Johannes Stingl Foto: Sannert Foto: Schwarzwälder-Bote

Informationsveranstaltung: Nach über 40 Jahren kommt Wahlverfahren auf den Prüfstand / Johannes Stingl zu Gast

Soll die Gemeinde Pfalzgrafenweiler an der unechten Teilortswahl festhalten oder sie nach über 40 Jahren abschaffen? Um diese Frage drehte sich alles bei der Informationsveranstaltung mit Johannes Stingl in der Festhalle.

Pfalzgrafenweiler (ds). Die Gemeinde Pfalzgrafenweiler hatte gemeinsam mit dem Bildungswerk für Kommunalpolitik Baden-Württemberg Gemeinderäte, Ortsvorsteher, Ortschaftsräte und Bürger eingeladen. Letztere schien das Thema weniger zu interessieren – Gremiumsmitglieder aus Ortsteilen und Mutterort dafür umso mehr.

Ganze 32 Gäste hieß Bürgermeister Dieter Bischoff willkommen. Er freute sich, dass mit dem Kommunalberater, Lehrbeauftragten und Beigeordneten a. D., Johannes Stingl aus Neu-Ulm, ein hochkarätiger Referent nach Pfalzgrafenweiler gekommen war, der aus seiner Führungsfunktion beim Gemeindetag Vor- und Nachteile der unechten Teilortswahl in Theorie und Praxis kennt.

Für den Bürgermeister ist sie, daran ließ er keinen Zweifel, "ein Relikt aus der Kommunal- und Kreisreform". Um den kommunalen Frieden zu sichern, habe man in den 70er-Jahren den Gemeinden Sitzzahlen im Gemeinderat garantiert. Doch das komplizierte Wahlverfahren mit Kumulieren und Panaschieren habe zu vielen ungültigen Stimmzetteln und auch zu höheren Sitzzahlen im Gemeinderat geführt. Über 40 Jahre nach der Gemeindereform müsse die Frage erlaubt sein: "Ist es noch zeitgemäß, die unechte Teilortswahl fortzuführen? Oder sind wir eine Gemeinde mit einem Gemeinderat und können auf das Relikt verzichten?" Mit dieser Veranstaltung, so Bischoff, wolle er einen Denkanstoß geben, der zu einem späteren Zeitpunkt im Gemeinderat diskutiert werden soll.

Hauptsatzung müsste geändert werden – per Ratsbeschluss

Bei der Gemeindereform wurden aus 3300 Gemeinden 1101, blickte Johannes Stingl zurück. Die garantierten Sitzzahlen für die neuen Ortsteile seien als Eingliederungsvereinbarungen in der jeweiligen Hauptsatzung niedergeschrieben worden. Um die unechte Teilortswahl abzuschaffen, müsse folglich die Hauptsatzung geändert werden. Und dies sei, so der Referent, nur durch einen Gemeinderatsbeschluss oder durch einen Bürgerentscheid möglich.

In Pfalzgrafenweiler sind die Sitze nach der Einwohnerzahl wie folgt verteilt: zehn Sitze für Bewerber aus Pfalzgrafenweiler mit Neu-Nuifra, drei für Bösingen, jeweils zwei für Herzogsweiler und Durrweiler und jeweils ein Sitz für Edelweiler und Kälberbronn. Ausgleichssitze gab es bei der Kommunalwahl 2014 keine. Damit blieb, anders als in vielen anderen Gemeinden, die Sitzzahl im Gemeinderat unverändert.

Johannes Stingl stellte in seinem Vortrag das Pro und Kontra der unechten Teilortswahl gegenüber. Nach der Gemeindereform habe sie zum Zusammenwachsen der neu gebildeten Orte beigetragen und sei ein Garant für die Umsetzung der in den Eingliederungsverträgen festgeschriebenen Forderungen gewesen. Dank unechter Teilortswahl seien Vertreter aus allen Ortsteilen einer Gemeinde im Gemeinderat vertreten.

Gegen die unechte Teilortswahl spreche das komplizierte Wahlverfahren. Irgendwann, so Stingl, müsse die Integration auch mal abgeschlossen sein. Anstatt Sitze im Gemeinderat zu garantieren, könnte man neue Wege gehen und die Ortschaftsverfassung stärken, ganz so wie im "Herrenberger Modell". Dieses statte die Gremien in den Ortsteilen mit mehr Kompetenzen aus. Für den Referenten ist aber noch ein Punkt wichtig: Ohne unechte Teilortswahl seien alle Gemeinderäte gleichberechtigt, jede Stimme habe bei der Wahl das gleiche Gewicht. Der Wähler sei nicht mehr an Wahlbezirke gebunden und könne seine Stimmen frei verteilen. In den Gemeinderat würden am Ende nur diejenigen einziehen, die von den Bürgern die meisten Stimmen erhalten haben.

Johannes Stingl ist überzeugt, dass es dann auch gelingen wird, mehr Bewerber für die Listen zu finden. Und Teilorte, in denen es gute Kandidaten gebe, könnten unter Umständen mehr Personen im Gremium platzieren als bei einer garantierten Sitzzahl.

Bösingens Ortsvorsteher Adolf Gärtner trieb die Frage nach dem Erhalt der Ortschaftsratsgremien um. Er wollte von dem Referenten wissen, wie viele Gemeinden nach der unechten Teilortswahl auch die Ortschaftsverfassung abgeschafft haben. In 438 Gemeinden gebe es das komplizierte Wahlverfahren nicht mehr, so Stingl.

Laut Kälberbronns Ortsvorsteher Andreas Ziefle läuft in Pfalzgrafenweiler alles bestens. Die Gemeinde stehe gut da, der Gemeinderat leiste hervorragende Arbeit und halte sich an die Empfehlungsbeschlüsse der Ortschaftsräte. Warum also sollte man etwas, das 40 Jahre lang gut funktionierte, nun einfach umkrempeln? Ziefle befürchtet, dass es kleineren Ortsteilen künftig nicht mehr gelingen könnte, einen Bewerber im Gemeinderat zu platzieren.

Bürgermeister Bischoff verwies auf die Tatsache, dass in Pfalzgrafenweiler alle Ortsvorsteher auch gewählte Gemeinderäte mit Stimmrecht sind. Doch auch ohne dieses habe jeder Ortsvorsteher jederzeit ein Rederecht im Gemeinderat. "Es war bei uns bei Beschlüssen nie die Stimme des Ortsteilvertreters entscheidend", betonte er. Hanspeter Morlok stimmte ihm zu. Als Bezirksbeiratsvorsitzender von Neu-Nuifra habe er kein Stimmrecht im Gremium. Auch mit Stimmrecht hätte sich seiner Meinung nach für seinen Ortsteil nichts geändert, ist er sich sicher.

Doch Adolf Gärtner hat noch eine andere Befürchtung: Ohne Sitzgarantie seien die Fraktionen bei der Kandidatensuche in den Ortsteilen nicht mehr gefordert. "Wenn das passiert, sind die Ortsteile gezwungen, eigene Listen aufzustellen, und dann haben wir eine Separatierung!" Bürgermeister Bischoff sieht dieses Problem nicht. "Es kommt bei der Kommunalwahl auf die Person an – die Kommunalwahl ist die Persönlichkeitswahl schlechthin", argumentierte er. Unterstützung kam von Gemeinderat Hein Gall. Es fragte in die Runde: "Ist es nicht schöner, wenn man durch Stimmen gewählt wird als durch einen garantierten Sitz?"