Wer Frauen beispielsweise am Arbeitsplatz zu nahe kommt und sie sexuell belästigt, muss jetzt mit folgenreichen Anzeigen rechnen. Das neue Sexualstrafrecht sieht empfindliche Geldstrafen für Grapscher vor. Erste Männer wurden schon verurteilt. Foto: Symbolfoto: dpa

Staatsanwaltschaft erwartet nach Gesetzesänderung mehr Anzeigen wegen sexueller Belästigung.

Offenburg - Wer seiner Arbeitskollegin frech an den Po fasst oder der Bedienung an den Busen grapscht, dem droht nicht nur eine Ohrfeige. Auch rechtlicher Ärger, der teuer werden kann, ist zu erwarten, warnt die Staatsanwaltschaft.

"Seit Ende vergangenen Jahres greift das verschärfte Strafrecht bei sexueller Belästigung auch bei uns in der Ortenau", berichtet Miriam Kümmerle, die Presse-Staatsanwältin der Offenburger Staatsanwaltschaft. Sie hat den Bereich der Sexualstraftaten in ihrer Behörde unter sich und sagt, dass sexuelle Übergriffe keinesfalls mehr ein Kavaliersdelikt seien, so wie in vergangenen Jahrzehnten.

Wer heute allzu leichtfertig den coolen Macho heraushängt und sich Frauen dreist körperlich oder verbal nähert, sollte sein Tun gut überdenken. Sonst könnte ein vermeintlich witzig gemeintes Grapschen oder Befummeln einer Frau schnell vor dem Kadi enden. "Wir hatten bereits erste Verhandlungen nach dem neuen Strafrecht", weiß Staatsanwältin Kümmerle. Dieses neue Gesetz wurde vorigen Sommer vom Bundestag beschlossen und trat im November 2016 in Kraft. Seither haben Frauen, die sich sexuell belästigt fühlen, deutlich bessere Chancen, dass die Widersacher verurteilt werden.

Ein unerlaubter Griff an Busen oder Po kann den Täter schnell ein halbes Monatsgehalt kosten

Früher wurden nur "erhebliche sexuelle Handlungen" als Straftat gewertet. "Ein Grapschen an den Po oder die Brust war zu wenig, um das rechtlich zu ahnden", berichtet Kümmerle. Das war eine Regelungslücke im Gesetz. Dabei seien solche Handlungen für die Frauen oft traumatisch. Sie würden meist von der Attacke überrascht und seien geschockt, beispielsweise nach einem plötzlichen Griff zwischen die Beine oder einem unerwarteten Kuss eines Unbekannten. Vor allem, wenn dies am helllichten Tag geschehe – oder gar in der vertrauten Atmosphäre bei der Arbeit oder im Sportverein.

Seit Neuem gilt der Grundsatz "Nein heißt Nein". Wenn für den Täter erkennbar ist, dass er gegen den Willen der Frau handelt, kann er verurteilt werden. Zu diesen unzweideutigen Zeichen gehört neuerdings auch das Nein-Sagen, ein Weinen oder ein Wegdrücken. Wer diese Ablehnung seines Opfers übergeht, macht sich strafbar. Bislang war diese Hürde deutlich höher und die Grapscher kamen oftmals ungeschoren davon.

Erste mutige Frauen haben sich bei Polizei und Staatsanwaltschaft schon gemeldet, die Anzeigen wegen sexueller Belästigung erstattet haben. "Wir gehen davon aus, dass die Fallzahlen in Zukunft steigen, wenn sich das neue Gesetz erst mal herumgesprochen hat und die Frauen sich nicht mehr alles gefallen lassen, sondern die Täter benennen, damit diese bestraft werden", sagt Kümmerle. Die tatsächliche Zahl der Übergriffe werde nicht steigen, wohl aber die Bereitschaft, diese anzuzeigen, schätzt sie.

In den vergangenen Monaten wurden bereits immer wieder Angeklagte vor Gericht mit Geldstrafen verurteilt. In einem Handwerksbetrieb musste ein Chef 20 Tagessätze berappen, weil er eine Mitarbeiterin unsittlich begrapscht hatte. Ein Zugfahrer hatte ein halbes Monatsgehalt als Strafe zu bezahlen, weil er einer 15-Jährigen zu nah auf die Pelle gerückt war.

Das neue Recht stärkt die Frauen und bringt mehr Licht in ein Dunkelfeld, doch nicht alle Fälle lassen sich zweifelsfrei klären. "Man muss sich immer fragen, was in der jeweiligen Situation und Umgebung sozial angemessen ist. In manchen Situationen begrüßt man sich im Bekanntenkreis mit Küsschen links und rechts. Manche fassen ihrem Gegenüber auch gerne schnell im Gespräch an den Arm. Das ist im Bereich der sexuellen Belästigung eine Grauzone, denn nicht jeder mag diese körperliche Nähe", weiß Staatsanwältin Kümmerle. Da gelte es dann als betroffene Frau, klare Grenzen zu ziehen und diese mit Worten oder Gesten auch zu äußern.

Opfer sexueller Gewalt können natürlich nicht nur Frauen werden, sondern auch Männer, sagt Kümmerle. Doch das seien auch in der Ortenau die absoluten Ausnahmefälle. Die meisten Opfer seien naturgemäß Frauen.

Neu geregelt wurde mit der Gesetzesänderung auch der Umgang mit sexuellen Übergriffen aus Gruppen heraus. Da sind Vorfälle im Visier, wie sie in der Kölner Silvesternacht geschehen waren, als Hunderte Frauen Opfer von aufdringlichen Männerhorden wurden. In der Ortenau habe es solche Fälle aber bislang nicht gegeben, berichtet die Staatsanwaltschaft.

INFO

167 Sex-Fälle

Die Zahl der geahndeten Sexualstraftaten im Ortenaukreis ging im vergangenen Jahr zurück. 167 Fälle wurden bei der Staatsanwaltschaft aktenkundig. Im Jahr davor waren es noch 193 Verfahren gewesen. Ebenfalls weniger Fälle gab es auch im Bereich der Verbreitung oder dem Besitz von kinderpornografischen Schriften und Bildern. Hier gab es einen Rückgang um acht auf zuletzt 28 Fälle im Landkreis.