Suizidgedanken nehmen zu. (Symbolfoto) Foto: Larisa Lofitskaya/ Shutterstock

20 Jahre Online-Beratung der Telefon-Seelsorge. Große Nachfrage. Ängste und Gewalt beschäftigen Ratsuchende.

Offenburg - "Mir im Chat Hilfe zu suchen, ist für mich ein großer Schritt. Ich hab’ so was noch nie gemacht ..." So oder ähnlich beginnen seit 20 Jahren Kontakte in der Online-Beratung der Telefon-Seelsorge Deutschland. Seit 20 Jahren wird diese Beratung angeboten. Das wird nun mit Fachtagen gefeiert.

Der erste ist für Mitarbeitende im süddeutschen Raum gedacht und findet am Samstag, 26. September, in Stuttgart statt. Beim zweiten Jubiläumsfachtag am Samstag, 14. November, in Köln werden laut Ankündigung ehrenamtliche Mitarbeiter der Online-Beratung fortgebildet.

Eine schriftliche Beratung durch die Telefon-Seelsorge – das klingt zunächst paradox. Doch die Praxis zeigt, dass die Beratungsangebote über Telefon, Chat und E-Mail nicht in Konkurrenz zueinander stehen, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Online-Beratung bietet demnach für manche Ratsuchenden Vorteile: Die Schwelle, etwas zu schreiben statt darüber zu reden, sei niedrig; in der E-Mail-Beratung könnten Probleme schon im Vorfeld niedergeschrieben und als E-Mail zu jeder Tages- und Nachtzeit übermittelt werden. Das Geschriebene wieder zu lesen helfe oft, die eigene Situation besser zu verstehen. Alle, die sich in irgendeiner Form beraten lassen, bleiben anonym.

Die Nachfrage in diesem Bereich sei hoch: Im Jahr 2014 hätten laut Telefon-Seelsorge rund 6000 Ratsuchende in Deutschland gut 25 500 E-Mails an die Telefon-Seelsorge geschickt. Männer und Frauen, die sich auf diesem Weg beraten lassen wollen, müssten nach dem Abschicken ihrer ersten E-Mail maximal 72 Stunden auf eine Antwort warten, heißt es. »Wenn der Kontakt einmal hergestellt ist, beraten und begleiten wir die Ratsuchenden dann oft lange und intensiv«, berichten Verantwortliche aus der E-Mailarbeit.

Wer Hilfe braucht, kann sich per E-Mail oder im Chat melden

Die Chatberatung, die nach dem gemeinsamen Start 1995 zunächst nur von wenigen Telefon-Seelsorge-Stellen angeboten wurde, läuft anders ab als die Beratung per E-Mail: Hilfesuchende melden sich für ein bestimmtes Zeitfenster an und bekommen dann einen Berater zugeteilt. Mit ihm unterhalten sie sich schriftlich: geschützt, einmalig und zeitbegrenzt.

Die Rückmeldungen zeigten, so das Fazit der Telefon-Seelsorge, dass die Ratsuchenden es als positiv erlebten, dass es einen festen Rahmen gibt und der Berater ihnen sofort antwortet. Dadurch komme ihre Krise schnell und deutlich ans Licht. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt rund 9000 Chatgespräche geführt.

Die Telefon-Seelsorge Ortenau-Mittelbaden arbeitet seit 2011 in diesem Beratungsangebot im Bereich Chat mit. Derzeit seien es zehn Ehrenamtliche, die dieses zusätzliche Angebot in Offenburg gewährleisten. Zu den am häufigsten besprochenen Themen gehörten Gewalt, Ängste und Selbstverletzung.

Einige der Nutzer schrieben auch offen darüber, dass sie gefährdet seien, sich selbst zu töten. 2014 sei diese Gefährdung laut Telefon-Seelsorge in jedem sechsten Chat zur Sprache gekommen. Die Ratsuchenden fühlten sich bei der Online-Beratung sicher, mit dem Tabuthema nach außen zu gehen. Viele Menschen seien erleichtert, wenn sie ihre Suizid-Gedanken, die ihnen selbst Angst machen, jemandem mitteilen können.

Die Seelsorger könnten dann ansprechen, wie konkret diese Gedanken sind. Viele der Ratsuchenden seien dann froh, gemeinsam mit den Beratern einen Notfallplan zu erstellen. Damit wüssten sie, wie sie sich künftig vor ihren eigenen Gedanken schützen können, heißt es in der Mitteilung weiter.

Die Telefon-Seelsorge erwartet, dass die Online-Beratung per E-Mail und Chat künftig noch stärker nachgefragt wird. Nicht nur junge, sondern auch ältere Menschen seien inzwischen häufiger im Internet unterwegs. »Wer in einer Krisensituation ist, nutzt die Medien, die er auch sonst verwendet«, davon sind die Mitarbeiter der Seelsorge überzeugt.