Bereits vor der Grippewelle hätten sich etliche Überstunden beim Pflegepersonal angehäuft, so Oßwald. (Symbolfoto) Foto: Perrey

Kreisrat Lukas Oßwald übt heftige Kritik am Ortenau-Klinikum. Besonders Standort Kehl betroffen.

Offenburg - Bei der Sitzung des Krankenhausausschusses am Dienstag hat Lukas Oßwald, Kreisrat der Linken, heftige Kritik an der Situation des Pflegepersonals im Ortenau-Klinikum geübt. Besonders der Standort Kehl bereite ihm Sorgen. Am gestrigen Donnerstag hat Oßwald eine weitere Stellungnahme veröffentlicht.
Oßwald kritisierte in der Sitzung, besonders das Pflegepersonal im Ortenau-Klinikum Kehl habe unter einer mehr als prekären Lage zu leiden. Schon vor der winterlichen Grippewelle hätten sich 8000 Überstunden angesammelt.

Teilzeitkräfte würden teilweise mit bis zu 100%-iger Arbeitszeit im Dienstplan eingetragen. Dies, ohne sich mit ihnen abzusprechen – und auch Dienstpläne würden regelmäßig zu spät veröffentlicht und in Briefings ohnehin wieder »über den Haufen geworfen«. Die Folge: »Der Krankenstand beim Pflegepersonal in Kehl liegt mit rund einem Drittel weit über dem Landesdurchschnitt«, stellte Oßwald im Krankenhausausschuss fest. Bei Überlastungsanzeigen würden die Arbeitenden mit  Aussagen wie »Wenn ihr überlastet seid, sucht euch eine andere Arbeit« unter Druck gesetzt.

Er äußerte den Verdacht, der Standort Kehl solle systematisch kaputt gespart werden, auch durch die starke Senkung der Kreisumlage. Auch an anderen Standorten des Ortenau-Klinikums sei die Lage suboptimal. Bereits in der Sitzung haben Landrat Frank Scherer und CDU-Sprecher Klaus Muttach diese Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.

Die Kreisumlage habe mit der Bezahlung der Pflegekräfte nichts zu tun, diese würden schließlich nach Tarif bezahlt. Außerdem habe ein Gutachten dem Kreis bestätigt, dass die Pflegekräfte in seinen Kliniken keiner massiv höheren Belastung ausgesetzt seien als   anderswo. Zu einer weiteren Stellungnahme war gestern im Landratsamt niemand zu erreichen.In seiner neuerlichen Stellungnahme spielt Oßwald den Ball nun zurück. Die »Behauptung«, die Senkung der Kreisumlage habe nichts mit der dramatischen Pflegesituation zu tun, sei nicht haltbar.

Einsparungen in der Pflege statt Nutzen der Kreisumlage

Die laufenden Kosten des Ortenau-Klinikums werden aus den Fallpauschalen der Diagnosis Related Groups (DRG) bezahlt. Vereinfacht gesagt: Patienten werden nach zu erwartendem Pflegaufwand in eine DRG eingeordnet, auf dieser Basis wird an das Krankenhaus eine Pauschale gezahlt. Oßwald erklärt dazu, der Hauptkostenpunkt seien Löhne und Gehälter, »wobei die Zuweisungen nicht in dem Maße steigen wie die Tarife der Beschäftigten.« Dem stehen hohe Investitions- und Baukosten gegenüber.

Auf Nachfrage der »Lahrer Zeitung« erinnerte Oßwald daran, dass versprochene Baukostenzuschüsse des Landes nicht komplett bereitgestellt wurden. Trotz Nachbesserungen durch die Landesregierung bleibe in Baden-Württemberg noch immer eine Finanzierungslücke von 500 Millionen Euro im Jahr.  Auch bei den Bauvorhaben des Ortenau-Klinikums herrsche eine entsprechende Finanzierungslücke. 

Anstatt diese Lücke allerdings mit Kreismitteln zu füllen – also die Kreisumlage zu nutzen – würden über Einsparungen in der Pflege die Betriebsergebnisse des Ortenau-Klinikums ausgeglichen. Oßwald erhebt den Vorwurf: »Ein schon unterfinanzierter Bereich muss in der Ortenau dafür herhalten, dass Kreismittel eingespart werden können und die Kreisumlage entsprechend niedrig ausfällt.« Die Aussage, der Pflegenotstand bei den Krankenhäusern dürfe nicht mit den Kreismitteln und somit nicht mit der Kreisumlage in Zusammenhang gebracht werden, weist Oßwald entschieden zurück.

In seiner Stellungnahme heißt es dazu: »Diese Umlage ist die mit Abstand wichtigste Finanzquelle der Kreise. Durch sie hat der Kreis ein Steuerungsmittel, wenn er es dann wirklich einsetzt. Aber im Gegensatz dazu wurde der Hebesatz in der Ortenau im Dezember 2014 noch weiter abgesenkt um 2,5 auf 27,5 Punkte. Ein halber Punkt entspricht dabei fast 5 Mio. Euro, die in der Kreiskasse fehlen.«

Finanzierung des Kehler Ärztehauses auf dem Rücken der Pfleger?

In Hinblick auf neue Investitionen erhebt Oßwald ebenfalls schwere Vorwürfe: »Einsparungen in der Pflege müssen zudem auch für neu geschaffene Stellen für Ärzte herhalten. Es wird sogar vermutet, dass das Ärztehaus in Kehl auf diese Art zumindest mitfinanziert wurde.«Die prekäre Situation des Pflegepersonals sei außerdem auch für die Patienten nicht ungefährlich.

Laut verschiedener Studien gebe es einen Zusammenhang zwischen Anstiegen von Infektionskrankheiten wie Lungenentzündungen oder Harnwegsinfektionen und dem Einsatz von weniger Pflegepersonal. Oßwald stellt klar: »Die bedarfsgerechte Versorgung der gesamten Bevölkerung mit leistungsfähigen und wirtschaftlich gesicherten Krankenhäusern ist eine durch das Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe. Der Kreis muss hier mehr tun!« Als Arbeitgeber der Beschäftigten in den Kliniken sei es Aufgabe des Kreises, angemessen auf diese Situation zu reagieren. Im Gespräch mit der »Lahrer Zeitung« bekräftigte er: »Die Beschäftigten sind am Ende ihrer Kräfte.«