Für viele Berufstätige gehört das Pendeln zum Alltag. Die Zeit sollte man sinnvoll nutzen oder entspannen. Foto: dpa

Millionen Menschen verbringen täglich viel Zeit auf dem Weg zur Arbeit. Um den Stress beim Autofahren oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reduzieren, helfen Rituale.

Pendeln macht schlank und krank. Schwedische Forscher haben herausgefunden, dass 'Beschäftigte, die einen weiteren Arbeitsweg haben, früher sterben als Menschen, deren Arbeitsort näher am Wohnort liegt'. Laut einer Studie der Universität Umeå leiden Pendler an negativem Stress und zu hohem Blutdruck. Niederschmetternd ist ebenso die Analyse des Schweizer Ökonomen Bruno Frey. Er hat schon vor zehn Jahren festgestellt: 'Pendeln lohnt sich nicht.' Seine Faustformel lautet: Wer für den Weg zur Arbeit eine Stunde benötigt, müsste 40 Prozent mehr verdienen, um genauso glücklich zu sein wie jemand, der seinen Job direkt um die Ecke hat. In England haben wiederum Forscher herausgefunden, dass pendeln mit Bus und Bahn schlank macht. Grund: wer täglich Stress hat, weil er noch schnell den Bus oder die Bahn erwischen muss, läuft weniger Gefahr, übergewichtig zu sein. Schon die Vielzahl an Pendel-Studien zeigt, wie virulent das Thema ist. In Deutschland pendeln, je nach Erhebung, täglich bis zu 30 Millionen Berufstätige. 1,5 Millionen davon legen für den Weg von der Wohnung zur Arbeit mehr als 50 Kilometer zurück. Weil sich viele den Stress der langen Arbeitsanreise antun, ist die Frage: Wie kann glückliches Pendeln gelingen? Simon Bechtold aus Bretten bei Karlsruhe hat für sich einen Weg gefunden, um die 1000 Kilometer, die er pro Woche in Auto und Zug zurücklegt, zu nutzen.


"Nüsse knacken" dient dem Stressabbau

Der Trompeten- und Gitarrenspieler entspannt während den Fahrten. 'Ich höre Musik, um zur Ruhe zu kommen', sagt der Technische Leiter eines Elektrotechnikunternehmens. Pendelt er am Wochenende von Bretten nach Fellbach zu seiner Fortbildung, hört er wiederum Audio-CDs. 'Um meinen Abschluss als technischer IHK-Betriebswirt zu bestehen, ziehe ich mir den Lernstoff zu Recht und Steuern oder zu VWL über Kopfhörer rein', erzählt der 26-Jährige. 'Ein Weg, das Pendeln zu überstehen, ist, ihn mit Sinnvollem zu füllen', sagt Jochen Stargardt. Der Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater fuhr lange Jahre fürs Studium von Würzburg nach Crailsheim. Auf dem Weg lauschte er vornehmlich Autobiografien, etwa jener der US-amerikanischen Unternehmerlegende Donald Trump, oder Bestsellern wie 'Schwimm mit den Haien, ohne gefressen zu werden' von Harvey Mackay. Petra Jagow hat noch einen anderen Tipp: 'Nüsse knacken', rät die Psychologin. Das diene dem Stressabbau. Denn Pendeln verändere das Essverhalten. Wenn etwa der Zug verpasst wird, kaufen und kauen die Leute gerne Schokoriegel, die krachen. 'Das tun diese nicht zum Spaß', verdeutlicht die Kölnerin. Durch das Knacken der Nüsse werde Stress abgebaut. Er kaut sprichwörtlich auf der Anspannung durch die Verspätung herum. Der Esser speichert diese Info unbewusst ab und kauft immer wieder Schokoriegel. Dennoch wirkt das Nüsseknacken. 'Ich kann meine Ladung sozusagen zerkauen', meint die Expertin.


Berufsreisende sollten ihre Fahrten ritualisieren

Grundsätzlich empfiehlt sie Berufsreisenden, Fahrten zu ritualisieren. Das kann auf dem Weg zur Arbeit das Lesen von Tages- und Fachzeitungen sein, um sich auf ein anstehendes Kundengespräch vorzubereiten. Eine Art Selbst-Briefing, das einen gelassener in den Tag starten lässt. Für die Heimfahrt rät Jagow, Dinge zu tun, die Distanz zur Arbeit schaffen. Musik hören oder Backgammon am Laptop spielen. Gerne mit Equipment wie großen Kopfhörern, die sichtbar signalisieren: 'Ich möchte nicht gestört werden.' Wichtig ist also zu unterscheiden, auf welcher Fahrt ich mich befinde. Auf dem Weg zur Arbeit können demnach E-Mails gelesen und beantwortet werden. Wenn der Effekt ist, dass dadurch Arbeit vornweg erledigt wird. Auf dem Heimweg sollten glückliche Pendler den Fokus auf die Zeit nach der Arbeit legen. 'Die Heimatzeitung lesen und schauen, was im Dorf geschehen ist', rät Jagow. Das käme dann einer Vorbereitung des Abendgesprächs mit dem Ehepartner gleich. Jochen Stargardt trennt nicht so strikt zwischen Arbeit und Freizeit. Für den Buchautor und passionierten Polo-Spieler ist ein abschließendes Ritual am Arbeitsplatz dennoch wichtig, um den Kopf frei zu bekommen. Als letzten Arbeitsakt am Schreibtisch rät der 39-Jährige, täglich eine To-do-Liste zu schreiben. 'Und zwar mit den Dingen, die am Folgetag erledigt werden sollen', so der Korber. Wichtig dabei: nur etwa 40 Prozent des nächsten Tages verbindlich verplanen. Den Rest für spontane Aufgaben wie Kundenanfragen, Reklamationen und andere Unterbrechungen offenlassen. Das reduziere Stress - unabhängig vom Pendeln.