Idyll im Weiler Wald: Draußen auf der Weide strahlt das Vieh entspannte Ruhe aus – doch in dem Dorf mit zuletzt 188 Wahlberechtigten gibt es Spannungen. Foto: Brandt

In Edelweiler steckt der Karren im Dreck: Ärger bei Verpflichtung von Doris Sannert. Beschlüsse des neuen Gremiums sind rechtswidrig.

Pfalzgrafenweiler-Edelweiler - Ihre Freude währte nicht lange: Nachdem Doris Sannert als Ortschaftsrätin von Edelweiler gewählt und verpflichtet war, wäre sie fast auch Ortsvorsteherin geworden. Daraus wird wohl nichts. Die Kommunalaufsicht schritt ein – und spricht von einem komplizierten, vielleicht so noch nie dagewesenen Fall.

Es ist eine verfahrene Situation, die in dem kleinen Ortsteil von Pfalzgrafenweiler mit zuletzt 188 Wahlberechtigten am 25. Mai ihren Anfang nahm. 520 Stimmen hatte die "Interessengemeinschaft Edelweiler" bei der Ortschaftsratswahl auf sich vereinigt, 425 waren es für die "Bürger für Edelweiler". Ergibt je vier Sitze im neuen Ortschaftsrat.

Dieser trat am 9. Juli erstmals zusammen, und das übliche Prozedere nahm im Beisein von Bürgermeister Dieter Bischoff seinen Lauf. Ortsvorsteher Thomas Sannert verpflichtete die acht gewählten Ortschaftsräte, darunter seine Frau Doris, auf das gewissenhafte Erfüllen ihrer Amtspflichten. Im Anschluss stellten sich zwei Frauen zur Wahl um die Nachfolge von Thomas Sannert, der nach 15 Jahren im Amt nicht mehr kandidierte: Doris Sannert von den "Bürgern für Edelweiler", die bei der Ortschaftsratswahl hinter ihrem Listenkollegen Hanspeter Beck (123) mit 118 Stimmen das zweitbeste Ergebnis erreichte, und Sabine Bilger von der "Interessengemeinschaft Edelweiler", mit 95 Stimmen auf Platz vier. Als die neuen Ortschaftsräte in zwei geheimen Wahlgängen zur Entscheidung über die Ortsvorsteherin schritten, deren Ergebnis wie üblich als Vorschlag zum endgültigen Beschluss an den Gemeinderat gehen sollte, kam es zweimal, wie es kommen musste: zum Patt. Das Los brachte schließlich die Entscheidung – für Doris Sannert.

Zur für den 5. August geplanten Wahl der neuen Ortsvorsteherin durch den Gemeinderat kam es jedoch nicht. Bürgermeister Dieter Bischoff hatte die Verabschiedung Thomas Sannerts und die Wahl seines Nachfolgers kurzfristig wieder von der Tagesordnung genommen und führte als Erklärung in der Sitzung "rechtliche Fragen" an, die noch zu klären seien. Auf Nachfrage unserer Zeitung im Rathaus hält sich Bischoff kurz. Nach Rücksprache mit der Kommunalaufsicht sei klar: "Wir werden noch mal in den Ortschaftsrat gehen müssen." Zunächst wolle er das Gespräch mit dem Ehepaar Sannert und mit diesem zusammen eine Lösung suchen. Mehr will Bischoff zu dem "sensiblen Thema" zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.

Alle Beschlüsse des neuen Gremiums sind rechtswidrig

Ein Anruf beim Kommunalamt am Landratsamt in Freudenstadt bringt etwas mehr Klarheit. Amtsleiter Klaus Dölker verweist auf einen Punkt, der in den vergangenen Wochen in vielen Sitzungen kommunaler Gremien auf der Tagesordnung stand und zumeist eine Formalie war: Der alte Gemeinde- oder Ortschaftsrat stellt nach der Kommunalwahl fest, ob bei einem gewählten Mitglied des neuen Rats Hinderungsgründe für den Amtsantritt vorliegen. In Edelweiler ist dies laut Dölker der Fall, was aber "wohl übersehen" worden sei.

Konkret liege der Hinderungsgrund bei Doris Sannert, die zwar als Ortschaftsrätin gewählt ist, aber laut Dölker nicht hätte verpflichtet werden dürfen. Zwischen Mitgliedern des Ortschaftsrats und dem Ortsvorsteher dürfe ebenso wenig ein Hinderungsgrund bestehen wie zwischen Gemeinderäten und dem Bürgermeister, erklärt Dölker. Hinderungsgrund für Doris Sannert sei, dass sie Ehepartnerin des Ortsvorstehers ist. Thomas Sannert sei zwar nur noch "Interims-Ortsvorsteher", so Dölker weiter, dies aber mit allen Rechten und Pflichten, nachdem er bis zum 31. Mai nicht erklärt habe, seine ehrenamtliche Tätigkeit einzustellen. Folglich bleibe er Ortsvorsteher, bis sein Nachfolger vom Gemeinderat gewählt und eingesetzt ist oder er selbst zurücktritt.

Doris und Thomas Sannert erheben nun Vorwürfe gegen die Gemeindeverwaltung. Einige Tage vor der konstituierenden Sitzung des Ortschaftsrats habe Thomas Sannert telefonisch bei Wahlleiter Ralf Springmann wegen der verwandtschaftlichen Beziehung Bedenken für die bevorstehende Verpflichtung seiner Frau durch ihn angemeldet. Er habe um Klärung und Rückruf gebeten, der jedoch nicht erfolgt sei, heißt es in einem Schreiben des Ehepaars an das Regierungspräsidium Karlsruhe. Bürgermeister Bischoff habe zu Beginn der Ortschaftsratssitzung den Wunsch Sannerts, Bischoff möge die Sitzung an dessen Stelle leiten, abgelehnt und angeführt, dass die Befangenheitsklausel in diesem Fall aufgehoben sei. Mehr noch: Bischoff habe Sannert angewiesen, die ausscheidenden Ortschaftsräte zu verabschieden und die neuen Räte, darunter seine Frau, ins Amt zu verpflichten, so Sannert. Zu Beginn der Sitzung habe er gefragt, ob Hinderungsgründe angemeldet werden, was sowohl der Bürgermeister als auch alle übrigen Anwesenden verneint hätten.

Weder Bürgermeister noch Wahlleiter hätten nach eigener Aussage zum Zeitpunkt der Verpflichtung von einem Hinderungsgrund Kenntnis gehabt, führt Doris Sannert ins Feld. Zudem habe die Verwaltung versäumt, ihren Mann auf die mit dem Ende der Amtszeit von Ortschaftsrat und Ortsvorsteher am 31. Mai zusammenhängende Rechtslage hinzuweisen. "Auch wurde er nicht aufgefordert, sein Ausscheiden in schriftlicher Form einzureichen, um den Weg für seine Frau freizumachen", so Doris Sannert weiter. Gleichzeitig habe die Gemeindeverwaltung die Annahme ihrer Wahl als Mitglied des Ortschaftsrats akzeptiert.

Auf welcher Seite sind nun die Fehler zu suchen? Kommunalamtsleiter Klaus Dölker bleibt erst einmal vage, spricht von "Fehlern oder Unachtsamkeiten". Der Gemeindeverwaltung? "Sie hätte vielleicht auch etwas merken müssen." Und der Familie Sannert? "Thomas Sannert hätte vielleicht früher zurücktreten sollen." Dölkers Uneindeutigkeit in diesem Punkt kommt nicht von ungefähr: "Wir haben so eine Fallgestaltung noch nie gehabt." Generell sei eine solche Konstellation "wohl noch nie vorgekommen". Nach Rechtsauffassung des Landratsamts, das sich beim Regierungspräsidium rückversichert hat, sind alle in Edelweiler seit der Verpflichtung der Ortschaftsräte getroffenen Beschlüsse rechtswidrig – also auch die Wahl der Ortsvorsteherin.

Was muss also geschehen? Klaus Dölker zufolge erst einmal die Rolle rückwärts: Die Gemeinde muss eine neue Ortschaftsratssitzung einberufen, in der der Punkt "Feststellung etwaiger Hinderungsgründe der neuen Ortschaftsräte" auf der Tagesordnung steht. Dann gibt es Dölker zufolge zwei Szenarien. Ist Thomas Sannert noch im Amt und der Hinderungsgrund wird festgestellt, erhält Doris Sannert einen entsprechenden Bescheid der Rechtsaufsichtsbehörde. "Dann muss sie ausscheiden", sagt der Amtsleiter, "aber nicht auf alle Ewigkeit". Denn sie kommt an die oberste Stelle der Ersatzbewerber und kann nachrücken, sobald ein Ortschaftsratsmitglied ihrer Liste ausscheidet. "Sie ist gewählt, diesen Status verliert sie nicht", betont Dölker, "sie kann nur nicht eintreten."

Szenario zwei: Thomas Sannert tritt zurück. "Der Ortsvorsteher könnte geltend machen, dass er aus einem wichtigen Grund die ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr wahrnehmen kann", beruft sich Dölker auf die Gemeindeordnung. "Dann müsste der Gemeinderat darüber entscheiden." Die nächste Ortschaftsratssitzung würde in diesem Fall das älteste Mitglied des Gremiums leiten. Doris Sannert würde neu verpflichtet, der Vorschlag des Ortsvorstehers für den Gemeinderat neu beschlossen. So wie die Dinge liegen, müsste also noch einmal das Los entscheiden.

Doris Sannert weigert sich, selbst Hinderungsgründe anzumelden und verweist "nach Rücksprache mit Juristen und Kommunalpolitikern" auf unterschiedliche Rechtsauffassungen. "Ich wurde von der Mehrheit der Einwohner in den Ortschaftsrat gewählt, aus dem ich nun wieder ausscheiden soll, obwohl ich selbst keinen einzigen Fehler gemacht habe", schreibt sie in einer Stellungnahme an die Presse und fragt: "Wie soll ich das meinen Wählern erklären?" Schon jetzt habe ihr Ansehen Schaden genommen. Auch ihr Mann habe nach 15 Jahren ehrenamtlichen Engagements einen "besseren Abschied verdient".

Wenn der Ortschaftsrat von Edelweiler in der ersten und der Gemeinderat in der zweiten Septemberhälfte zusammenkommt, wird es in den Gremien vieles zu fragen und manches zu erklären geben.