Die Besucher im Ostelsheimer Bürgertreff nutzten die Gelegenheit, persönlich mit Robert Steiner ins Gespräch zu kommen. Foto: Tröger Foto: Schwarzwälder-Bote

Extremkletterer entführt von Ostelsheim ins sibirische Krasnojarsk / Immer wieder Bezüge zur Gäugemeinde

Von Jeanette Tröger

Ostelsheim. Die 20. Veranstaltung in der fünfjährigen Geschichte des Bürgertreffs war eine besondere im zu Ende gehenden Veranstaltungsjahr.

Der in Ostelsheim aufgewachsene Extremkletterer, Alpinist und Schriftsteller Robert Steiner nahm die Zuhörer im Vortrag "Allein unter Russen" mit nach Krasnojarsk in Sibirien und zu den Kletterfelsen in der Taiga nahe der Millionenstadt. Steiner lebte bis vor drei Jahren in Ostelsheim und unterrichtete am Hermann-Hesse-Gymnasium in Calw. Der Begriff "Extremkletterer" beschreibe nicht ganz seine Passion, er klettere einfach extrem gerne, das drücke es besser aus, sagte Steiner. Durch eine Zufallsbekanntschaft kam Steiner vor zehn Jahren in Kontakt mit russischen Kletterern und Bergsteigern, allesamt Weltklassesportler, die ihn ins russische Krasnojarsk am Jennisej-Fluss einluden.

Schon die Fahrt in der Transsibirischen Eisenbahn, wo die Entfernung und der Ticketpreis in Tagesreisen angegeben wird, war ein unvergessliches Erlebnis. Vier Tage in der Holzklasse für 80 Euro, in Abteilen von fünf Quadratmetern für sechs Personen und einer Toilette für 80 bis 100 Leute, das Ganze in hochsommerlicher Hitze ohne Klimaanlage – die Bilder ließen erahnen, welche Herausforderung das war. Steiner erzählte von Kletterern in dürftiger Alltagskleidung, die ohne Sicherung mit abgeschnittenen Gummistiefeln klettern, weil sie sich keine Kletterschuhe leisten können und sie in alten Bolschewiken-Mänteln 25 Meter in sieben Sekunden durch Felskamine rutschen. Die in selbst gebauten abenteuerlichen Hütten auf den Felsen nächtelang über Gott und die Welt reden, singen, essen und aus Industriealkohol verdünnten Wodka trinken. Die an einer Bungee-Vorrichtung Marke Eigenbau 350-Meter-Absprünge überleben und bei Temperaturen unter 40 Grad Routen gehen, die andere Bergsteiger nicht einmal bei guten Wetterbedingungen in Angriff nehmen würden. Zusammen mit den Weltklasse-Kletterern David Lama, Stephan Siegrist, Nina Caprez und dem später tödlich verunglückten Giovanni Quirici sowie seinen Freunden aus Krasnojarsk reiste Steiner ins zentralasiatische Karavshin-Gebiet in Kirgistan.

Steiner hatte neben den einzigartigen Klettererlebnissen auch merkwürdige Begegnungen anderer Art: Alle Passagiere eines Zuges müssen aussteigen, es werden die Wandverkleidungen im Zug abgeschraubt, weiße Päckchen dahinter verstaut und die Passagiere von den Kontrolleuren mit eindeutigen Handbewegungen zum Schweigen verdonnert, andernfalls droht "Kopf ab". Oder Kühe fressen im Basis-Lager alles einschließlich Kleider, Seife und Waschpulver. Als Zugabe erfuhr das Publikum, dass seine Grenzerfahrung 1997 in den Grandes Jorasses im Mont-Blanc-Massiv, als er zwei Tage schwerverletzt in der Wand hing und dem Tod näher war als dem Leben, von einem österreichischen TV-Team verfilmt wurde.

Immer wieder stellte Steiner auch den Bezug zu Ostelsheim her mit Erlebnissen aus seiner Kindheit und Jugend, die für ihn prägend waren. Viele der Anwesenden kannten den Kletterer. Aber auch denen, die den mittlerweile auf einem Bauernhof in der Nähe von Bad Waldsee lebenden Bergsteiger zum ersten Mal erlebten, ging es wie einer Besucherin im Bürgertreff: "Ich könnte ihm noch stundenlang zuhören!".