Oktober auch Islamisten aus Deutschland und Bosnien.

Nach dem Freitagsgebet vergangener Woche verteilten bärtige Männer vor Moscheen in mehreren bosnischen Städten vor allem an Jugendliche Einladungen. Auf denen wird für ein Islam-Seminar geworben, das vom 14. bis zum 16. Oktober in der Jugendherberge Oberbernhards stattfinden soll. Die bosnische Organisation Poziv u Raj - Einladung zum Paradies - will dazu für 60 Euro Bosnier in die Einsamkeit des Naturschutzgebietes bei Fulda karren.

Abgeschiedenheit des hessischen Mittelgebirges

Nicht ohne Grund suchen die Veranstalter die Abgeschiedenheit des hessischen Mittelgebirges. Führende Köpfe aus der salafistischen Szene beider Länder sollen jungen Muslimen eine sehr konservative Interpretation des Islam nahebringen. Deren Ziel ist nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz "die vollständige Umgestaltung von Staat, Gesellschaft und individuellem Lebensvollzug jedes einzelnen Menschen nach diesen - als gottgewollt' postulierten - Normen".

Das sei der Jugendherberge nicht bewusst gewesen, sagt Stephan Riese vom Deutschen Jugendherbergswerk DJH. Der Verband habe hohe Standards, um Extremisten aus seinen Häusern fernzuhalten. "Das hat in diesem Fall nicht funktioniert." Das DJH prüfe jetzt, ob der Vertrag mit dem Veranstalter aufgelöst werden könne. Inzwischen haben der hessische Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt Kontakt zu dem Jugendhotel aufgenommen.

Gebucht hat die Jugendherberge der deutsche Prediger Mohammed Seyfundin Ciftci über seine Braunschweiger Islamschule. Bereits in der Vergangenheit fiel der Vorbeter auf, weil er befürwortete, "Ungläubige zu köpfen" und Ehefrauen körperlich zu züchtigen. Der deutsche Terrorist Fritz G. pilgerte mit dem türkisch-stämmigen Ciftci nach Saudi-Arabien. Im Strafverfahren gegen die sogenannte Sauerlandgruppe berichtete G., er sei auf dieser Wallfahrt radikalisiert worden. Ein damals 15-Jähriger Besucher der Ciftci-Moschee in Braunschweig transportierte die Zünder für die Bomben der Terrorgruppe. Diese flog im September 2007 auf, die Mitglieder wurden später unter anderem wegen Verabredung zum Mord und Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt.

Gotteskrieger als Gastredner

Seit dem Bosnien-Krieg (1992-1995) pflegt der unter dem Pseudonym Scheich Abu Anas agierende Ciftci beste Beziehungen auf den Balkan. Er ist eng mit Poziv u Raj verbunden, die als Tochterorganisation der deutschen Einladung zum Paradies fungiert. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will den Verein verbieten lassen.

Ein Schicksal, dass den Salafisten auf dem Balkan noch nicht droht. Islam-Experte Esad Hecimovic aus Sarajevo beobachtet, dass Poziv u Raj "versucht, in Bosnien eine Unterstützungsbasis für europäische Salafisten aufzubauen, indem sie Programme für Familien islamistischer Aktivisten und Kriegsveteranen anbietet". Aktuell sind zwei Mitglieder des Vereins angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, im März 2011 katholische Nonnen in Maglaj bedroht zu haben. Die beiden Männer sollen den Ordensfrauen Einladungen zu einem Islamseminar mit den Worten "Besser du kommst da hin, bevor du zur Hölle fährst", aufgezwungen haben. In der Kleinstadt war es während des Krieges zu mörderischen Übergriffen der muslimischen Mehrheit auf die katholische Minderheit gekommen. Ciftci bestätigte, dass er das Seminar vor Ort betreut habe. Die Tat spielt er herunter: Es "war ein Missverständnis, dass zwei übereifrige Brüder die Nonnen einladen wollten".

Junge Männer auf dem Balkan rekrutiert

Kein Versehen hingegen ist der zweite Redner, den Ciftci für das Seminar in Oberbernhards aufbietet: Safet Kuduzovic. Der frühere sogenannte Gotteskrieger ist einer der führenden Gelehrten, die auf dem Balkan die islamische Rechtsordnung Scharia interpretieren. So fordert Kuduzovic beispielsweise Strafen wie Steinigungen bei Verstößen gegen das "gottgegebene Recht".

Zudem hat er bereits mehrfach junge Männer auf dem Balkan rekrutiert, sich am Heiligen Krieg, dem Dschihad, in Afghanistan und Pakistan zu beteiligen. Kuduzovic unterhält wie sein Mitredner Hajruddin Ahmetovic enge Verbindungen zu dem in Wien lebenden Islamisten NedZak Balkan.

Der soll, ist sich der bosnische Generalstaatsanwalt sicher, den Bombenanschlag auf die Polizeistation in Bugojno im Juni 2010 organisiert haben. Attentäter Haris Causevic ist vor dem obersten Strafgerichtshof angeklagt. Er hat die Tat gestanden. Sein Bruder Enes ist Prediger in der Stuttgarter Moschee Mesdzid Sahabe in der Regerstraße. Der Imam holte schon mehrfach bosnische Ex-Mudschaheddin zu Vorträgen in die Landeshauptstadt. Hier tritt auch Ciftci regelmäßig auf. Erst vergangene Woche referierte der Salafist in Stuttgart, am 30. September spricht er in Sindelfingen.