Einer der Angeklagten am 15.01.2015 in Stuttgart vor Beginn des Prozesses. Foto: dpa

Bildung einer kriminellen Vereinigung, gefährliche Körperverletzung und Rädelsführerschaft: Das Landgericht Stuttgart verurteilte am Donnerstag vier Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Autonome Nationalisten Göppingen (ANG) zu teils mehrjährigen Haftstrafen.

Stuttgart - Für rechtsextreme Propaganda und Hetze, Drohungen und Angriffe auf politische Gegner hat das Landgericht Stuttgart vier Neonazis zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Unter den Männern im Alter von 23 bis 34 Jahren seien drei Rädelsführer der mittlerweile verbotenen Gruppe Autonome Nationalisten Göppingen (ANG) und ein Mitglied gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin Manuela Haußmann bei der Urteilsverkündung. Die Spanne der Haftstrafen reicht von einem Jahr und zwei Monaten bis zu zwei Jahren und vier Monaten. Zwei davon sind Bewährungsstrafen.

Während der 45 Prozesstage hatte das Gericht mehr als 120 Zeugen befragt und über 160 abgehörte Telefonate zwischen den Angeklagten ausgewertet. Viele der Zeugenaussagen seien allerdings „erstaunlich lückenhaft“ gewesen, so Haußmann.

Sympathisanten der ANG verfolgten den Prozess auf den Zuschauerrängen. Mal erhoben sie sich beim Eintreten der Angeklagten, mal lachten sie laut, wenn die Richterin Auszüge von fremdenfeindlichen Äußerungen der ANG im Internet verlas. Haußmann fasste zusammen: Dem Gericht habe sich ein „klares Bild einer rechtsextremen Vereinigung“ gezeigt, die ausländerfeindlich und antisemitisch sei und darüber hinaus den Nationalsozialismus verherrliche. In der „Kameradschaft“, wie sie die Mitglieder selbst nannten, habe eine strikte Rollenverteilung geherrscht. Anders Gesinnte seien systematisch eingeschüchtert und gezielt attackiert worden. Eine der Losungen der ANG habe dazu aufgerufen, „das Filstal zu nazifizieren und braun zu halten“.

Männer im Februar 2014 bei Razzia festgenommen

Die Neonazis sorgten laut Gericht in Göppingen lange für politisches Unbehagen, das durch Auseinandersetzungen mit der ebenfalls gewaltbereiten Antifa-Szene geprägt war. In den Jahren 2012 und 2013 habe in der 55.000 Einwohner zählenden Stadt „Ausnahmezustand“ geherrscht. Die ANG erweckte demnach im ganzen Land den Eindruck eines „Wohlfühlorts für Neonazis“. In dieser Zeit sei die Gruppe besonders aktiv gewesen und habe sich in mehr als 50 Fällen strafbar gemacht, darunter durch Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Verleumdungen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde es ruhig um die ANG nach dem Verbot der Gruppe im Dezember 2014.

Die Polizei hatte die Männer im Februar 2014 bei einer groß angelegten Razzia festgenommen. Dabei stellten die Ermittler Propagandamaterial wie Hakenkreuzfahnen, gerahmte Bilder von Adolf Hitler, Transparente, Aufkleber und Plakate mit Aufschriften wie „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“ sicher. Zudem fanden sie Schlag- und Schusswaffen in den 19 durchsuchten Wohnungen in den Landkreisen Esslingen, Göppingen und Rems-Murr.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat inzwischen Anklage gegen 13 weitere mutmaßliche ANG-Mitglieder erhoben. Die Autonomen Nationalisten gehören zum einschlägigen rechtsextremen Spektrum und gelten als besonders militant. Im Südwesten gab es 2014 laut Landesamt für Verfassungsschutz etwa zehn Gruppierungen mit insgesamt rund 170 Mitgliedern.