Anregende Debatten und viel Papierkram: Die Azubis Celine Hoser, Christina Schmid und Jennifer Zimolong (von links) stecken tief im Planspiel Europa. Foto: Schwarzwälder-Bote

Lehrlinge des Landratsamts Enzkreis sowie der Stadt Pforzheim proben die EU-Erweiterung / Planspiel birgt Reibungsflächen

Enzkreis/Pforzheim. Politische Bildung tut not. Gerade im Hinblick auf die nachwachsenden Generationen, bei denen Nachrichten und Informationen in aller Regel weniger hoch im Kurs stehen, als etwa mit dem Computer oder der X-Box zu hantieren. Ein Planspiel rund um die Europäische Union (EU) sollte zumindest für Auszubildende des Landratsamtes Enzkreis und der Stadt Pforzheim Abhilfe schaffen. 30 junge Leute probten im großen Sitzungssaal des Landratsamtes die EU-Erweiterung mit den Staaten Serbien, Türkei und Mazedonien.

Dass die Azubis auch in der Praxis erfahren, wie politische Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene wirklich funktionieren, liegt vor allem im Interesse der Pforzheimer Europabeauftragten Anna-Lena Beilschmidt. "Das schulische Wissen auf diesem Gebiet ist in der Breite überraschend gering", hält sie fest.

Beim Planspiel dauerte es allerdings nicht allzu lange, bis die Azubis ganz in ihren Rollen als Mitglieder entweder des EU-Ministerrats, des EU-Parlaments oder der EU-Kommission aufgingen. Streng nach den "Kopenhagener Kriterien" für den Beitritt rückten im Fall von Mazedonien insbesondere die hohe Arbeitslosenquote von 28,8 Prozent sowie die schlechten Wirtschaftszahlen in den Fokus der Gremiumsmitglieder. Auch der serbische Antrag, in den Anwärter-Status aufgenommen zu werden, stieß bei einer Verschuldung von satten 61 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vorerst auf Skepsis. Bei der Türkei schlug negativ zu Buche, dass sich der Staat schon seit 27 Jahren um eine EU-Mitgliedschaft bemüht, die dafür nötigen und geforderten innenpolitischen Reformen aber bisher immer noch nicht durchgeführt hat.

"Und wie steht es überhaupt mit der gesellschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau in der Türkei", fragte die EU-Ministerrats-Vorsitzende Chloe Dupont alias Nina Haußer nicht nur einmal kritisch bei den Bewerber-Ländern nach. "Wenn man in einer Rolle steckt, etwas tun muss, sind die Mechanismen greifbarer, als wenn ich darüber nur ein Info-Blatt lese", bekennt die 17-Jährige. "Je tiefer es in den Prozess geht, desto mehr beschäftigt man sich automatisch mit der politischen Materie und den Hintergründen."

Reibungsflächen ergaben sich in den Debatten außerdem durch die traditionell enge Bindung der Serben zu Russland, das über den Gas- und Erdöl-Handel mehr Einfluss in Mitteleuropa gewinnt.

Dass Jugendliche gerade im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahlen am 25. Mai über solche Vorgänge nachdenken, will auch die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) forcieren. "Für die jüngeren Generationen sind offene Grenzen ohne Personenkontrollen längst selbstverständlich", sagt Wolfgang Berger, Leiter der LpB-Außenstelle in Heidelberg, dessen freie Mitarbeiter Caroline Blarr und Danijel Paric das Planspiel im Landratsamt moderierten. "In der Europäischen Union wird mehr entschieden, als viele Bürger denken", betont Caroline Blarr, die sich mit dem Ergebnis des Projekts durchaus zufrieden zeigte. Denn bei vier Ja-Stimmen und drei Enthaltungen im fiktiven Brüsseler EU-Rat wurde wenigstens Serbien als Anwärter auf eine Mitgliedschaft akzeptiert.

"Dabei konnte jeder gut erkennen, wie schwierig der Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene eigentlich ist", bilanziert LpB-Mitarbeiter Danijel Paric. Das kann auch der 22-jährige Simeon-Cedric Dannheim nur unterstreichen: "Das Spannendste war für mich, Fakten und die eigene Meinung gegeneinander abzuwägen", sagt der Praktikant der Pforzheimer Stadtverwaltung.