Notfallnachsorgedienst hat 40 ehrenamtliche Helfer im Einsatz

Pforzheim/Enzkreis. Es gibt Fälle, die finden großen medialen Widerhall, wenn Menschen sterben – wie beim Amoklauf beim Versandhaus Bader oder in der Schule in Winnenden. Oder den furchtbaren Unfall auf der Wilferdinger Straße, der zum Auslöser des Schutzengel-Projekts der Polizei wurde.

Und es gibt den leisen Todesfall, in der Öffentlichkeit wahrgenommen über eine Todesanzeige. Fast immer gibt es Hinterbliebene. Vielleicht konnten sie sich vorbereiten auf das Ableben eines geliebten Menschen – vielleicht wurden sie wie von einem Keulenschlag getroffen beim Unfalltod eines Familienangehörigen oder dem Suizid eines Freundes.

"Es sind immer Einzelschicksale", sagt Gudrun Augenstein, 52. Seit zehn Jahren ist sie Leiterin des Notfallnachsorgedienstes (NND), angesiedelt beim Deutschen Roten Kreuz. Das Netzwerk von Ehrenamtlichen erinnerte im Reuchlinhaus an diese Tätigkeit. Der Begriff Festakt würde die Sache nicht treffen – geht es doch um sterben, Tod, Traumata, Abschied, Bewältigung, Verarbeitung, Hilfe. "Wie kriegen wir die Situation so hin, dass die Menschen wieder handlungsfähig sind?", fasst Augenstein die Hauptarbeit des NND zusammen. Seit 1992 ist die gebürtige Eutingerin in Kieselbronn als Coach und psychologische Beraterin selbstständig und seit 34 Jahren ehrenamtlich beim DRK tätig.

"Mittlerweile haben alle, die länger dabei sind, vielschichtige Dinge erlebt", so die Diplomsozialpädagogin, "das gibt mehr Sicherheit. Aber jeder Einsatz ist etwas Besonderes." Mehrere Hundert werden es gewesen sein, bei denen die Leiterin des NND den Betroffenen zur Seite stand. Die Statistik verzeichnet 1114 Einsätze in den vergangenen zehn Jahren.

Alles hatte begonnen, als nach dem Tod von Albert Haag (DRK) im Jahr 2001 Gudrun Augenstein am Runden Tisch – damals der psychosozialen Notfallversorgung – teilnahm. "Vielleicht lag es an meiner Biografie", erinnert sich die Frau, die zur Kriseninterventionshelferin ausgebildet wurde und mit drei Mitstreitern (darunter ihr Mann Viktor und Hans-Jürgen Köhl) im März 2002 den Notfallnachsorgedienst gründete. Ihre Schwester starb ein Jahr vor ihrer Geburt, der Vater, als Gudrun Augenstein 21 war und ein Pflegekind im Alter von vier Jahren. Mittlerweile gibt es sieben Einsatzleiter für die 40 Notfallnachsorger. Untereinander wird koordiniert, welches Team schnellstmöglich bereit und fähig ist, Hilfe anzubieten, wenn sie denn erwünscht ist. So unterschiedlich der Tod Menschen aus dem Leben reißt, so verschieden gehen Menschen mit Trauer um.

Wenn Rettungskräfte, Notärzte, Polizei oder Feuerwehr nichts mehr tun können oder die schlimmste Nachricht von allen überbringen müssen, beginnt für die Notfallnachsorge der Akut-Einsatz, der bis zum Zeitpunkt der Beerdigung dauern kann. Es ist eine Zeitspanne, die Hinterbliebenen manchmal wie ein Tunnel oder wie ein Film vorkommt. "Manchmal sind wir auch so etwas wie Erlaubnisgeber", erklärt Augenstein, deren erster Einsatz eine Selbsttötung war. Als ein 16-jähriges Mädchen zwei Tage nach dem Unfalltod ihres ein Jahr älteren Bruders fragte: "Darf ich jetzt überhaupt tanzen gehen? Was sagen die Leute?" Die Antwort: "Jeder hat seine Form der Trauerverarbeitung."

Ein Jahr lang werden in 130 Unterrichtseinheiten künftige Notfallnachsorger ausgebildet. Einige brechen ab, andere steigen nach ein paar Jahren aus. "Es macht einen menschlich reifer", meint Augenstein. Stolz ist sie darauf, ihren Teil zu einem intakten Netzwerk beigetragen zu haben. So wurden im Frühjahr acht Helfer der Notfallnachsorge gemeinsam mit fünf Kollegen des Kriseninterventionsteams ausgebildet.

Weitere Informationen: www.drk-pforzheim.de