Polizeireform Südwest - Schlag gegen den ländlichen Raum? Foto: Kraufmann

Verschiedene Landesteile üben harsche Kritik an der Polizeireform. Perspektiven werden vermisst.

Oberndorf - Dass die geplante Straffung der Polizei im Südwesten nicht geräuschlos ablaufen würde, war zu erwarten. Bis zuletzt hatten alle Regionen darauf gehofft, dass im Zuge der Polizeireform nicht gerade ihre Polizeidirektion geschlossen würde. Doch vielerorts hat sich diese Hoffnung zerschlagen. An anderer Stelle hingegen wird gefeiert.

Grundsätzlich betonten CDU-Fraktionschef Peter Hauk und sein innenpolitischer Sprecher Thomas Blenke (Calw), dass die Reform »die Sicherheit in Baden-Württemberg« gefährde. Die CDU will darum für den Erhalt aller Direktionen kämpfen. CDU-Landeschef Thomas Strobl etwa möchte mit der Homepage www.die-polizei-muss-bleiben.de eine Unterschriftenaktion lostreten.

Im Gemeinderat Villingen-Schwenningen herrschte gestern Abend blanke Niedergeschlagenheit: Das Gros der Stadträte beklagte die Entscheidung für ein Präsidium in Tuttlingen heftig. Villingen-Schwenningen, formal Oberzentrum der Region und deutlich größer, schaut in die Röhre.

CDU-Gemeinderätin Renate Breuning brachte es auf den Punkt: »Ich sehe es als Schwäche, wenn man Einrichtungen, die in einem Oberzentrum waren, abzieht. Für die Stadt ist das ein Affront ohnegleichen, uns das Oberzentrum wegzunehmen.« Der Dienstag, an dem sie von der Entscheidung erfahren habe, sei für sie »ein schwarzer Tag« gewesen.

Schon zuvor hatte sich der Alt-Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen, Gerhard Gebauer (SPD), zu Wort gemeldet. Die Entscheidungen des Innenministeriums zur Polizeistrukturreform seien »ein Schlag ins Kontor«. Sollte die gesamte Landesregierung diese ministeriellen Planungen übernehmen, sei der Zeitpunkt gekommen, »die Ausweisung der Stadt Villingen-Schwenningen als Oberzentrum der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg aus dem Landesentwicklungsgesetz zu streichen«. Ebenfalls »nicht nachvollziehbar« findet die Entscheidung der stellvertretende Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises, Joachim Gwinner.

Für jede Menge Gesprächsstoff sorgt die Reform überdies im Zollernalbkreis. Vor allem die personellen Konsequenzen für die Noch-Direktions-Stadt Balingen sind enorm, wie Rolf Eckert, Leitender Kriminaldirektor und Chef in Balingen, unserer Zeitung sagt. Demnach würden wohl von der Halbtageskraft bis zum Polizeidirektor mindestens 70 von 331 Stellen wegfallen.

Auch bei der Tübinger Polizei ist die Stimmung im Moment alles andere als gut – deren zuständiges Polizeipräsidium wird seinen Sitz künftig im benachbarten Reutlingen haben. »Die Kollegen sind geschockt«, sagt Gewerkschafter Rolf Fauser. Viele Beamte müssten in Zukunft weite Wege zum Arbeitsplatz in Kauf nehmen.

Gelinkt fühlen dürfen sich Kommunalpolitiker in Oberschwaben

In die ähnliche Kerbe schlägt der Mosbacher Landrat Achim Brötel (CDU). Mit der Aufgabe der Polizeidirektion Mosbach, die Heilbronn zugeschlagen wird, werde vor Ort entgegen anderen Ankündigungen »keine Stärkung der Polizeipräsenz eintreten«, kritisiert er die Reform. Mit ihr verliere der ländliche Raum zudem an interessanten beruflichen Perspektiven. Wer bei der Polizei etwas werden wolle, müsse sich »wohl oder übel« in Richtung Großstadt orientieren.

Nachgerade gelinkt fühlen dürfen sich Kommunalpolitiker in Oberschwaben. Sie hatten noch vor einer Woche den SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel so verstanden, als sei ein Polizeipräsidium Oberschwaben ausgemachte Sache: Mit Ravensburg, Friedrichshafen, Sigmaringen sowie Biberach sollte zusammenwachsen, was (kriminal-)geografisch zusammengehöre. Doch nun die Anbindung an die Bodenseestädte Konstanz und Friedrichshafen. »Das Allgäu ist damit im polizeilichen Abseits«, zitiert die Schwäbische Zeitung Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp, die Polizeibeamten »schäumen vor Wut«.

Ralf Thimm, Leiter der Polizeidirektion in Tuttlingen, zeigt sich hingegen erfreut über die Nachricht: »Wir sind froh über die Standortentscheidung.« Das Innenministerium habe eine »sachgerechte Entscheidung getroffen«. Projektverantwortlicher für den Aufbau des regionalen Polizeipräsidiums wird Ulrich Schwarz, derzeit Leiter der Polizeidirektion Konstanz. Diese Personalentscheidung lasse wohl auch Rückschlüsse auf den künftigen Polizeipräsidenten zu, heißt es weiter vage. Auch in Rottweil ist man zufrieden. Dort entsteht eine Kriminaldirektion.
Dass Landräte und Bürgermeister landauf, landab Bedenken gegen die Reform hegen, scheint auch den Karlsruher Grünen-Landtagsabgeordneten Alexander Salomon nicht in seiner Meinung zu beeinflussen: »Karlsruhe und seine Umgebung werden durch die Polizeistrukturreform gestärkt. Die Polizei bleibt in der Fläche präsent«, gibt er sich optimistisch.

Damit bekomme die Polizeireform ein regionales Gesicht. Die Entscheidung, in Karlsruhe ein starkes Präsidium zu installieren, welches seine Zuständigkeit in Richtung Pforzheim und Calw erweitert, sei ein richtiger Schritt nach vorne. »Karlsruhe wird auch landesweit das personenstärkste Präsidium«, so Salomon weiter. Bloß: In Calw sieht man das ganz anders. Dort fürchtet man, Anhängsel eines Großpräsidiums zu werden.