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Nach 173 Jahren zieht sich Gründerfamilie zurück – 38,5 Prozent der Aktien für Maschinenbauer Andritz.

Göppingen/Graz - Das Geschäft wurde im Geheimen und zwischen zwei mächtigen Partnern ausgehandelt. Auf der einen Seite die Schuler-Beteiligungen GmbH, in der die Gründerfamilie des Göppinger Pressenherstellers – die Schuler-Voiths – ihre Firmenbeteiligungen gebündelt haben. Auf der anderen Seite des Tischs saßen die Vertreter des Maschinen- und Anlagenbauers Andritz, mit 17.000 Mitarbeitern eines der Schwergewichte der österreichischen Wirtschaft. Als Berater dabei: Die australische Bank Macquarie, die in der Vergangenheit vor allem Milliarden-Deals im Energie- und Infrastrukturbereich abgewickelt hatte.

Nichts drang nach draußen. Um die Transaktion nicht zu gefährden, war Verschwiegenheit erste Pflicht. Am Dienstag dann war der Deal perfekt. Durch zwei Unterschriften gingen insgesamt 11,4 Millionen Aktien des Familienstamms Schuler-Voith auf Andritz über. Kaufpreis: Knapp 229 Millionen Euro.

Andritz kündigte an, auch den Rest der Schuler-Anteile übernehmen zu wollen

Der jüngste Streich war indes nur eine erste Etappe. Am Ende könnte die komplette Übernahme der Göppinger Pressen-Schmiede durch den österreichischen Pressen- und Turbinenbauer stehen. Parallel kündigte Andritz nämlich an, auch den Rest der Schuler-Anteile übernehmen zu wollen. Sollten die übrigen Aktionäre mitspielen und das Angebot annehmen, könnte Schuler wahrscheinlich noch in diesem Sommer für knapp 600 Millionen Euro komplett in österreichische Hand übergehen.

Einen Aufschlag von 26 Prozent bietet Andritz den restlichen Aktionären immerhin schon mal für ihre Papiere. Darunter sind Schwergewichte wie die Süddeutsche Beteiligung GmbH, die 12,5 Prozent der Schuler-Anteile hält, oder die Kreissparkasse Biberach (6,2 Prozent), mehrere institutionelle Anleger, aber auch viele Kleinaktionäre, die seit dem Schuler-Börsengang 1999 in die Göppinger Firma investiert haben.

Das 5200-Mitarbeiter-Unternehmen steht derzeit auch blendend da. Nach zwei harten Jahren hat sich der auf die Automobilindustrie spezialisierte Pressenhersteller im vergangenen Jahr wieder berappelt und sogar Rekorde eingefahren. Noch im Frühjahr 2012 sagte der Schuler-Vorstandschef Stefan Klebert, das Unternehmen blicke auf ein sehr gutes Jahr zurück und habe wahrscheinlich ein noch viel besseres vor sich. Man habe keine „Sorge und Nachdenklichkeit“. Alle Projekte liefen stabil.

Zwei lange Jahre schrieb man Verluste

Tatsächlich hat Schuler eine ganze Reihe von strukturellen Umbrüchen und Problemen bereits hinter sich gelassen. Lange musste das ehemalige Familienunternehmen die Übernahme des Konkurrenten Müller Weingarten im Jahr 2007 verdauen. Die Integration des Unternehmens bei gleichzeitig hereinbrechender Wirtschafts- und Finanzkrise wurde zur  Herausforderung. Zwei lange Jahre schrieb man Verluste und suchte zwischendurch sein Heil sogar in der Fertigung von Windrädern – ein Projekt, das durch den Aufschwung im Automobilsektor heute wieder obsolet ist.

Der jetzige Absprung des ehemaligen Hauptaktionärs scheint indes nur auf den ersten Blick überraschend. Bereits im vergangenen Sommer deutete sich an, dass der Familien-Clan um den Patriarchen und Schuler-Aufsichtsratsvorsitzenden Robert Schuler-Voith sich von der 1839 gegründeten Firma verabschieden könnte. Bei einer damaligen Kapitalerhöhung zogen die Schuler-Voiths nicht mit. Ihr Mehrheitsanteil von rund 51 Prozent verwässerte sich dadurch in mehreren Schritten auf die bis Anfang der Woche gültigen 38,5 Prozent. Nach über 170 Jahren war die Firma aus dem Fokus ihrer Gründerdynastie gerückt.

„Die Kinder haben andere Interessen“

Daneben haben nach Informationen unserer Zeitung Nachfolgeschwierigkeiten in der zentralen Familiengesellschaft Schuler-Beteiligungen GmbH eine Rolle gespielt. Die Verwaltung der Firmenbeteiligungen des Familienstamms – im Wesentlichen sind das das Schuler-Aktienpaket und ein 49-Prozent-Anteil am Industriekonzern Leifheit – übernahmen bisher fast ausschließlich Robert Schuler-Voith und Helmut Zahn, die beide als Geschäftsführer der Schuler-Gesellschaft firmieren. Obwohl der 59-jährige Robert Schuler-Voith Nachkommen hat, ist offensichtlich für seinen Job kein Nachfolger in Sicht. „Die Kinder haben andere Interessen“, sagte Zahn unserer Zeitung. Vor dem Hintergrund, dass zyklenanfällige Firmen wie Schuler ein intensives Management verlangten, habe man sich daher entschieden, eine Lösung außerhalb der Familie zu suchen – Andritz.

Außerdem kündigte Zahn an, dass sowohl er als auch Robert Schuler-Voith aus dem Schuler-Aufsichtsrat ausscheiden werden, allerdings erst, wenn der Deal durch grünes Licht vonseiten der Kartellbehörden endgültig in trockenen Tüchern ist.

Beim jetzigen Verkauf der Anteile dürfte zudem nicht ganz unwichtig gewesen sein, dass Schuler derzeit auch börslich ziemlich gut dasteht. Seit September vergangenen Jahres hat sich der Kurs des Schuler-Papiers auf dem Parkett verdoppelt – auf rund 16 Euro vor Bekanntwerden des Übernahmeangebots. „Natürlich war auch der Zeitpunkt zum Verkauf günstig“, sagt Zahn.

Und der Pressenhersteller selbst? „Wir sehen in Andritz ein Unternehmen, das unser Geschäft versteht und selbst langfristig denkt“, sagte ein Schuler-Sprecher. „Wir rechnen damit, dass wir einen verständigen und kundigen Großaktionär erhalten.“