Bis hierher und nicht weiter – doch wo überschreiten Polizeibeamte ihre Grenzen? : Foto: dpa

Die Gewalt gegen Polizeibeamte geht zurück – doch wie sieht es umgekehrt aus? Bei der Stuttgarter Polizei laufen Ermittlungen gegen zwei Streifenbeamte, die einen Betrunkenen dingfest machten – und der anschließend mehrfach im Krankenhaus operiert werden musste.

Stuttgart - Die Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte hat in Stuttgart deutlich abgenommen. Laut jüngster polizeilicher Statistik gibt es einen Rückgang von 20 Prozent auf 720 Fälle, bei denen 1550 Polizisten verletzt wurden. Eine Statistik über die umgekehrte Fälle – mit Polizisten als Tätern – gibt es dagegen nicht. Das Kripo-Dezernat Amtsdelikte ermittelt eher unbemerkt hinter den Kulissen – wie jetzt auch bei einem Zwischenfall in Riedenberg.

Im Mittelpunkt stehen zwei 37 und 38 Jahre alte Beamte der Revierstation Degerloch. Sie sollen es mit dem sogenannten unmittelbaren Zwang erheblich übertrieben haben, als sie einen alkoholisierten und Widerstand leistenden Mann dingfest machten. Der Betroffene, ein 37-Jähriger aus Riedenberg, soll Frakturen an Kiefer, Jochbein und Nase erlitten haben. Er wird noch weitere Operationen über sich ergehen lassen müssen.

Der Fall, der nicht vom Betroffenen, sondern von Zeugen angezeigt wurde, spielte sich am 17. März gegen 19.15 Uhr in der Florentiner Straße ab. Die Streife war zuvor zu einem Einsatz in einem Einkaufszentrum gerufen worden, wo ein Betrunkener herumpöbelte und randalierte. Offenbar ein Routinefall: „Der Mann sollte zunächst in die Obhut von Angehörigen gegeben werden“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach, „jedoch war niemand zu Hause.“

Die Polizisten beabsichtigten daher den 37-Jährigen daher mit auf die Wache nehmen. Auf dem Weg zum Streifenwagen passierte es. Eine Zeugin beobachtet, wie sich der noch aufrecht gehende Mann immer stärker dagegen wehrt, zum Polizeiauto gebracht zu werden. Die Beamten reden auf ihn ein, doch der Mann wehrt sich weiter.

Dann geht alles blitzschnell. Die Polizisten ringen den 37-Jährigen mit dem Gesicht nach unten aufs Straßenpflaster. „In diesem Moment hatten sie seinen Widerstand eigentlich gebrochen“, sagt die Zeugin, „doch dann schlugen sie ihm beide jeweils mit der Faust ins Gesicht.“ Dabei habe der Mann auf dem Bauch lediglich seinen Kopf angehoben. Der blutende 37-Jährige wird gefesselt, die Polizisten verständigen einen Rettungswagen. Nach einer Fahrt zum Krankenhaus in Ostfildern-Ruit geht es weiter zum Stuttgarter Marienhospital, wo Kieferchirurgen operieren müssen.

„Es gehört nicht zum Alltag, aber es kann gelegentlich vorkommen, dass ein Widerstand mit unmittelbarem Zwang gebrochen werden muss“, sagt Polizeisprecher Keilbach. Um es überhaupt nicht zu einer Eskalation kommen zu lassen, gebe es eine Konzeption des Innenministeriums „zur Reduzierung von Provokationen, Aggressionen und Gewalt gegen Polizeibeamte“ mit gezielten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen.

Die Polizisten in Riedenberg griffen jedenfalls letztlich zur Methode des zweifachen Faustschlags ins Gesicht, um den Widerborstigen zu bändigen. Dies wird laut Polizeisprecher Keilbach von den Beamten nicht bestritten. Anders habe der Mann aber nicht fixiert werden können.

Es heißt, dass der 37-Jährige bei der Operation am Kiefer eine Metallplatte eingesetzt wurde, die später wieder herausoperiert werden muss. Die Nahrungsaufnahme ist extrem eingeschränkt. Polizeisprecher Keilbach bestätigt, dass das für Amtsdelikte zuständige Kripo-Dezernat Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt führt. Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes eine Körperverletzung begeht oder begehen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist auch eine Geldstrafe möglich.

Die Verletzungen sind dokumentiert, die Zeugen befragt. Wie die Staatsanwaltschaft den Fall bewertet, wird sich nach Abschluss der Ermittlungen zeigen. Die beiden Polizeibeamten sind weiterhin an ihrer Dienststelle im Einsatz.