Deutschland hat sich bei einer EU-Abstimmung über den Anbau von Genmais enthalten – und damit Ärger ausgelöst. Foto: Symbolfoto: Pleul

Ortenauer Bundestagsabgeordnete öffnen Genmais 1507 die Türen - sind aber eigentlich gegen die Pflanze.

Ortenau - Im Ortenaukreis gibt es Ärger um die Bundestagsabstimmung über den Antrag der Grünen bezüglich der Genmaissorte 1507: Bis auf Elvira Drobinsky-Weiß (SPD) haben alle Abgeordneten gegen den Antrag der Partei gestimmt – und damit dem Anbau von genverändertem Mais in Deutschland theoretisch die Tore geöffnet. Das Umweltzentrum Ortenau wirft den Politikern Wortbruch vor. "Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an." Das steht im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Einig scheint sich die Große Koalition darüber nicht zu sein. Denn: Vor Kurzem hat sich die Bundesregierung bei einer EU-Abstimmung zum Thema Genmais 1507 enthalten. Die nötige Stimmenzahl zur Ablehnung des Anbaus und der Verbreitung des Genmais’ kam in der Runde der EU-Europaminister nicht zustande – eine Genehmigung ist wahrscheinlich.

Das wiederum hat der Grünen-Fraktion nicht gepasst. Die Umweltschützer um Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter haben im Bundestag einen Antrag eingebracht, in dem sie die Bundesregierung dazu aufgefordert haben, den Anbau von genverändertem Mais abzulehnen. Diesen Antrag haben die Abgeordneten für Offenburg, das Kinzigtal und Lahr, Wolfgang Schäuble (CDU), Peter Weiß (CDU), Thorsten Frei (CDU) und Johannes Fechner (SPD) abgelehnt. Auch Kordula Kovac (CDU), Abgeordnete für Südbaden, stimmte dem Antrag der Grünen-Politiker nicht zu. Elvira Drobinsky-Weiß (SPD, Offenburg) hat sich enthalten.

Damit, so scheint es, sprechen sich die Vertreter der Ortenauer für den Anbau von Genmais auf den Feldern in Deutschland, Baden-Württemberg und im Kreis selbst aus – denn ein Antrag an die Bundesregierung, gegen den Genmais-1507-Anbau zu stimmen, lehnten sie ja ab. "Wir sind entsetzt über das Ergebnis der Abstimmung – besonders enttäuschend ist allerdings das Abstimmungsverhalten der SPD", betonte gestern Petra Rumpel, Sprecherin des Aktionsbündnisses Gentechnikfreie Ortenau. "Mit ihrer Zustimmung zum Anbau des Gen-Maises 1507 hat die SPD die Wähler und Wählerinnen massiv getäuscht – und den Weg geebnet für die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung in Brüssel." Denn: Noch im Wahlkampf im vergangenen Jahr hätten die Partei und ihre Vertreter in Baden-Württemberg mit ihrem Nein zu Genmais um Wähler geworben.

Einspruch gibt es, weil die Grünen-Fraktion fehlerhaft recherchiert habe

Die Abgeordneten selbst sehen die Sache anders: "In der Bundesregierung gab es keine einheitliche Meinung dazu. Deshalb hat sich Deutschland im Rat enthalten, wie es der Geschäftsordnung der Bundesregierung entspricht", teilte Weiß gestern mit. "Einen Einfluss auf die Zulassung hatte das Stimmverhalten der Bundesregierung aber ohnehin nicht, denn auch mit den Stimmen Deutschlands wäre keine qualifizierte Mehrheit gegen den Zulassungsantrag zustande gekommen", so der Abgeordnete für den Wahlkreis Lahr/Emmendingen in einer Mitteilung.

Eine ganz andere Frage sei es nun, ob der Mais 1507 in Deutschland tatsächlich angebaut werde, so Weiß. Der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) etwa sei davon ausgegangen, dass die EU-Kommission den Anbau zunächst in Spanien zulassen werde, da er dort beantragt worden sei. "Und völlig unabhängig von der EU-Zulassung ist es unwahrscheinlich, dass der Mais auf deutsche Felder kommt. Denn wir haben ein strenges Gentechnikgesetz, das Nutzern von gentechnisch veränderten Pflanzen sehr hohe Auflagen macht und eine verschuldensunabhängige Haftung vorsieht", betonte Weiß. "Die Anbauer müssen für Schäden haften, auch wenn sie alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen haben."

Kovac, CDU-Abgeordnete für Südbaden, erinnert an eine Regelung von 2003: "In der EU wurde 2003 mit Zustimmung der damaligen rot-grünen Bundesregierung beschlossen, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu erlauben, wenn ein fundierter Sicherheitsnachweis erbracht wird", teilte sie mit. "Wenn nach eingehender wissenschaftlicher Untersuchung die strengen Zulassungsbedingungen erfüllt sind, ist eine Zulassung rechtlich sogar geboten." Sie habe gegen den Antrag der Grünen gestimmt, weil "der Antrag fehlerhaft begründet war und mit guten Argumenten abgelehnt werden konnte". Denn: "In der Begründung des Antrags wird unterstellt, dass der Anbau der Maislinie 1507 nicht sicher ist und zu einem verstärkten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glufosinsat führen wird. Beides ist nicht stichhaltig." Das bedeute nicht, dass sie ein glühender Anhänger der grünen Gentechnik sei. "Auch ich bin der Meinung, dass auf den Anbau gentechnischer Pflanzen in Deutschland verzichtet werden kann. Es bleibt auch weiterhin das gute Recht von Verbrauchern und Landwirten, die grüne Gentechnik abzulehnen", schrieb Kovac.

Kann jedes Land für sich selbst festlegen, ob die Pflanzeangebaut wird?

Wie Weiß argumentiert auch Kovac, dass es aufgrund der gesetzlichen Anbauvorschriften mit schuldunabhängigen Haftungsrisiko und Abstandsauflagen wohl keinen Anbau von genveränderten Gemüsesorten geben wird. "In Deutschland gibt es derzeit keinen kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und es wird ihn auch bei einer Zulassung der Maislinie 1507 vermutlich nicht geben."

SPD-Mann Fechner hofft hingegen auf eine Ausnahmeregelung für Baden-Württemberg. "Die SPD kämpft gegen den Genmais", betonte der Abgeordnete für den Wahlkreis Lahr-Emmendingen. "Ich bin dafür, dass der Anbau von Genmais für jedes Land individuell geregelt wird – und wir uns davon dann ausnehmen." Er wies außerdem darauf hin, dass nicht über den Anbau von Genmais, sondern lediglich über den Antrag der Grünen abgestimmt worden sei – der Vorwurf, die Politiker stimmten für den Genmais, stimme also nicht. Die Haltung Deutschlands in der EU finde er persönlich "schade". Dem Antrag der Grünen im Bundestag habe er nicht zugestimmt, weil im Koalitionsvertrag geregelt sei, dass sich die Regierung bei jenen Fragen enthält, bei denen sie sich nicht einig ist.

Genossin Drobinsky-Weiß hat sich als einzige Abgeordnete aus dem Ortenaukreis bei der Abstimmung über den Antrag der Grünen enthalten, obwohl ihre persönliche Meinung zu Genmais mit dem Antrag der Grünen übereinstimmt – und begründet das mit Koalitionszwängen: "Wenn ich heute den Antrag der Grünen nicht unterstütze, dann tue ich dies aus Gründen der Koalitionsräson. Ich tue dies aber auch im Vertrauen darauf, dass diese Bundesregierung sich an den Koalitionsvertrag hält. Darin wurde vereinbart, die Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik anzuerkennen", betonte sie am Abstimmungstag.

"Ich erwarte – und ich vertraue darauf, dass die Bundesregierung die Koalitionsvereinbarung konsequent umsetzt, die Vorbehalte der Bevölkerung anerkennt, und in Brüssel gegen die Zulassung des GVO-Mais 1507 stimmt."

"Es nützt nichts, dass die SPD-Parlamentarier im Nachhinein beteuern, dass sie eigentlich gegen Gentechnik sind, sich aber dem Druck des Koalitionspartners beugen mussten", wetterte Rumel.

Es bliebe ihr also nur die Hoffnung, so die Gentechnik-Gegnerin, dass es dem neuen Genmais so ergeht wie der Gen-Kartoffel Amflora: Sie wurde wieder vom Markt genommen, weil niemand sie anbauen wollte.

Info:Regelungen

Selbst wenn eine Genpflanze zum Anbau in Europa zugelassen ist, muss sie nicht unbedingt auf deutschen Feldern wachsen. Dafür sorgt eine Schutzklausel im EU-Recht. Demnach können Staaten etwa "auf der Grundlage neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse" ein europaweit genehmigtes Genprodukt auf ihrem Hoheitsgebiet verbieten. Voraussetzung ist die Vermutung, dass es eine "Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt" gibt.

Unter Berufung auf die gleiche Regelung hat Deutschland bereits den Anbau des Genmais’ MON 810 verhindert. In diesem Fall habe es bereits Erfahrungen mit dem Anbau andernorts gegeben, erläuterte ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Auf diese Klausel hat der zurückgetretene Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auch im Falle des Maises 1507 gehofft. Was sein Nachfolger macht, steht noch nicht fest. Die EU-Kommission dürfte die Pflanze demnächst zulassen, nachdem im Kreis der Staaten nicht die nötige Mehrheit dagegen zustande kam.

Die EU-Kommission wirbt seit 2010 für neue Zulassungsregeln für Genprodukte. Diese würden den Staaten mehr Spielraum für nationale Verbote geben. "Wir haben vor, andere Gründe für die Mitgliedsstaaten für ein Anbauverbot zuzulassen – also andere als Gesundheit und Umwelt", so ein Sprecher.
 

 Kommentar: Verwirrung

Sabrina Deckert

Ich bin verwirrt: Deutschland enthält sich bei der EU-Abstimmung über den Anbau von Genmais 1507, weil es in der Bundesregierung dazu keine einheitliche Meinung gibt. Dann wehrt sich die GrünenFraktion dagegen und will, dass die Große Koalition klar und deutlich Nein zum Genmais sagt. Diesen Antrag wiederum lehnt dann der Bundestag mehrheitlich (451 Stimmen gegen den Antrag, 121 Stimmen für den Antrag, 18 Enthaltungen und 41 Abgeordnete, die überhaupt nicht abgestimmt haben) ab.

Wissend, dass die Mehrheit der Deutschen und auch die Mehrheit de Menschen im Ortenaukreis gegen genveränderte Pflanzen sind. Bis auf Elvira Drobinsky-Weiß (SPD) haben den Antrag der Grünen auch alle anderen von den Ortenauern nach Berlin Entsandten abgelehnt. Ihre Begründungen laufen, salopp formuliert, fast immer auf den selben Kern raus: "Macht euch keine Sorgen über das Abstimmungsergebnis, der Genmais wird eh nicht zu euch kommen. Wir bestehen auf Ausnahmeregelungen für Deutschland, und wenn das nicht klappt, sind die Gesetze ja sowieso viel zu streng für den Anbau von Genmais 1507. Und: Eigentlich wollen wir die Pflanze ja auch nicht." Warum bitte kann man dann nicht für den Antrag der Grünen, also für ein klares Nein Deutschlands in der EU stimmen?