Nach zwei Jahren, vier Monaten und zwölf Tagen ist der Turmhahn der Ostelsheimer Kirche wieder an seinem Platz. Foto: Schmoll Foto: Schwarzwälder-Bote

Kirche: Turm laut Experten älter als bislang vermutet

Den Turmhahn um seine Aussicht gebracht hat man in Ostelsheim zum wiederholten Mal. Dafür verantwortlich war zuerst der französische General Mélac, Jahrhunderte später ein Baukran.

Von Sonja Störzer

Ostelsheim. Etwas Gutes haben die Scherereien allerdings doch mit sich gebracht: Die Erkenntnis, dass der Kirchturm älter ist als bisher gedacht. Vor fast zweieinhalb Jahren wurde das Nachbarhaus der evangelischen Kirche in Ostelsheim saniert. Hierfür stellte man einen Kran auf. Ein Ausleger der Maschine drückte versehentlich das Kreuz mitsamt Hahn von der Kirchturmspitze.

Daraufhin folgte ein Streit mit der Versicherung, der über ein Jahr andauerte. Diese wollte nämlich zuerst nur für einen Teil des entstandenen Schadens aufkommen. Letztendlich musste jedoch das gesamte Dach des denkmalgeschützten Turms saniert werden. Pfarrer Jochen Stolch weiß, dass man "das Dach eh irgendwann hätte machen müssen". Da das Gerüst schon mal aufgebaut wurde, hat man in diesem Zusammenhang auch noch die Uhren erneuert, und die Fassade wird noch gestrichen. Das Kirchturmdach wurde komplett mit neuen Ziegeln eingedeckt. Die Versicherung trägt nur einen Teil der Sanierungskosten.

Für etwas war der ganze Ärger und Aufwand nun letztendlich doch noch gut. Als die Dachdecker da waren, entdeckte ein Zimmermann nämlich, dass die Dachbalken etwas ganz besonderes sind. Er forderte fachlichen Rat an. Bauhistoriker Tilmann Marstaller wurde beauftragt und stellte im Namen des Landesamts für Denkmalpflege einige Nachforschungen an.

Für eine Untersuchung des Holzes schickte man Proben in ein unabhängiges Labor und ließ durch das naturwissenschaftliche Verfahren dessen Alter bestimmen. Da nur Eiche beim Bau verwendet wurde, ist dies eine sehr exakte Methode. Eiche wird nämlich sofort verarbeitet, nachdem sie geschlagen worden war, da sie sonst aushärtet und deren Weiterverwendung beinahe unmöglich wird. Ist also in einem Gebäude diese Baumart verbaut worden, wie das im Ostelsheimer Kirchturm der Fall ist, lässt sich das Baujahr ziemlich genau bestimmen.

Gebäudeteil entsteht bereits im Jahr 1296

Die verblüffende Erkenntnis der Untersuchung: Der Ostelsheimer Kirchturm ist älter als gedacht. Er wurde 1296 erbaut. Aus diesem Jahr sind heute noch die Schwelle, das Rähm, also der obere waagerechte Abschluss der Fachwerkwand, sowie die Ständer erhalten.

Das restliche Fachwerk trägt die Inschrift 1548. In diesem Jahr ist das Turmfachwerk wohl erneuert worden. Bundesweit ist es damit eines der ältesten. Der Turm ist nicht im Zustand von 1296, da er etwas abgetragen wurde. Der steinerne Sturz fehlt. Das Dachwerk stammt von 1341/42. 1487 wurde das Langhaus fertiggestellt. Marstaller kommt ins Schwärmen, wenn er über das Rofendach spricht, das eine absolute Besonderheit darstellt.

Der Ostelsheimer Kirchturm ist verhältnismäßig niedrig. Die These war nun aber bisher die, dass 1693 Ezéchiel de Mélac, französischer General unter König Ludwig XIV., im Pfälzischen Erbfolgekrieg den Turm abschießen ließ. Das hat er wohl auch tatsächlich – jedoch nur die Spitze, die jetzt noch Brandspuren aufweist. Wahrscheinlich hatte man es damals nur auf den Hahn abgesehen. Die obersten Meter des Turms fehlen. Sie wurden abgesägt. Die bisherige These ist nun also widerlegt. Zudem sei die Bauart um das 17. Jahrhundert eine ganz andere gewesen. Holznägel, wie sie im Ostelsheimer Turm verbaut wurden, habe man da schon nicht mehr verwendet.

Jetzt sieht es so aus, dass der Turm wohl niemals höher war. Das Kirchenschiff war vielleicht einmal kleiner und wurde vergrößert. Das könnte 1488 geschehen sein. Bisher hieß es, dass das Ostelsheimer Gotteshaus in diesem Jahr geweiht wurde – wahrscheinlich ging es da aber einfach um die Vergrößerung des Schiffes.

Vor wenigen Tagen war es soweit: Die Kirchturmzier sollte wieder auf den Turm. Zwei Jahre, vier Monate und zwölf Tage waren das Kreuz und der Hahn nicht an dem augenfälligen Gebäude angebracht. Vorgestern bekamen auch die Uhren samt Zifferblättern wieder ihren Platz.