Foto: PPFotodesign.com

Ein oder mehrere Höfe müssten abgerissen werden – Geplante Stadtbahn U6 zerschneidet Flächen.

Leinfelden-Echterdingen - Den Landwirten, die einst gegen die Messe gekämpft haben, droht neues Ungemach: Die von der SPD-Landtagsfraktion vorgeschlagene Trassenvariante A für den ICE würde quer durch ihre Aussiedlerflächen verlaufen. Ein oder mehrere Höfe müssten abgerissen werden.

Eigentlich kann es Fritz Auch-Schwarz kaum fassen: Aus der Zeitung hatte er damals erfahren, dass die Messe auf seinen Feldern geplant ist. Jetzt gibt es wieder einen kühnen Entwurf, diesmal für den ICE, der im Zuge von Stuttgart21 vom Flughafen durch Leinfelden-Echterdingen zum Abzweig Rohrer Kurve fahren soll.

Nach der bisherigen Planung nutzt die Bahn für den ICE das bestehende S-Bahn-Gleis durch die Stadt. Weil dies massive Kritik ausgelöst hat, versucht sich die SPD-Landtagsfraktion jetzt an Alternativen. Kürzlich stellten Wolfgang Drexler und Claus Schmiedel zwei Alternativen vor, die den Zug nicht durch die Stadt , sondern entlang der Autobahn führen. Dafür muss er in der Variante B unter dem Messegelände geführt werden, oder - mit Sicherheit kostengünstiger - als Variante A quer übers Feld.

Die Planer haben dabei aber offenbar übersehen, dass der Zug damit praktisch durchs Wohnzimmer von Fritz Auch-Schwarz oder einem seiner damaligen Mitstreiter führen würde. "Die müssten einen Hof abreißen - anders geht das nicht", kommentiert er die Idee. Und es würden jede Menge Felder so angeschnitten, dass sie nicht mehr rentabel zu bewirtschaften wären. "Dabei ist das hier die Aussiedlerachse", erzählt Auch-Schwarz weiter. Sein Vater sei 1960 als Erster mit dem Hof raus aufs Feld. Die andern seien ihm an den Bliensäckerweg gefolgt, nachdem die Stadt dort die Aussiedlerhöfe bündeln wollte.

Genau diese Achse - den Bliensäckerweg - hatten zunächst auch die SSB im Visier für die Weiterführung der U6 vom Fasanenhof zum Flughafen. Nach einem Ortstermin entschieden sich die Planer aber anders: "Es sind Unmengen von Leitungen hier im Boden, praktisch alles von Telefon bis Abwasser." Jetzt haben die SSB eine neue Trassenführung erarbeitet. Die U6 soll demnach östlich vom Echterdinger Ei über oder unter der Autobahn geführt werden und von dort parallel zur B27 zum Flughafen. Beim Flughafen/Messe sind zwei Haltestellen vorgesehen. Eine dritte, an der Esslinger Straße nordöstlich von Echterdingen, soll es der Stadt schmackhaft machen, sich an den Kosten zu beteiligen. Die aber hat abgewinkt: Leinfelden-Echterdingen habe von dieser Linie keine Vorteile, ließ OB Roland Klenk wissen. Im Gegenteil: Sie zerschneide wertvolle landwirtschaftliche Flächen.

Dies kann Fritz Auch-Schwarz nur bestätigen. Nachdem er und seine Berufskollegen nach dem Messebau 2004 Flächen so getauscht haben, dass alle wieder zusammenhängende Einheiten bewirtschaften können, hat er jetzt ein etwa vier Hektar großes Stück südöstlich vom Echterdinger Ei. Das würde der U6 zum Opfer fallen. Weitere Flächen pflegt Auch-Schwarz nördlich der Autobahn auf Plieninger Seite: Dort allerdings ist die ICE-Trasse für jene Züge geplant, die künftig aus Stuttgart Richtung Ulm fahren. "An dieser Trasse können wir nicht mehr viel rütteln", weiß der Landwirt. Bei der U6 dagegen hofft er auf ein Einsehen der Planer: "Am liebsten wäre uns, wenn auch diese Gleise parallel zur Autobahn geführt würden." Und der Vorschlag der SPD für den ICE ist für Auch-Schwarz undenkbar.

"Ich frage mich, ob wir wirklich so weitermachen können" , zweifelt der 52-Jährige, "das Tempo der Versiegelung ist gigantisch." Gut kann er sich an seine Kindheit erinnern, als die Echterdinger Markung nach Norden noch weit bis über die Autobahn reichte und die Echterdinger Bauern dort Heu machten, wo heute der Fasanenhof ist. Damals sei man noch mit dem Pferdefuhrwerk über die B27 gefahren. "Vor 50 Jahren war das noch eine ganz andere Welt."

Dabei sei die Notwendigkeit vieler Baumaßnahmen eher zweifelhaft, findet Auch-Schwarz. An Gewerbeflächen gebe es ein riesiges Überangebot. Und trotzdem plane der Flughafen jetzt ein weiteres Gewerbegebiet: "Ich frage mich ohnehin, ob das alles rechtens ist", sagt Auch-Schwarz und stellt infrage, ob das Flughafenareal einfach in Bürofläche umgewandelt werden darf. Direkt daran angrenzend planen die Städte Leinfelden-Echterdingen und Stuttgart gemeinsam den Gewerbepark Echterdingen-Ost - der Landwirtschaft gehen dann auch dort rund 20 Hektar beste Böden verloren. Die U6, meint Auch-Schwarz, leiste dem Gewerbepark sicher Vorschub.

Filder ist das schwäbische Wort für Felder. Doch ausgerechnet in diesem traditionell bäuerlichen Gebiet mit höchster Bodengüte gibt Auch-Schwarz der Landwirtschaft keine Zukunft mehr. "Eigentlich haben wir es ja gewusst: Wenn wir gegen die Messe verlieren, ist das der Dammbruch. Dann gibt es kein Halten mehr, dann geht es Schlag auf Schlag immer weiter."