Das bisher schönste Erlebnis für die 20-jährige Vanessa war ein einwöchiger Ausflug ins Landesinnere, das sogenannte Outback. Nach Australien auszuwandern, kann sich die Ostelsheimerin nicht vorstellen, weil ihr der Winter fehlen würde. Während es zu Hause in Os­telsheim derzeit mehr als genug Schnee gibt, zeigt das Thermometer in Melbourne meist 30 Grad an. Foto: Privat

Vanessa Kappler aus Ostelsheim ist derzeit als Au-pair-Mädchen in Australien.

Ostelsheim/Melbourne - Alfred Gehring und Vanessa Kappler sind derzeit tausende Kilometer voneinander getrennt. Großvater und Enkelin werden heute ganz besonders an den anderen denken: Während die 20-Jährige als Au-pair in Australien arbeitet, feiert der Opa zu Hause seinen 80. Geburtstag.

Dass die 20-Jährige ihre Pläne wirklich wahr machen würden, hatte in der Familie zunächst niemand glauben wollen. Selbst dann nicht, als die junge Frau bereits mit einigen Familien auf dem fünften Kontinent Kontakt aufgenommen hatte. "Allen zum Trotz saß ich dann am 31. August in Frankfurt im Flieger Richtung Australien", erzählt die Ostelsheimerin.

Rundreise durch das Land

"Schon seit der zehnten Klasse wollte ich einen Auslandsaufenthalt machen. Nach der 13. war ich mir sicher und sagte mir: ›Wenn nicht jetzt, wann dann?‹", erinnert sich die Ostelsheimerin. Zuerst habe sie in die USA gewollt, sich dann aber doch für Down Under entschieden, um "ein richtiges Abenteuer zu erleben". Bis Anfang Juni wird die junge Frau als Au-pair für eine Familie in Melbourne arbeiten und den fünfjährigen Nicholas betreuen. Anfang Juni startet sie zu einer Rundreise durch das Land, hauptsächlich entlang der Ostküste, hinauf zum Great Barrier Reef.

"Bis zum Abend vor dem Abflug war kaum Aufregung zu spüren. Ich wusste, es geht bald los. Aber ich konnte es selbst noch nicht ganz glauben, dass ich bald im Flieger zum anderen Ende der Welt sitzen und dort tatsächlich ein Jahr bleiben werde. Selbst als ich meine ganzen Freunde und Familie verabschiedet habe, hab’ ich noch nicht wirklich realisiert, dass es für ein Jahr sein wird. Die Aufregung stieg, als ich am Morgen aus meinem vollgequetschten Koffer nochmals ein paar Dinge rausnehmen musste, und ich versucht habe, ihn irgendwie zuzubekommen. Was packt man für ein Jahr ein?", beschreibt die 20-Jährige ihre Gefühle.

Die erste Angst habe sie beim Umsteigen in Dubai überkommen. "Der Flughafen war riesengroß, und ich hatte keine Ahnung, wo es hinging. Ich habe dann eine Australierin getroffen, mit der ich mich zusammen auf die Suche nach dem Flieger gemacht habe", erzählt sie. "In Melbourne am Flughafen angekommen, bekam ich dann den größten Schock. Jeder, der mit einem Work and Holiday Visum einreist, muss einen Kontoauszug vorzeigen als Beweis dafür, dass genug Geld zur Verfügung steht, falls man zurückfliegen muss. Ich hatte meinen Kontoauszug aber zu Hause vergessen, doch Gott sei Dank wurde ich nicht danach gefragt."

Leute sind offen und herzlich

Vor der ersten Begegnung mit der Gastfamilie am Flughafenausgang sei ihr fast das Herz stehen geblieben. Am Anfang sei alles etwas ungewohnt und steif gewesen. "Man weiß eben noch nicht, wie man sich genau verhalten soll, was man machen darf oder soll und was man lieber bleiben lässt. Allerdings ist die Familie sehr nett und lustig. Sie haben es mir sehr leicht gemacht, mich schnell einzugewöhnen", berichtet Vanessa. Eine ihrer ersten Erfahrungen in dem Land sei gewesen, dass alle Leute ziemlich offen und herzlich seien.

Heimweh habe sie nicht wirklich: "Hier kommt einem noch alles wie Urlaub vor. Nur selten, in ganz ruhigen Momenten, denkt man dann doch an zu Hause und an die Liebsten."

Das schönste Erlebnis sei bislang ein einwöchiger Trip ins Landesinnere, das sogenannte Outback, mit ihren Gasteltern und einem befreundeten Paar gewesen: "Dort gibt es viele tolle Plätze, die sehenswert sind.."

Sehnsucht nach zu Hause wird die 20-Jährige wohl heute bekommen, denn Großvater Alfred Gehring feiert am anderen Ende der Welt seinen 80. Geburtstag. "Ich wünsche mir, dass mein Opa seinen Geburtstag genießt, fit und munter bleibt, damit er weiterhin im Haus und Garten werkeln kann, was er sehr gerne macht. Da ich heute nicht bei ihm bin, werden wir nächstes Jahr zu seinem 81. eine umso größere Party schmeißen", kündigt die 20-Jährige an, die wie sieben weitere Enkelkinder eine starke Bindung zum Großvater hat.

Alfred Gehring ist in Ostelsheim aufgewachsen und absolvierte eine Schlosserlehre in Feuerbach. Bis zur Rente war er bei Daimler in Sindelfingen beschäftigt und hat sich stark mit dem Unternehmen identifiziert. Der Jubilar hat drei Töchter und acht Enkelkinder. Stolz macht ihn, dass inzwischen zwei davon für den Autobauer arbeiten. Neben dem Handwerken ist Sport eine große Leidenschaft des Ostelsheimers. Als Fußballfan sieht er sich oft heimische Begegnungen auf dem Sportplatz an und verfolgt die Bundesliga im Fernsehen.

Heute werden die Gedanken des Geburtagskinds sicher nach Australien zu Vanessa wandern. Seine Enkelin wird der Jubilar erst wieder im Sommer in die Arme schließen können. Dann gibt es sicher erst einmal viel von Land und Leuten in Down Under zu erzählen sowie unzählige Fotos zu zeigen.