Nach der Parlamentswahl in Ungarn kann Regierungschef Orban weitere vier Jahre mit komfortabler Mehrheit regieren. Foto: dpa

Nach der Parlamentswahl in Ungarn kann Regierungschef Orban weitere vier Jahre mit komfortabler Mehrheit regieren. Eine erneute Zweidrittelmehrheit scheint jedoch fraglich.

Nach der Parlamentswahl in Ungarn kann Regierungschef Orban weitere vier Jahre mit komfortabler Mehrheit regieren. Eine erneute Zweidrittelmehrheit scheint jedoch fraglich.

Budapest - Ungarns EU-kritischer Ministerpräsident Viktor Orban hat die Parlamentswahl trotz deutlicher Einbußen klar gewonnen und kann weiter allein regieren. Sein rechtsnationaler Bund Junger Demokraten (Fidesz) kam auf 44,4 Prozent, wie die Wahlbehörde in Budapest in der Nacht mitteilte.

Der 50-Jährige steht damit vor seiner dritten Amtszeit. Nach dem vorläufigen Endergebnis errang seine Partei mit 133 von 199 Sitzen sogar denkbar knapp wieder eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Damit könnte er weiter die Verfassung nach Belieben ändern. Fidesz profitierte von einer Wahlrechtsänderung, die die jeweils relativ stärkste Partei noch stärker begünstigt als bisher.

Die Bundesregierung forderte Orban nach der klaren Wiederwahl auf, besonderen Wert auf die Einhaltung der Grundwerte zu legen. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach in Berlin von einer "besonderen Verantwortung", die mutmaßlich gewonnene Zwei-Drittel-Mehrheit mit "Augenmaß, Zurückhaltung und Sensibilität" zu nutzen.

Das von der Sozialistischen Partei (MSZP) angeführte Mitte-Links-Bündnis von fünf Parteien vereinte 25,9 Prozent der Stimmen auf sich und kann mit 38 Mandaten rechnen. Die rechtsradikale Jobbik (Die Besseren) kam auf 20,5 Prozent und 23 Mandate. Die Öko-Partei Politik kann anders sein (LMP) übersprang mit 5,2 Prozent knapp die Fünf-Prozent-Hürde und wird voraussichtlich fünf Mandate bekommen.

Die Wahlbeteiligung in dem EU-Land lag am Sonntag bei 61 Prozent. Bei der vorangegangenen Parlamentswahl 2010 hatte Fidesz 53 Prozent der Stimmen erhalten, die MSZP 19 Prozent, Jobbik 17 Prozent und die LMP knapp acht Prozent. Im Vergleich zur letzten Wahl verlor Fidesz in absoluten Zahlen 600 000 Stimmen, während die Linke und die Jobbik Stimmen dazugewannen. Dass Fidesz dennoch ganz in die Nähe der Zweidrittelmehrheit kam, schreiben Wahlforscher den letzten Änderungen des Wahlgesetzes zu.

"Alle Zweifel sind zerstreut - wir haben gewonnen", sagte Orban am späten Sonntagabend vor Tausenden Anhängern in Budapest. "Das ist ein großartiger Sieg, dessen Bedeutung wir heute noch gar nicht ermessen können." Der Vorsitzende der zum Mitte-Links-Bündnis gehörenden Partei Együtt 2014 (Gemeinsam 2014), Gordon Bajnai, gestand die Niederlage der Opposition ein. "In dieser Form vermochten wir der Mehrheit der Ungarn kein ausreichend attraktives Angebot zu unterbreiten", sagte er.

EU zeigt sich besorgt

Mit demokratie- und marktpolitisch bedenklichen Gesetzen hatte die Regierung Orban in den vergangenen Jahren wiederholt Besorgnis in der EU ausgelöst. So gab Orban der von ihm abhängigen Medienbehörde mehr Möglichkeiten zur Gängelung von Rundfunkanstalten. Die ungarische Notenbank ist faktisch nicht mehr unabhängig von der Regierung. Die neue Verfassung bindet künftigen Regierungen in der Steuer- und Rentenpolitik die Hände.

Rund acht Millionen Ungarn waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Um die 199 Sitze in der deutlich verkleinerten Volksvertretung hatten sich 18 landesweite Parteilisten und 1554 Einzelkandidaten beworben. Erstmals waren auch rund 200 000 ethnische Ungarn aus den Nachbarländern wahlberechtigt. 90 000 von ihnen nahmen an der Wahl teil. 95 Prozent diese Wähler stimmten für Orbans Partei, die ihnen vor drei Jahren die Annahme der ungarischen Staatsbürgerschaft ermöglichte, ohne dass sie dafür einen Wohnsitz in dem Land haben mussten.

Ob sich Orbans Partei tatsächlich erneut die Zweidrittelmehrheit sichern konnte, wird möglicherweise erst in ein paar Tagen klar sein. Das endgültige Ergebnis hängt von der Auszählung der Wahlkarten ab, mit denen jene Bürger gewählt haben, die ihre Stimme nicht an ihrem ständigen Wohnort abgaben. Im Budapester Wahlkreis Nummer 15 führt der Fidesz-Kandidat gerade mal mit 22 Stimmen vor der Kandidatin des Mitte-Links-Bündnisses. Wendet sich hier noch einmal das Blatt, dann hätte die Regierungspartei keine "Super-Mehrheit" mehr.