Deutsche Wissenschaftler haben ein Parfüm entwickelt, das Menschen bei der Partnersuche hilft. Foto: Fotolia

Das eigene Immunsystem bestimmt, wen wir gerne riechen und sogar welches Parfüm wir gerne an uns tragen. Nun haben Forscher herausgefunden, wie der körpereigene Duft nachgebaut werden kann – und könnten somit zur Hoffnung der Parfumindustrie werden.

Stuttgart/Freiburg/Plön - Die Suche nach dem perfekten Duft in einer Parfümerie kann zu einer wahren Odyssee werden. Ein Spritzer hier, ein Spritzer da – erst auf den Pappstreifen, dann auf die eigene Haut. Ein bisschen warten. Dann nochmals schnuppern und sich fragen: Passt das, oder stinkt das einem? Wer nun glaubt, das eigene Parfüm sei eine Frage des persönlichen Geschmacks, irrt. „Es ist eine Frage der eigenen Gene“, sagt Manfred Milinski. Denn nur das Parfüm, dessen Duftstoffe denen des eigenen Körpers ähnelt, wird auch gekauft. „Der Mensch will nach etwas riechen – und zwar nach sich selbst!“

Der Evolutionsbiologe des Max-Planck-Instituts in Plön forscht daran, warum sich manche Menschen riechen können und weshalb einem so mancher Zeitgenosse stinkt. Er weiß: Bei jedem Kennenlernen erschnuppert der Mensch unbewusst, wie es bei seinem Gegenüber um dessen Gene steht – insbesondere um seine Immungene. „Denn auf die kommt es bei der Fortpflanzung an“, sagt Milinski. Je stärker sich die Immungene von den eigenen unterscheiden, umso besser: Auf diese Weise könnte den Nachkommen ein möglichst vielfältiger Schutz für die Abwehr von Krankheiten mitgegeben werden.

Es gibt etwa 1000 verschiedene Immungen-Varianten. Ungefähr acht von diesen besitzt jeder Mensch. Stets in einer etwas anderen Mischung, die sich wissenschaftlich Human-Leukocyte-Antigen-Komplex, also HLA-Komplex, nennt. Und stets für den anderen gut riechbar – wie Milinski schon vor mehr als zehn Jahren bei einem Experiment herausgefunden hat.

Damals ließen er und sein Team Frauen an getragenen Männer-T-Shirts schnüffeln, um herauszufinden, ob die Probandinnen zum einen den männlichen Körpergeruch herausriechen können. Und – was weitaus wichtiger war – welcher ihnen am meisten zusagte. „Tatsächlich war es stets der Duft des Mannes, dessen Immungene sich stark von denen der Testriecherin unterschied“, sagt Milinski. Der Duft der Männer, die über eine ähnliche Immungen-Mischung verfügten wie ihre eigene, fanden die Damen dagegen überaus unsexy.

Duft, der keine natürlichen Essenzen enthält, ist ein toter Duft

Und um diesen eigenen Körpergeruch zu verstärken, so glaubt Milinski, greift der Mensch zum Parfüm. „Es ist doch verwunderlich, dass wir just in dem Alter, in dem wir unseren Körpergeruch ausbilden, weil wir geschlechtsreif werden und somit biologisch bereit sind, Nachkommen in die Welt zu setzen, auch damit beginnen, künstliche Gerüche zu benutzen“, sagt Milinski. Und das schon seit mehr als 5000 Jahren.

Tatsächlich bestätigten die Wissenschaftler die Vermutung – nachdem sie Testpersonen natürliche Parfüm-Ingredienzien zugeschickt hatten: Die Teilnehmer, die eine ähnliche Immungen-Mischung hatten, bevorzugten auch dieselben Gerüche. Und noch besser: Die Düfte, die sie an sich selbst nicht mochten, fanden sie wiederum an ihrem Partner passend. Offensichtlich, so schlossen die Wissenschaftler, stecken in den Parfüm-Ingredienzien Aromen, die Immungerüche spiegeln.

Parfümschöpfer sagen, dass ein Duft, der keine natürlichen Essenzen enthält, ein toter Duft sei. Er funktioniere einfach nicht beim Kunden, er werde zum Ladenhüter. Weshalb die Branche mit Schrecken auf den Beschluss der Europäischen Union reagierte, dass aufgrund der Allergiegefahr natürliche Inhaltsstoffe aus Parfüms verbannt werden sollen. Bei Chanel zeigt man sich angesichts dieser Pläne alarmiert: „Es wäre das Ende der schönen Düfte, wenn wir diese Inhaltsstoffe nicht verwenden können“, warnte die Sprecherin Françoise Montenay. Die französische Parfümeur-Vereinigung sieht sogar schon „den Tod von Parfüms“ kommen. Auch Milinski ist sicher: Der Effekt, dass mit Hilfe des Parfüms der körpereigene Duft verstärkt wird, wird sich mit synthetischen Stoffen abschwächen.

Täuschung mit nachgeahmten körpereigenen Immundüften

Zumindest wenn es den Parfümeuren nicht gelingen würde, die Struktur der Moleküle nachzubauen, die diese Immungerüche ausmachen – um diese den Duftwässerchen beizumischen.

Dass dies möglich ist, haben Milinski und sein Kollege Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg nun bewiesen: Sie haben anhand von Fischen und Mäusen beobachtet, welches Männchen ein Weibchen attraktiv fand und welches nicht. „Bei den Männchen, die als unattraktiv eingestuft wurden, haben wir dessen Immungeruch angeschaut und diesen dann so verändert, dass das Männchen wieder attraktiv wurde.“

Umgekehrt manipulierten die Forscher auch den Immungeruch der als attraktiv eingestuften Männchen – die daraufhin von den Weibchen nicht mehr als so dufte eingestuft wurden. Auch der Mensch, wie weitere Experimente bewiesen, lässt sich mit nachgeahmten körpereigenen Immundüften täuschen. Die Ergebnisse ihrer zehn Jahre andauernden Arbeit publizierten die Forscher nun in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society“.

Für die Parfümindustrie könnten sich mit Hilfe dieser neuen Erkenntnisse ungeahnte Möglichkeiten auftun: Denkbar wäre eine Art Vip-Parfüm, für dessen Kreation man sich künftig erst Blut abnehmen lassen würde, um die  körpereigene  Immungen-Mischung zu bestimmen. Daraufhin könnte dann ein ganz individuelles Parfüm synthetisiert werden, das zu 100 Prozent dem eigenen Körpergeruch entspricht. „Wahrscheinlicher ist es aber, dass man künftig, wenn die EU tatsächlich das Aus für natürliche Duftstoffe beschließt, in den Parfüms körperähnliche Moleküle beimischt, die am meisten vertreten sind“, sagt Milinski. „Und jeder sucht sich dann das passende Parfüm aus.“