Fort- und Weiterbildung sollen ausschließlich betrieblichen Zwecken zugute kommen. Das fordert die Wirtschaftsregion Offenburg/Ortenau (Symbolfoto). Foto: Kalaene

Weiterbildung soll Fokus rein auf betriebliche Interessen legen. "Entwurf in der jetzigen Form überflüssig".

Ortenaukreis - Das Bildungszeitgesetz des Landes wird nicht überall positiv gesehen. Die Mitgliedsunternehmen der Wirtschaftsregion Offenburg/Ortenau (WRO) stehen dem Gesetzesentwurf kritisch bis ablehnend gegenüber.

Das Gesetz sieht vor, dass alle Betriebe ab zehn Beschäftigten bis zu zehn Prozent ihrer Mitarbeiter fünf Tage pro Jahr zur Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen oder politischen Fortbildung oder zur ehrenamtlichen Qualifizierung freistellen müssen. Aus anderen Bundesländern sei aber bekannt, dass dies sehr weit ausgelegt werde. Das Gesetz soll am 1. Juli 2015 in Kraft treten.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsbeirates der WRO, Nicolas Erdrich, sieht darin eher eine Art "Urlaubsverlängerungsgesetz". Weiterbildungsbedarf sieht Erdrich bei ganzanderen Zielgruppen, bei arbeitslosen Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen: "Da liegen die Vorschläge der Arbeitgeber auf dem Tisch."

"Einzelne WRO-Mitgliedsbetriebe produzieren auch in anderen Bundesländern, in denen bereits Bildungszeitgesetze in Kraft getreten sind. Von diesen Unternehmen wissen wir, dass die gesetzlich geregelte Bildungszeit eine erhebliche Belastung darstellt", sagt Erdrich und nennt Beispiele. So wurde ein Wochenseminar zum Thema "Phänomene aus Natur und Umwelt in Südschweden" für eine Mitarbeiterin in der Materialdisposition ebenso zugelassen, wie das Thema "Musik und Tanz verbindet Kulturen" für einen Logistikmitarbeiter. Anspruchsberechtigt sollen nach dem bisherigen Entwurf sogar Auszubildende und BA-Studenten sein.

Private und berufliche Weiterbildung trennen

Stefan Scheringer, Meiko Geschäftsführer, weist darauf hin, dass durch dieses Gesetz die Personalkosten um weitere 2,5 Prozent steigen könnten. Berufliche Weiterbildung sei ohnehin eine ständige Aufgabe, an der die Mitarbeiter und Unternehmen gemeinsam interessiert sind. "Dafür schicken wir unsere Mitarbeiter auf diverse Schulungen. Täten wir das nicht, hätten wir keine qualifizierte Belegschaft und wären somit bei den in Deutschland gegebenen Arbeitskosten nicht mehr wettbewerbsfähig."

Gerade für Firmen wie die exportstarken Ortenauer Mittelständler passe das Gesetz nicht. "Denn unsere Wettbewerber", so Scheringer, "sind weltweit aufgestellt und kümmern sich nicht darum, dass in Deutschland Bildungsurlaube eingeführt werden. Bislang haben diesen Bildungsurlaub in Deutschland eher die wirtschaftlich schwachen Länder eingeführt. Die starken Länder wie Bayern und Baden-Württemberg haben dies noch nicht getan – aus gutem Grund." Am Beispiel Frankreichs sieht man derzeit, welche fatalen Auswirkungen zu niedrige Arbeitszeiten haben. Die französische Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig, weil sie zu hohe Arbeitskosten und zu geringe Arbeitszeiten aufweise.

Auch der Personalleiter von Hansgrohe, Thomas Egenter, lehnt das Gesetz ab: "Kontinuierliche berufliche Weiterbildung ist selbstverständlich und seit Jahren gelebte Praxis. Die im Bildungszeitgesetz vorgesehene Regelung schließt jedoch auch rein private Weiterbildungsinteressen ein, die nichts mit betrieblichen Aufgaben zu tun haben." Hendrik Hund, Geschäftsführer der Möbelwerke Hund in Biberach, teilt diese Bedenken: "Unsere 150 Mitarbeiter in Baden‐ Württemberg und Bayern waren bisher von dieser Regelung nicht betroffen. Wir investieren intensiv in die Fortbildung unserer Mitarbeiter. Das Bildungszeitgesetz ist deshalb in seiner jetzigen Form vollkommen überflüssig."

Nicht nur die Industrie sieht keinen Bedarf für dieses Gesetz. So prüft beispielsweise die Volksbank bereits heute "jeden Wunsch der Mitarbeiter, für ehrenamtliche oder politische Tätigkeiten eine entsprechende Freistellung zu erhalten", wobei aus Sicht der Bank "dieses Engagement nicht vorrangig oder ausschließlich die Arbeitszeit belasten darf", so Martin Heinzmann, Vorstandssprecher der Volksbank Kinzigtal.

Einen ganz besonderer Bildungsurlaub möchte Scheringer den Politikern angedeihen lassen: "Wir sind dafür, dass ausschließlich für die Politiker eine verpflichtende Schulung im Fach Wirtschaft eingeführt wird."