Gut besucht war die Vorstellung der Bürgermeisterkandidaten in der Ostelsheimer Turn- und Festhalle. Foto: Fritsch

Jux-Bürgermeisterkandidaten bleiben bei Vorstellungsrunde in Teilen unverstanden. Mit Kommentar.

Ostelsheim - 20 Minuten vor einem großen Publikum zu sprechen und die eigenen Ideen schlüssig zu präsentieren, ist nicht die leichteste Aufgabe. Diese Erfahrung machten die Ostelsheimer Bürgermeisterkandidaten Till-Axel Gaiser und Ehefrau Jennifer bei der Bewerbervorstellung am Montagabend in der Turn- und Festhalle.

Amtsinhaber Jürgen Fuchs war es aber, der als Erster für 20 Minuten ans Rednerpult auf der Bühne durfte, während seine beiden Mitbewerber den Saal verlassen mussten. Nach Eingang der Bewerbungsunterlagen folgten Till-Axel Gaiser und zum Schluss Jennifer Gaiser jeweils unter Ausschluss der beiden anderen Kandidaten. Allein die Ausführungen der drei Bewerber standen am Montagabend im Mittelpunkt, Fragen aus dem Publikum nach den einzelnen Redebeiträgen waren nicht zugelassen. Nach der Vorstellungsrunde war die Halle noch einige Zeit geöffnet, um persönlich mit den Bewerbern ins Gespräch zu kommen.

Fuchs, dessen Amtszeit am 17. Juni endet, zog Bilanz über die vergangenen acht Jahre, beleuchtete aktuelle kommunalpolitische Themenschwerpunkte und warf einen Blick in die Zukunft. Die Kinderbetreuungsangebote seien flexibel und elternfreundlich ausgebaut worden und sollen bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Um das Angebot für die Väter und Mütter bezahlbar zu machen, trage die Gemeinde derzeit ein jährliches Defizit von 350 000 Euro. In den Bereich Abwasserbeseitigung, unter anderem die Sanierung der Kläranlage, seien mittlerweile rund sechs Millionen Euro bei einer Fördersumme von 1,7 Millionen Euro investiert worden. "Für weitere Maßnahmen rechnen wir mit einer weiteren Million Euro", sagte der Bürgermeister.

Als richtigen Schritt bezeichnete der Amtsinhaber die Ausweisung von Gewerbeflächen in der einstigen Brache Sohlengrund. Inzwischen seien alle Plätze verkauft. Mit der Erschließung von rund 80 neuen Bauplätzen im Fuchsloch soll noch dieses Jahr begonnen werden. "Mittelfristig ist ein weiteres Baugebiet sinnvoll", sagte Fuchs.

Doch auch die Innenentwicklung will der Rathauschef nicht aus den Augen verlieren. Nach wie vor fehlt beispielsweise ein Lebensmittelmarkt im Ort. "Wir haben keine Chance auf einen 800-Quadratmeter-Markt", äußerte sich Fuchs. Es müssten andere Ansätze mit einem Wochenmarkt oder einem Shop-in-shop-Konzept her. Als weiteres Zukunftsprojekt nannte der erste Redner des Abends ein ehrenamtlich betriebenes Rufauto und noch mehr Treffpunkte für ältere Menschen, ergänzend zum Bürgertreff und der Initiative "Älter werden in Ostelsheim". "Denkbar ist ein Boccia- oder Schachfeld im Freien. Das ist zwar nicht typisch schwäbisch, aber einen Versuch wert." Betreutes Wohnen sei ein weiteres wichtiges Themenfeld, für das der Bedarf jedoch erst mit einer Marktanalyse ermittelt werden solle. Mit der Radwegverbindung nach Althengstett gehe es endlich voran, und auch die Breitbandversorgung werde dieses Jahr ausgebaut.

Mit Verwaltung, Gemeinderat und der Bevölkerung, die mit ihrer Vereinsarbeit einen unschätzbar wichtigen Beitrag für das Gemeinwesen leiste, habe er viel erreichen können. Man dürfe dennoch nicht nachlassen. Das betreffe vor allem auch solide Finanzen, "die kein Selbstläufer sind". Es müsse weiterhin zielgerichtet und sparsam gehaushaltet werden. Ostelsheim sei zwar schuldenfrei, aber keine reiche Kommune. "Ostelsheim ist auf einem guten Weg, lassen Sie uns diesen gemeinsam weiter fortsetzen", so Fuchs. Er appellierte rund zwei Minuten vor Ende der offiziellen Redezeit an die Zuhörer, ihre Verbundenheit zu Ostelsheim am Sonntag mit einer hohen Wahlbeteiligung unter Beweis zu stellen.

Ideen und Vorschläge für ein zukunftsfähiges Ostelsheim, aber auch Kritik an der bisherigen Arbeit des Amtsinhabers sowie von Verwaltung und Gemeinderat hatte das Hausmeister-Ehepaar Gaiser parat. Beide taten sich allerdings schwer, dies alles auf den Punkt zu bringen. Ihre Argumentation war oftmals nicht schlüssig. Till-Axel-Gaiser machte in weiten Teilen nicht klar, wie und vor allem mit welchen finanziellen Mitteln er als Bürgermeister agieren würde. Vielmehr verwies er auf umliegende Gemeinden, "in denen in den vergangenen Jahren mehr ging".

Wichtig sind beiden Bewerbern wegen des starken Schwerlastverkehrs eine innerörtliche Verkehrsberuhigung und eine zweite Bushaltestelle am Ortseingang aus Richtung Dätzingen sowie weitere im Neubaugebiet. Till-Axel Gaiser forderte, das Projekt Hermann-Hesse-Bahn zu stoppen, denn der Ostelsheimer Haltepunkt liege zu weit außerhalb und bringe vor allem für ältere Ostelsheimer Probleme mit sich. Neubaugebiete sollten altersgerechter und familienfreundlicher geplant werden.

Ein Bürgermeister müsse im Ort wohnen, in dem er arbeite. Wenn dem nicht so sei, ergehe es einem wie in einem Zweikampf beim Fußball: "Da ist man zu weit weg".

Jennifer Gaiser, die seit rund 14 Jahren in der Gäugemeinde lebt, ist der Meinung, "dass Ostelsheim stagniert". Viele Senioren hätten Angst, hier alt zu werden, weil es keinen Laden sowie keine Apotheke gebe und sie bei Besorgungen ständig auf andere angewiesen seien. Da sie im großen und ganzen die selben Ansichten wie ihr Ehemann vertrete, wolle sie das zuvor Gesagte nicht wiederholen, äußerte sich Jennifer Gaiser und beendete ihren Redebeitrag nach rund acht von 20 zugelassenen Minuten.

Alle drei Kandidaten wollen in den nächsten Tagen weiter mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Amtsinhaber Jürgen Fuchs will dies am morgigen Donnerstag ab 19.30 Uhr im Gasthaus "Sonne" tun. Der Termin für das Bürgergespräch des Ehepaars Gaiser stand gestern noch nicht fest.

Kommentar: Reiner Jux

Von Marion Selent-Witowski

Die Bürgermeisterkandidaten Till-Axel Gaiser und Ehefrau Jennifer wollen, dass Ostelsheim nicht nur verwaltet wird. Dazu braucht es in ihren Augen einen Rathauschef, der im Ort wohnt, das Ohr an der Bevölkerung hat und mit den Bewohnern kreative Ideen für eine zukunftsfähige Kommune umsetzt. Die Gaisers geben zu, sich mit ihrer Kandidatur einen Jux zu machen, wollen die Ostelsheimer aber zum Nachdenken bringen. Das Paar weiß, dass es keine echte Chance auf den Bürgermeistersessel hat und nahm am Montag kein Blatt vor den Mund. Den Zuhörern in der Festhalle wurde trotzdem nicht klar, was die beiden so umtreibt, weil die Ausführungen zumindest in Teilen nicht schlüssig waren. Beifall gab es für das Hausmeisterehepaar am Ende trotzdem – nicht unbedingt für das Gesagte, sondern vor allem für den Mut, vor vielen Menschen zu sprechen.