Die Stadt will die Wasserversorgungsanlagen von der EnBW übernehmen. Foto: dpa

Die Landeskartellbehörde plant, vor der Sommerpause eine Sanktion gegen die EnBW wegen des seit 2012 aus Sicht der Kartellwächter überhöhten Trinkwasserpreises auszusprechen. Die Frage nach dem Wert des Leitungsnetz soll im Juli vor dem Landgericht geklärt werden.

Die Landeskartellbehörde plant, vor der Sommerpause eine Sanktion gegen die EnBW wegen des seit 2012 aus Sicht der Kartellwächter überhöhten Trinkwasserpreises auszusprechen. Die Frage nach dem Wert des Leitungsnetz soll im Juli vor dem Landgericht geklärt werden.

Stuttgart - Am 13. März wird der Gemeinderat beim Thema Strom- und Gaskonzession mit breiter Mehrheit die Kooperation der Stadtwerke Stuttgart (SWS) mit der Energie Baden-Württemberg (EnBW) absegnen. 20 Jahre lang soll die ungleiche Verbindung der kleinen Stadtwerke mit der im Land einst allmächtigen EnBW halten. Der Juniorpartner SWS wird bereits nach fünf Jahren zum beherrschenden Faktor. Sowohl an der Betriebs- als auch der Besitzgesellschaft für Strom und Gas werden die Stadtwerke 74,9 Prozent halten.

Mit dieser neuen Konzession – die bisherige hält allein die EnBW – soll der Einfluss der Stadt auf Netz und Struktur vor allem der Stromversorgung gesichert und ein langjähriger Rechtsstreit gegen die EnBW vermieden werden.

Der Haus- und Grundbesitzerverein Stuttgart sieht das Modell als Blaupause für den strittigen Übergang des Wassernetzes an die Stadt. Vorsitzender Klaus Lang und Geschäftsführer Ulrich Wecker appellieren an OB Fritz Kuhn (Grüne) und den Gemeinderat, „nun ernsthaft in Erwägung zu ziehen, sich in gleicher Weise auch beim Wasser mit der EnBW zu verständigen“. Die habe „unter Beweis gestellt, dass sie auch von diesem Geschäft etwas versteht“, so Wecker. Eine Kooperation biete sich auf Grund der Sachkompetenz und des vorhandenen Personals „geradezu an“, zumal das Wassernetz „entgegen ursprünglicher Annahmen nun doch nicht zu einem Schnäppchen-Preis zu haben ist“.

Friede mit der EnBW? Das sah der Gemeinderat bisher ganz anders. Er hatte 2010 das Bürgerbegehren „100-Wasser“ angenommen und die Verwaltung am 28. Februar 2013 in Marsch gesetzt, um die Übergabe des Netzes vor Gericht zu erreichen. Streitwert aus Sicht der Stadt: 150 Millionen Euro. Aus Sicht der EnBW, die ihr Bewertungsverfahren für die Sparte just zur Preiserhöhung am 1. August 2012 geändert hatte, soll das Netz 600 bis 750 Millionen Euro wert sein.

Die Konzession der EnBW, für die die Stadt jährlich 13,3 Millionen Euro erhält, lief am 31. Dezember 2013 aus. Das Recht zur Versorgung fiel damit aus Sicht der Stadt auf die Kommune zurück, nicht allerdings die technischen Anlagen. Um sie und ihren Wert dreht sich der Rechtsstreit. Sowohl die Stadt auch EnBW haben beim Landgericht in Stuttgart mehr als 100 Seiten dicke Schriftsätze eingereicht, um ihre Position zu verdeutlichen. Die Verhandlung ist, nachdem ein April-Termin platzte, auf den 18. Juli festgesetzt worden.

Eine Lösung am Verhandlungstisch sieht Finanzbürgermeister Michael Föll kaum mehr erreichbar. „Ich habe keine Signale von der EnBW, dass sie bei ihrer Wertermittlung eine andere Sichtweise einnehmen will“, sagt er, neue Gespräche machten daher „gegenwärtig keinen Sinn“. Die Strom- und Gaskonzessionen hätten mit der für Wasser „weder inhaltlich noch zeitlich etwas zu tun“, so Föll. Das unterstreicht die EnBW. Es gebe „keine veränderte Lage“, sagt ein Konzernsprecher.

Sollte das Landgericht nach einem Gutachten zu einer eigenen Bewertung kommen, die zum Beispiel in der Mitte zwischen den beiden Zahlen läge, würde der Gemeinderat gehört werden müssen. „Auch die Mitte liegt zu weit weg“, sagt Föll, mehr als 150 Millionen Euro sind aus seiner Sicht nicht vorstellbar, ansonsten müsste der Wasserpreis nach der Übernahme nämlich steigen.

Nicht nur die Stadt stellt die Berechnungen der EnBW streitig. Auch die Landeskartellbehörde interessiert sich seit der jüngsten Erhöhung um immerhin 9,3 Prozent auf 2,562 Euro brutto pro Kubikmeter für den Stuttgarter Versorger. Eine Entscheidung in der Hauptsache schoben die Preiswächter Mitte 2013 zunächst auf, weil sie Parallelen zum Wasser-Kartellverfahren gegen die Energie Calw GmbH sehen. Dieses Verfahren ging bis zum Bundesgerichtshof (BGH) und zurück zum Oberlandesgericht. Ein eindeutiger Sieger ist seit Februar 2011 nicht auszumachen.

Aktuell hat die Kartellbehörde im Fall Calw eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingereicht, außerdem hat sich das Bundeskartellamt jetzt in das Verfahren eingeschaltet. „Das Verfahren in Stuttgart gegen die EnBW soll unabhängig vom Fall in Calw weiter betrieben werden. Die Kartellbehörde will hier keine weitere Verzögerung, sondern möglichst vor den Sommerferien eine Entscheidung“, sagt deren Sprecher Frank Lorho. Um eine so genannte Hauptsacheentscheidung zu fällen müsse die EnBW nun erneut angehört werden. Eine Verständigung scheiterte bisher.

Die Kartellbehörde ist bisher der Ansicht, dass der Aufschlag in Stuttgart für die mehr als 100 000 Kunden überhöht und daher nicht zu billigen sei. Können sich die Wettbewerbshüter durchsetzen, würden die Verbraucher voraussichtlich eine Rückerstattung erhalten.

Der Aufschlag belastet laut EnBW-Rechnung einen Haushalt mit vier Personen mit rund 36 Euro pro Jahr.