Foto: dpa

Ortenauer Verein "Aufschrei": "Sexuelle Gewalt gibt es nicht erst seit den Vorfällen in der Silvesternacht".

Ortenau - Durch die sexuelle Gewalt gegen Frauen an Silvester wird dieses Thema öffentlich diskutiert. Der Ortenauer Verein "Aufschrei", der sich gegen sexuelle Gewalt einsetzt, ruft in einem Schreiben dazu auf, Flüchtlinge nicht zu verteufeln.

Nicht erst seit den Vorfällen wie in Köln in der Silvesternacht gebe es sexuelle Übergriffe auf Frauen, erklärt eine langjährige Mitarbeiterin des Vereins "Aufschrei". Das Thema sei immer aktuell. Anlass genug für den Verein, um seine Erfahrungen in der Opfer-Beratung zu teilen und auf die sexuelle Gewalt aufmerksam zu machen, die ein alltägliches Problem sei. "Die meisten Fälle von sexueller Gewalt finden im sozialen Umfeld der Opfer statt", heißt es von Seiten des Vereins, der schon sei 25 Jahren Betroffene unterstützt und begleitet. Vor allem vertraute Menschen, die sich ein freundschaftliches Verhältnis erschleichen würden, seien die Haupttäter.

Die öffentliche Resonanz nach den Geschehnissen an Silvester verdeutliche, dass sexualisierte Gewalt nicht nur wenige Frauen betreffe. Der UNO–Bericht vom Oktober des vergangenen Jahrs zeige, dass jede dritte Frau weltweit von sexueller Gewalt betroffen sei, teilt der Verein mit.

"Bei sexueller Gewalt geht es um die Demonstration von Macht. Macht, die in der Mehrzahl von Männern und männlichen Jugendlichen gegenüber Mädchen und Frauen ausgeübt wird", heißt es in dem Schreiben von "Aufschrei". Der Täter setze sich über den Willen des Betroffenen hinweg und nutzte seine Position, um Macht und Kontrolle durch sexuelle Handlungen auszuüben.

Dazu definiert das Team rund um "Aufschrei", was genau unter sexueller Gewalt verstanden wird: "Im weitesten Sinn umfasst diese alle se xuellen Äußerungen und Aktivitäten, die einer Person aufgedrängt werden, durch die sie sich in ihrer Würde verletzt fühlt. Jeder Übergriff, von verbaler Belästigung (Witz, Anzüglichkeiten am Telefon) über Grabschen bis zu Vergewaltigung stellt eine Herabwürdigung und Erniedrigung für die Betroffenen dar, die zu lebenslangen Belastungen führen können."

Allgemein werde sexuelle Gewalt jedoch noch viel zu oft verharmlost und Betroffene als nicht glaubwürdig stigmatisiert – manchmal sogar im engen Freundeskreis. Nicht zuletzt werde Frauen und Mädchen suggeriert, dass ihr Verhalten, ihre Kleidung, eine späte Uhrzeit oder ein Aufenthaltsort eine Vergewaltigung begünstige und die Betroffene somit eine Mitschuld habe. "Die Anwendung sexueller Gewalt ist jedoch durch nichts zu rechtfertigen, die Verantwortung für die Tat liegt ganz allein beim Täter", erklärt das "Aufschrei"-Team und verurteilt die Taten.

Derzeit werde durch die Vorfälle an Silvester zwar eine öffentliche Debatte geführt, diese sollte sich aber nicht nur um die Gewalt von Flüchtlingen an Frauen drehen, sondern sollte auch allgemein geführt werden, fordert der Verein. "In der Ortenau sind uns bisher keine Fälle bekannt, die sich um Übergriffe von Asylbewerbern an Frauen drehen", teilt eine Mitarbeiterin mit. Generell werden dem Verein allerdings durchschnittlich 180 Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und Frauen gemeldet. "Darunter sind auch vereinzelt Vergewaltigungen, aber sexuelle Gewalt findet noch immer zum Großteil in der Familie oder im engen sozialen Umfeld statt."

Es zeige sich auch in der Beratungsarbeit des Vereins, dass Jungen und Männer ebenfalls zu Betroffenen von sexueller Gewalt zählen und Übergriffe auch durch Frauen stattfinden. Wer sexuelle Gewalt erlebt habe, leide oft an heftigen Schuld- und Schamgefühlen, die es nicht leicht machten, sich Angehörigen anzuvertrauen oder Anzeige bei der Polizei zu erstatten. "Den Mitarbeitern der Beratungsstelle Aufschrei ist es ein Anliegen, Betroffene zu ermutigen zu reden, ihnen zuzuhören und zu glauben", heißt es im Schreiben des Vereins weiter.