Emma Stone und Ryan Gosling tanzen in „La La Land“: Sieben Golden Globes hat das Musical eingeheimst und damit einen neuen Rekord aufgestellt. Foto: Studiocanal

Sieben Golden Globes für das Musical „La La Land“ zeigen: Die Sehnsucht nach ablenkender Unterhaltung aus Hollywood wächst. Trotz dieses Signals war die Globes-Gala nahe dran an der Realität der USA. Und jeder weitere Preis schien fein ausgewogen zwischen dem schwarzen und dem weißen Amerika.

Stuttgart - Man solle das bloß nicht einschalten, man solle die Quoten dieser liberalen, volksfernen Hollywood-Stars nach unten treiben: Mit solchen Aufrufen hatten etliche konservative Amerikaner vorab in den sozialen Netzwerken gegen die Verleihung der Golden Globes gewettert. Weil man nichts lieber tut, als sich zu ärgern, dürften einige der Boykott-Ausrufer trotzdem zugeschaut und eine Bestätigung ihrer Vorahnung bekommen haben: Donald Trump wurde das Ziel von Sticheleien und Attacken.

Die Golden-Globes-Verleihung am Sonntagabend in Los Angeles bot zwar keine nahtlose Abfolge politischer Reden. Mancher Preisträger und Präsentator mag Sorge gehabt haben, die wütenden Konservativen nicht noch weiter zu reizen. Aber dafür gab es einen großen, ergreifenden Moment, der die Witzeleien des schwachen Moderators Jimmy Fallon und mancher Prämierter wie Hugh Laurie (bester TV-Nebendarsteller für „The Night Manager“) in den Schatten stellte.

Meryl Streep, die für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, schalt den bald ins Weiße Haus einziehenden Donald Trump, ohne ihn je beim Namen zu nennen. „Dass eine so mächtige Person in der Öffentlichkeit den Trieb verspürt, andere zu verletzen, nimmt Einfluss auf das Leben aller“, mahnte sie. „Weil es anderen eine Art Erlaubnis gibt, das Gleiche zu tun. Respektlosigkeit lädt zu mehr Respektlosigkeit ein, Gewalt gebiert Gewalt.“

Kein böses Omen für Maren Ade

Die Golden Globes, der Preis der Auslandspresse in Hollywood, haben eine Karriere vom läppischen B-Promi-Treff zum vermeintlichen Testlauf für die Oscars hinter sich. Will heißen: Bei dieser Gala sucht man nach Anhaltspunkten für die amerikanische Befindlichkeit. Weil das eine inneramerikanische Veranstaltung ist, die gewiss nicht von filmkünstlerischen Grübeleien dominiert wird, lässt sich leicht verschmerzen, dass Maren Ades auch die Kritiker in den USA verzückender „Toni Erdmann“ nicht als bester ausländischer Film ausgezeichnet wurde. Der betreffende Globe ging an Paul Verhoevens „Elle“ aus Frankreich. Als Oscar-Omen taugt das aber wenig. „Toni Erdmann“ hat es bei den Academy Awards in eine Zwischenrunde von noch neun Filmen geschafft, „Elle“ nicht. Am 24. Januar werden die fünf Endrunden-Kandidaten verkündet, die Oscars selbst dann am 26. Februar verliehen.

Ein Favorit immerhin hat alle Erwartungen übererfüllt: Damien Chazelles Musical „La La Land“, als beste Komödie gekürt, hat mit sieben Globes einen neuen Rekord aufgestellt. Emma Stone und Ryan Gosling wurden als beste Hauptdarsteller in der Kategorie Musical oder Komödie ausgezeichnet, Chazelle erhielt Globes für Regie und Drehbuch, Justin Hurwitz einen für die Filmmusik, und „City Of Stars“ schließlich wurde zum besten Einzellied erkoren. Musicals, heute eine Seltenheit, gehörten während der Wirtschaftskrise der Dreißiger und während des Zweiten Weltkriegs zum Dauerangebot der Traumfabrik. Die Globes für „La La Land“ kann man also kaum anders denn als Ausdruck der Hoffnung deuten, Hollywood möge nun wieder eskapistische, dabei heilende und stützende Unterhaltung liefern.

Weiße und schwarze Champions

Das Gegenstück zur allseits erwarteten Favoritenkür in der Sparte Kinokomödie bot das offene Rennen um die Globes für Kinodramen und TV-Serien. Hier standen Produktionen mit fast komplett weißer Besetzung in direkter Konkurrenz zu Produktionen mit afroamerikanischen Darstellerriegen. Schon die Protestkampagne #oscarssowhite vor einem Jahr hat gezeigt, dass im schwarzen Amerika ein Ende der Geduld auch gegenüber dem weichen Alltagsrassismus erreicht ist, dass Ungleichheiten wieder offen angeprangert werden, dass der Blick auf Gewohntes neu fokussiert. Die Hollywood Foreign Press Association hat in dieser Situation ihre Preise diplomatisch zu vergeben versucht.

Der weiße Champion „Manchester By The Sea“ von Kenneth Lonergan, der starke Film eines starken Regisseurs, trat ins Rampenlicht, als Casey Affleck den Globe als bester Hauptdarsteller erhielt. Dafür wurde aber der afroamerikanische Kritikerliebling „Moonlight“ von Barry Jenkins, der vom Erwachsen- und Bewusstwerden eines homosexuellen jungen Mannes in einer Machowelt erzählt, als bestes dramatisches Werk ausgezeichnet. Obwohl für „Loving“ auch die in Äthiopien geborene Afroamerikanerin Ruth Negga nominiert war, ging der Hauptdarstellerinnen-Globe an Isabelle Huppert für ihren Auftritt in „Elle“. Dafür erhielt die Afroamerikanerin Viola Davisden Nebendarstellerinnen-Globe für „Fences“, Denzel Washingtons Adaption des hochgelobten Bühnenstücks von August Wilson.

Auch die TV-Globes achten auf Hautfarben

Bei den Fernsehproduktionen punktete zwar die sehr weiße Serie „The Crown“ über die junge Queen Elizabeth II. als bestes Drama, auch die Hauptdarstellerin Claire Foy erhielt einen Globe. Dafür war die Sitcom „Atlanta“, die frech und frisch mit den Klischees vom kriminellen bis halbseidenen schwarzen Leben in der Großstadt spielt, ebenfalls für zwei Globes gut: beste Komödie, bester Hauptdarsteller. Letzterer, Donald Glover, ist auch der Kopf hinter „Atlanta“.

Eine Miniserie, die einen wichtigen realen Spannungsmoment der Rassendebatten-Gesellschaft ins Gedächtnis ruft, den Mordprozess gegen einen schwarzen Sport- und Filmstar, erhielt ebenfalls Preise: „The People v. O. J. Simpson“ wurde zur besten Miniserie erklärt, die weiße Schauspielerin Sarah Paulson bekam den Hauptdarstellerinnen-Globe. Beste Nebendarstellerin wurde dafür die Afroamerikanerin Tracee Ellis Ross, deren Serie „Black-ish“ vom Leben einer vereinzelten schwarzen Familie in einer gutbürgerlichen weißen Nachbarschaft erzählt.

Das Misstrauen hat sich eingenistet

Ist damit also die Waage im Gleichgewicht, die Film- und Fernsehwelt als Musterkolonie eines neuen Fairness-Gedankens beglaubigt? Das darf bezweifelt werden. Auch wenn man von der Preismassierung für „La La Land“ absieht, der keine ähnlich konzentrierte Wertschätzung eines afroamerikanischen Films gegenüber steht, zeigen doch schon der Drang und der Zwang zum Zählen, Aufwiegen und Austarieren, dass sich ein misstrauischer Blick dauerhaft eingenistet hat.

Vermutlich wird auch in den nächsten Jahren jeder Rückgang der Zahl der Preise für Afroamerikaner als politischer Akt, als vorsätzliche Schmähung gewertet werden. Hinter dem Gold der Golden Globes verschwinden die Hautfarbenunterschiede eben nicht. Denn Amerika ist so gespalten wie seit den großen Tagen der Bürgerrechtsproteste nicht mehr.