Frank Neubert, Jacqueline Roos und Ellen Eberle (von links) präsentieren eines der Schaubilder zur Ausstellung zum 90-jährigen Bestehen der hiesigen AWO. Foto: Schwarzwälder-Bote

Arbeiterwohlfahrt feiert aus gegebenem Anlass klein, aber eindrucksvoll / Zum Jubiläum gibt es ein Familienfest

Pforzheim. Im Jahr 1924, zwischen zwei Weltkriegen, wurde die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Pforzheim-Enzkreis gegründet. Heute, 90 Jahre später, erlebe die Menschheit erneut "eine schwierige Zeit mit Kriegen weltweit", sagt AWO-Vorsitzende Jacqueline Roos.

Dass immer mehr Flüchtlinge auf der Suche nach Asyl seien, mache die akute Not auch in Pforzheim sichtbar. Deshalb wird es zum "fast ganz runden" Jubiläum keine Gala und keine Festreden geben. "Das halten wir in diesen Tagen nicht für angemessen", betont Roos.

Die AWO feiert nicht groß, aber eindrucksvoll: Mit einem bunten Fest am heutigen Samstag im Familienzentrum Ost. Und mit einer Schau, die die Anfänge der Fürsorge für Bedürftige beleuchtet.

Das Engagement der AWO in der Nachkriegszeit ist gut dokumentiert. Doch die Quellenlage zu ihren Ursprüngen ist dürftig.

Um so beachtlicher mutet das an, was das Vorstandsmitglied Frank Neubert in monatelanger Kleinarbeit zusammengetragen hat. Neubert hat sich auf die Zeit zwischen 1919, dem Gründungsjahr der AWO in Deutschland, und der zwischenzeitlichen Auflösung des Verbands durch die Nationalsozialisten 1933 konzentriert.

Die Ausstellung gewährt rare und spannende Einblicke. Die sieben Tafeln führen das Wirken der Gründerin und Sozialreformerin Marie Juchacz vor Augen. Der Betrachter erfährt, warum sich Gruppierungen zu Arbeiter-Sportvereinen und -Kulturvereinen zusammenschlossen. Im Fokus steht die vom Reichstag verabschiedete Fürsorgeverordnung, die 1924 zur Gründung des hiesigen AWO-Verbands führte – Arme, denen die Politik Ansprüche auf Sozialleistungen zugebilligt hatte, sollten vor Ort Helfer und Wegweiser durch die Behörden haben.

Eines der Gesichter dieser lokalen Gemeinschaftskunde ist Edith Trautwein, Pforzheims erste Stadträtin (SPD), später Landtagsabgeordnete und für die AWO auf Landesebene aktiv. Sie war unter den zehn Bürgern, die die AWO anfangs prägten. Denn, so Neubert, die Menschen der Arbeiterbewegung blieben unter sich. Das Bürgertum der Stadt habe "auf die Armen heruntergeschaut", bekräftigt Ellen Eberle, die stellvertretende Kreisvorsitzende.

Doch in der allergrößten Not hielt man offenbar doch zusammen. Als im Zuge der Weltwirtschaftskrise die Arbeitslosigkeit sprunghaft anstieg und auch klimatisch eisige Zeiten herrschten, schlossen sich 45 Organisationen und Geschäftsleute zusammen, um 1930/31 eine Winternothilfe zu leisten. "Es ging um das Elementarste", sagt Neubert: Heizstoff, Essen und Kleidung wurden gesammelt und verteilt.

Gesunde Ernährung war auch ein wichtiger Bestandteil der Stadtranderholung für Kinder, die ihre Premiere im Huchenfelder Naturfreundehaus erlebte. Koordiniert wurden alle Einsätze im ersten AWO-Büro an der Nonnenmühlgasse, auch die Speisung Bedürftiger und das Flicken von Kleidung in Nähstuben. "Hier schließt sich der Kreis", sagt Jacqueline Roos.

Auch auf dem alten Posthof-Areal an der Zeppelinstraße, wo die AWO heute ihren Sitz hat, stünden Menschen vor dem Tafelladen Schlange und würden gegenüber im "Second-Hand-Palast" unter anderem mit Kleidung versorgt. Eben auf diesem Areal feiert die AWO heute ihr Familienfest – mit Hüpfburg und einem Kinderprogramm des Horts der Buckenbergschule, mit deutschen und türkischen Speisen, mit Musik aus den 1920er-Jahren – eine Schülerband des Hebel-Gymnasiums sowie Lu Thomé und "Mäx de Bo" treten auf – sowie mit einer Tombola. Auch dies eine Parallele zur Zeit der Pioniere – die Weihnachtslotterie half einst, Geld einzuwerben. Damals kostete das Los 50 Pfennig, morgen ist es für 50 Cent zu haben.

Das Familienfest zu "90 Jahre AWO Pforzheim-Enzkreis" beginnt heute, Samstag, um 12 Uhr.