Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland reißt nicht ab. Deshalb wurde in Ostelsheim über das Asylverfahren und die konkrete Unterbringungssituation im Ort informiert. Außerdem wurde dargestellt, welche Aktivitäten in puncto Asylarbeit in der Gäugemeinde als notwendig erscheinen. Foto: Eibner

Dach über dem Kopf reicht nicht. Wie können Einwohner sich einbringen? Flüchtlingsunterkünfte händeringend gesucht.

Ostelsheim - Nicht die Flüchtlingspolitik in Berlin war am Montagabend das bestimmende Thema im Ostelsheimer Rathaus. Beim Infoabend des Arbeitskreises Asyl ging es einzig darum, wie die Einwohner der Gäugemeinde mit Herz, Verstand und ihren Talenten sich bei der Betreuung von Flüchtlingen einbringen können.

Der Ausspruch "Wer selber nicht mehr weiter weiß, der bildet einen Arbeitskreis" trifft auf den Ostelsheimer Arbeitskreis Asyl nicht zu, wie Reinhard Zimmerling, ehemals Schuldekan und Initiator der Gruppe, vor den zahlreichen Besuchern im Veranstaltungssaal des Rathauses erklärte. "Wir sind bei der Flüchtlingsarbeit mit unserem Latein nicht am Ende, sondern unserer Zeit voraus", sagte er. Bereits Anfang des Jahres, als der Flüchtlingsstrom nach Europa und insbesondere Deutschland noch nicht so stark wie momentan war, hatte sich eine zwölfköpfige Gruppe aus dem Ort zusammengefunden und der örtliche Asylarbeit eine Gesamtstruktur gegeben (siehe "Info"). Hauptthema war und ist dabei die gelebte Willkommenskultur. Ziel des Arbeitskreises ist, Ostelsheim als menschenfreundliche und offene Kommune erlebbar zu machen. Dafür werden weitere Mitglieder und Helfer gesucht, um ein gutes Miteinander von Einheimischen und Flüchtlingen zu ermöglichen. Die Flüchtlingsbetreuung sei eine bürgerschaftliche Aufgabe, wie Zimmerling betonte. Man dürfe das Feld nicht Bedenkenträgern und Brandstiftern überlassen, sondern müsse die anstehenden Aufgaben gemeinsam anpacken.

Zunächst erläuterte Birgit Auer, Mitglieder des Arbeitskreises und Flüchtlingssozialarbeiterin beim Diakoniekreisverband, knapp zusammengefasst und gut verständlich, wie ein Asylverfahren abläuft und was es mit einer Gestattung, Duldung sowie einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis für die Flüchtlinge auf sich hat. Außerdem hatte sie aktuelle Zahlen parat: "Derzeit sind rund 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht". Nur ein Bruchteil davon komme nach Europa, und Deutschland befinde sich nicht unter den ersten zehn Aufnahmeländern weltweit.

Bis Ende dieses Jahres würden 1000 Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis gebraucht, so Auer. Für die Anschlussunterbringung in Ostelsheim sei man händeringend auf der Suche nach weiteren Unterkünften, wie Bürgermeister Jürgen Fuchs sagte. Momentan leben elf Flüchtlinge in der Gäugemeinde. Bis Jahresende müssten weitere 22 Menschen aufgenommen werden, im kommenden Jahr 23. Nach derzeitigem Stand würden dann 18 Plätze zur Unterbringung fehlen. In der Hauptstraße 9/1 und in der Calwer Straße 26 will die Kommune weiteren Wohnraum schaffen, was aber nicht ausreichen wird. "Wir sind bereit, Räume anzumieten oder zu kaufen, haben bislang aber nichts bekommen", schilderte der Rathauschef die derzeitigen Schwierigkeiten. Allerletzte Option seien Wohnmodule. Gegen diese habe sich aber zum einen der Gemeinderat ausgesprochen, zum anderen seien diese momentan schwer zu bekommen: "Die Lieferzeit liegt bei acht Monaten". Für Umbaumaßnahmen in den genannten Gebäuden werde die Gemeinde insgesamt wohl mehr als 120 000 Euro ausgeben müssen, sagte Fuchs auf Nachfrage eines Zuhörers.

"Ich möchte Sprachlosen eine Stimme geben", erklärte Martin Constien sein Engagement beim AK Asyl. "Die Flüchtlingsthematik wühlt mich auf. Deshalb will ich was tun", sagte Marc dos Santos, Mitglied im Verein Nautheim 04. Durch sein Engagement habe er verstehen gelernt, was es heißt, seine Heimat zu verlassen. Uli Gerlach (VfL-Fußballabteilung) und Martin Voellmer (VfL-Leichtathletikabteilung) sehen in sportlicher Betätigung für die Flüchtlinge eine sehr gute Möglichkeit der Integration.

Unter den zahlreichen Zuhörern war am Montagabend ein Syrer, der bereits einige Zeit in Ostelsheim lebt. Er nutzte die Zusammenkunft, um der deutschen Bevölkerung für ihre Aufnahmebereitschaft – teils auf Englisch, teils auf Deutsch – zu danken. Als die Zuhörer erfuhren, dass der Flüchtling am Montag Geburtstag feierte, sangen alle im Saal spontan aus voller Kehle ein Ständchen – auch ein kleines Stück Willkommenskultur.

Seite 2: Der Arbeitskreis

Der Arbeitskreis (AK) Asyl in Ostelsheim setzt sich aus Vertretern der bürgerlichen Gemeinde, der Kirchengemeinden und der Vereine sowie sonstigen Mitgliedern zusammen. Er übernimmt in Absprache mit dem Bürgermeisteramt die Gesamtverantwortung für die Asylarbeit und koordiniert die Arbeit, plant Aktionen sowie Veranstaltungen wie den Infoabend und kümmert sich um die Bewusstseinsbildung in der Kommune.

Untergliedert ist der AK in Erstkontakt/Begleitung, Öffentlichkeitsarbeit, Bilduungsangebote (Deutschkurse) und Bistro Füreinander-Miteinander. Bei Ersterem helfen Willy Koch und Günter Walz den Flüchtlingen derzeit nach deren Ankunft bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Angebote wie Sprachkurse oder die Öffentlichkeitsarbeit müssen erst noch aufgebaut werden. Das Bistro findet wöchentlich dienstags von 18 bis 20 Uhr im evangelischen Gemeindehaus statt. Es dient als Treffpunkt für Asylsuchende und Ostelsheimer.

AK-Mitglieder sind bislang Birgit Auer, Martin Auer, Martin Constien, Pfarrerin Heike Ehmer-Stolch, Bürgermeister Jürgen Fuchs, Uli Gerlach, Willy Koch, Marc dos Santos, Martin Voellmer, Günter Walz, Ursel Walz und Reinhard Zimmerling. Eine Kontaktaufnahme zum AK Asyl ist unter der Mailadresse ak_asyl_ostelsheim@gmx.de möglich.