Mit Teelichtern formten die Teilnehmer der Kundgebung in Straßburg das Wort »Charlie« – im Gedenken an die Toten von Paris. Foto: Hertzog

"Mehr Demokratie, mehr Offenheit": Runder Tisch mit Religionsvertretern. Politiker werben für Toleranz.

Straßburg - Straßburgs Oberbürgermeister Roland Ries hat nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin »Charlie Hebdo« in Paris vor Islamfeindlichkeit gewarnt. Zusammen mit islamischen, jüdischen und christlichen Religionsvertretern werde er Aktionen für Toleranz und Verständnis für Andersdenkende planen, sagte Ries.

"Um das Problem an der Wurzel zu packen, könnte man an den Schulen mehr Verständnis für andere Religionen wecken", betonte der Oberbürgermeister.  Er werde mit dem Präfekten Sicherheitsmaßnahmen für die Stadt besprechen, kündigte Ries an. In Straßburg werden aktuell die Eingänge öffentlicher Gebäude schärfer bewacht.

Das hat unter anderem zur Folge, dass wer in das Verwaltungsgebäude der Präfektur möchte, sich wie am Flughafen durchsuchen lassen muss.  Ansonsten gilt die höchste Terrorwarnung nur für den Großraum Paris. Dennoch waren gestern im Vergleich zu anderen Tagen erstaunlich wenig Menschen in der elsässischen Me-tropole unterwegs. Gerüchte, es hätte Hausdurchsuchungen in Straßburg gegeben und die mutmaßlichen Attentäter hielten sich dort auf, stellten sich jedoch als falsch heraus.

Dennoch kontrollierte auch die Bundespolizei Offenburg vor allem in Grenznähe gestern verstärkt auf den deutschen Straßen. In Straßburg hätten städtische Polizisten kugelsichere Westen bekommen, sagte der Oberbürgermeister. Inwieweit die Sicherheit für das informelle Treffen von Präsident François Hollande mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag in Straßburg verschärft wird, wurde gestern  nicht bekannt.Bereits am Mittwochabend hatten sich mehr als 5000 Menschen auf dem Place Kléber im Herzen Straßburgs getroffen, gemeinsam der Toten gedacht und sich für die freie Äußerung der Meinung stark gemacht.

"Die Lichter am großen Weihnachtsbaum werden heute Abend vorübergehend ausgeschaltet – als Zeichen unserer heutigen Trauer", schrieb Ries vor der Gedenkfeier bei Facebook. Die Straßburger dankten es ihm: "Vielen Dank, Herr Oberbürgermeister", kommentierten unzählige Menschen seinen Post. "Der Mord an den Journalisten und Polizisten in Paris ist durch nichts zu rechtfertigen", urteilte auch die Offenburger SPD-Bundestagsabgeordnete Elvira Drobinski-Weiß.

"Von einem solchen Anschlag profitieren nur diejenigen, die Hass gegeneinander schüren. Ich verurteile jegliche Gewalt, die dazu beiträgt, ein Klima der Angst und der Einschüchterung zu schaffen – auch die Gewalt, die sich gegen Mitmenschen richtet, nur weil sie muslimischen Glaubens sind."

Die stellvertretende Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe des Bundestags war um Lösungen für ein zukünftiges Zusammenleben bemüht:  "Es gibt, wie Jens Stoltenberg in Norwegen nach der Bluttat auf Utoya feststellte, nur eine Antwort auf Terrorismus: Mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit."  Auch Martin Schulz (SPD), Präsident des Europaparlaments, äußerte sich im sozialen Netzwerk "schockiert", bezeichnete den Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" als "Freveltat die einen Affront gegen die zivilisierte Gesellschaft darstellt". "Als Europäer dürfen wir nie die Werte verleugnen, die so nahe an unserem Herzen sind und die diese Tat versucht hat auszuhöhlen: die Freiheit der Presse", schrieb Schulz weiter.

"In einem Moment, in dem die Werte unserer Gesellschaft von Terroristen angegriffen werden, sollten wir zusammenstehen und diese Werte verteidigen", forderte der Präsident des Europaparlaments alle Europäer auf. Die Straßburger Bevölkerung folgte seinem Appell und demonstrierte mit Bannern auf denen in Solidarität mit der Arbeit der Ermordeten zu lesen war "Ich bin Charlie", oder "Die Freiheit des Denkens ist unsterblich".  Um 12 Uhr am gestrigen Donnerstag stand ganz Frankreich für eine Minute lang still: Überall gedachten die geschockten Menschen der Toten. Auch in Straßburg blieb die Zeit stehen, am Münster läuteten die Totenglocken.