Edwin Rapp, ehemaliger russischer Kriegsgefangener und seit 25 Jahren Vorsitzender des Heimkehrerverbands, hat nicht nur dessen Geschichte dokumentiert und für das Stadtarchiv aufgearbeitet. Foto: Schwarzwälder-Bote

Vor 65 Jahren gegründet: noch 50 Mitglieder mit 90 Jahren Altersschnitt / Edwin Rapp übergibt Sammlung

Pforzheim. Die Kartons, die ans Stadtarchiv gehen, füllen sich noch immer: mehr als 120 Ordner mit wohl 40 000 Seiten (Briefe, Dokumente, Berichte, Fotos und andere Unterlagen) hat Edwin Rapp in seiner Wohnung zusammengestellt. Es ist die Geschichte des Pforzheimer Heimkehrerverbands, zu dessen 65-jährigem Bestehen er eine Kurzchronik zusammengestellt hat – nebst seinen vielfältigen Aktivitäten mit der Liga für Deutsch-Russische Freundschaft in Moskau, wodurch Hunderte von Vermisstenschicksalen aufgeklärt werden konnten sowie als Vorsitzender der Gedenkstätte Halbe.

In Halbe war Rapp als 18-Jähriger beim Ausgang des Zweiten Weltkriegs Ende April 1945 eingekesselt worden. 30 000 deutsche Soldaten starben, dazu geschätzte 10 000 deutsche Zivilisten sowie viele sowjetische Zwangsarbeiter. Die Verluste der Roten Armee betrugen 20 000 Tote. Rund 100 000 deutsche Soldaten wurden in den Osten verschleppt. Rapp, schwer verletzt, geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. In Stalingrad wurde er an Weihnachten 1949 in Richtung Heimat entlassen. Vier Wochen später trat er dem neu gegründeten Verband ehemaliger Kriegsgefangener bei. Er war beim Aufbau des Landesverbands der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen beteiligt. Seit 1989 ist er Vorsitzender des Kreisverbands. Er wurde unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt und ist Träger der Bürgermedaille der Stadt Pforzheim.

Ehemalige, aus der Gefangenschaft heimgekehrte deutsche Soldaten hatten am 23. April 1949 in Stuttgart den Centralverband der Heimkehrer für Baden-Württemberg gegründet. Am 3. Juli fand die erste Veranstaltung in den damaligen Schwarzwald-Lichtspielen statt. Drei Tage später, am 6. Juli 1949, vor nunmehr 65 Jahren, wurde im "Gasthaus zum Anker" in Brötzingen der "Kreisverband der Heimkehrer im Centralverband" gegründet. Vorsitzender wurde der Pforzheimer Architekt Max Roller. Als einer der ersten Städte in Baden-Württemberg richtete Pforzheim eine Heimkehrer-Beratungsstelle ein. Als Begrüßungsgeld gab es 100 Mark, dazu Freifahrtscheine für die Straßenbahn sowie zwei Freikarten fürs Stadttheater.

Fünf Jahre nach seiner Gründung hatte der Kreisverband als einer der stärksten in der Bundesrepublik rund 1500 Mitglieder. Heute sind es nur noch etwas mehr als 50 mit einem Durchschnittsalter von fast 90 Jahren. Dass sich der heutige "Kreisverband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermissten Pforzheim-Enzkreis" in Bälde auflösen wird, das ist Edwin Rapp schon lange bewusst. Nicht nur deshalb ist er froh, dass das Stadtarchiv seine gesammelten Unterlagen aufnimmt. Er hat auch für das 65-jährige Bestehen nochmals eine Dokumentation erstellt, die weit über die Aktivitäten im Kreisverband hinausgeht.

Ein ehrendes Erinnern wird dabei auch den Vorsitzenden gewidmet: Max Roller (1949–1954), Erich Müller (1955–1969), Erster Bürgermeister Gerhard Thiele (1970–1976) und Walter Fiess (1977–1987). Von ihm hat Rapp 1988 den Vorsitz übernommen, den er nun 25 Jahre innehat. "Die Jahre 1949 bis 1965 waren die arbeitsreichsten für die Vorstandschaften. Damals war die Not unter den heimgekehrten Kriegsgefangenen am größten, vor allem waren auch die Aktivitäten des Verbandes am umfangreichsten", ist festgehalten.

Viele Erinnerungsstücke befinden sich heute im "Haus der Landmannschaften" in Brötzingen, darunter alle Zeitungsberichte aus den Jahren 1949–2008. Ein Findling aus dem Hagenschieß, versehen mit einer Gedenktafel, stand zunächst auf dem Platz unterhalb des Ratsaalgebäudes und steht heute auf dem Hauptfriedhof. Er wird auch nach dem Auflösen des Kreisverbands an die Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen erinnern.