Das Publikum hat entschieden und Tom Schildhauer (Mitte) zum Sieger bestimmt. Hier nimmt der Kölner den Applaus der unterlegenen Finalisten Luis Schulz (links) und Jakob Kielgaß entgegen. Foto: Baublies

Beim Dichterwettstreit im "Schlachthof" werden doppeldeutige Texte vorgetragen

Im Rahmen der Verabstaltungsreihe "Orte für Worte" ist am Freitagabend im "Schlachthof" eine Dichterschlacht über die Bühne gegangen. Neun Wettkämpfer, davon vier aus Lahr, zogen sehr viele Besucher an.

Lahr. Der Raum mit der Bühne neben der Essbar war voll besetzt. Da die Temperaturen am Freitag das erste Mal die 30-Grad-Marke knackten, war die Schlacht der Worte nicht nur aufgrund der vielen Zuhörer schweißtreibend.

Das englische Wort "Slam" hat eine militärische Bedeutung. "Poetry-Slam" heißt also sinngemäß "Dichterschlacht". So ist der Kampf der Worte auch zu verstehen: Es bleiben alle auf der Strecke, bis der Sieger gekürt ist. Weil neun Kombattanten gegeneinander antraten, bestimmte eine Jury, wer das Finale der letzten drei erreichte. Dann erfolgte die Abstimmung wie üblich mit Händen und Füßen der Zuschauer.

Der Kölner Tom Schildhauer punktete in seiner Dreiergruppe mit einem Abgesang auf moderne Technik. Er beschwor gewandt die Gefahr von Technik herauf, "die uns die Arbeit wegnimmt". Es waren klare Sätze, die mit einem doppelten Wortsinn ihre vordergründige Aussagen entstellten oder ins Gegenteil verkehrten. Sein Siegertext, der "Bettelrapper", folgte diesem erfolgreichen Muster: Wenn man betteln sollte, wie wäre es, die eigene Küche anzubetteln? So war schnell klar, dass die Küche nur schwedisch spricht. Oder war gar die wörtliche Bedeutung der Gegenstände das Handikap? Eine Anklage des Verzweifelten lautete etwa: "Der Kühlschrank hat keine Eier – wenn ich sie ihm nicht kaufe." Was auch überzeugte: Der Sieger legte ein Tempo vor, dem man ohne größere Mühe gut folgen konnte – das war nicht die Regel. Schildhauers Ansage zum finalen Slam war da auch nur eine klassische Untertreibung: Es sei ein älterer Text, "wenn ich den Faden verliere, fällt das niemandem auf."

Das Quäntchen mehr an Applaus erhielt der Kölner Slamer auch, weil der Gegner Jakob Kielgaß aus Marburg über den eher abstrakten Begriff Vergangenheit, die besser gewesen sei, fabulierte. Das war viel Stoff, bei dem er auch etwas zu schnell unterwegs war.

Zuhörer bestimmen mit ihrem Applaus, wer den Wettbewerb gewinnt

Der dritte Finalist, Luis Schulz, griff für seinen Text sehr wahrscheinlich auf eine echte Erinnerung zurück. Dabei waren auch bei ihm Inhalt und Sprache richtig gut: In der Satire "Klassenfahrt" beschrieb er, wie eine Horde wild gewordener Teenager und ein engstirniger Busfahrer gemeinsam nach Berlin unterwegs sind. Schulz leierte den Text mit unbeweglicher Miene, stupide und monoton herunter. Das kam gut an. Dennoch würdigten die Zuschauer den "Bettelrapper" mit mehr Applaus.

Die Lahrer Emilia Nenaschew, Berna Özer, Julian Müller und Ruben Sträter schieden in der Vorrunde aus. Eine siebenköpfige Jury vergab hier Punkte zwischen eins ("statt zu dichten, wäre ein BWL-Studium wohl besser") bis zehn ("so was Geiles habe ich noch nie gehört").

Die Beschreibung der Noten hatte Moderator Marvin Suckut bei der Vorstellung abgegeben. Er hatte auch die Juroren aus den vielen Gästen ausgewählt.

INFO

Poetry Slam

Poetry Slam setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern poetry ("Dichtung") und slam. Das Verb bedeutet so viel wie "zuknallen, jemanden ins Gesicht schlagen". Ein Poetry Slam ist ein Vortragswettbewerb, bei dem selbst geschriebene Texte dargeboten werden. Die Zuhörer küren den Sieger. Die Veranstaltungsform entstand 1986 in Chicago. Laut dem Internetlexikon Wikipedia gilt die deutschsprachige Slam-Szene nach der englischsprachigen als die zweitgrößte der Welt.