Die Richter am Landgericht Stuttgart eröffnen am 14. November 2012 den zweiten Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen. (Archivfoto) Foto: dpa

Für den Vater des Amokläufers von Winnenden hat die Staatsanwaltschaft im Revisionsprozess ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung gefordert.

Stuttgart - Im Revisionsprozess um den Amoklauf von Winnenden hat die Staatsanwaltschaft ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung für den Vater des Täters gefordert. Das entspricht dem Urteil aus dem ersten Verfahren, das der Bundesgerichtshof wegen formaler Fehler kassiert hatte.

„Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat die Hauptverhandlung zu keinem anderen Ergebnis geführt als die letzte Hauptverhandlung“, sagte Thomas Hochstein am Freitag vor dem Stuttgarter Landgericht. Nach wie vor sehen die Ankläger eine fahrlässige Tötung in 15 Fällen und fahrlässige Körperverletzung in 14 Fällen. Eine höhere Strafe ist ausgeschlossen, weil nur die Verteidigung und nicht die Staatsanwaltschaft Revision beantragt hatte.

Oberstaatsanwalt: Vater handelte "sehenden Auges"

Oberstaatsanwalt Hans-Otto Rieleder sprach von einem hohen Maß an Pflichtwidrigkeit. Nur weil der Vater „sehenden Auges“ gegen die Waffenvorschriften verstoßen habe, habe es zu der schrecklichen Tat kommen können, machte er deutlich. Der Sportschütze habe die Pistole bereits über eine längere Zeit im Schlafzimmerschrank aufbewahrt, mit der sein Sohn am 11. März 2009 in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) und Wendlingen (Kreis Esslingen) 15 Menschen und sich selbst erschoss. Die Waffe sei nicht einmal gut versteckt gewesen.

Dass der Täter den Zugangscode zum Waffentresor im Keller kannte, schlossen die Ankläger quasi aus. „Dann hätte er mit Sicherheit noch eine andere Waffe mitgeführt“, erklärte Hochstein. Überbewaffnung sei typisch für Amokläufer.

"Sie haben versagt"

Beide Staatsanwälte machten deutlich, dass der Vater von psychischen Auffälligkeiten seines Sohnes gewusst habe. Sie gehen auch davon aus, dass die Psychiatrie in Weinsberg ihn über Tötungsfantasien seines Sohnes informiert habe. Auf jeden Fall hätte der Vater den Ärzten sagen müssen, dass Tim K. Zugang zu Schusswaffen hatte, sagte Rieleder. Es gehe ins Leere zu behaupten, die Psychologen hätten versagt. „Sie haben versagt“, sagte er zum Angeklagten.

Rieleder äußerte aber auch Kritik am Klinikum, in dem Tim K. vom 27. Mai bis 25. September 2008 auf eigenen Wunsch hin untersucht worden war. Der Abschlussbericht sei erst mit „nicht tolerierbarer Verzögerung“ verfasst worden, machte er deutlich. Er wurde erst neun Tage nach dem Amoklauf erstellt. Das Papier war zuvor mit anderen Unterlagen der Klinik im Prozess verlesen worden. Aus einem frühen Zwischenbericht geht hervor, dass der Amokläufer von Winnenden „häufig Gedanken“ hatte, Menschen zu erschießen. Allerdings werden diese Tötungsfantasien des Amokläufers in den späteren Schriftstücken der Klinik nicht mehr erwähnt.

In einer Mail des zuständigen Oberarztes an die Klinikchefin vom Abend des 11. März 2009 ist nur noch vom geäußerten „Hass und Wut auf die ganze Gesellschaft“ und von nicht näher verifizierbaren aggressiven Gedanken die Rede. Der Arzt spricht in der Mail von Hinweisen auf eine latente Gefahr bei dem Jugendlichen. Im Abschlussbericht heißt es dann jedoch, von Tim K. gehe keine akute oder latente Gefahr aus. Zwar habe der 16-Jährige über Hass und Wut auf die ganze Menschheit gesprochen. Bei der letzten Sitzung habe er aber trotz Nachfrage keine aggressiven Gedanken geäußert.