Bis 2020 sollen in Offenburg 1775 neue Wohneinheiten gebaut werden. Bis jetzt ist die Stadt noch nicht zu 100 Prozent mit dem Wohnraum versorgt, der gebraucht wird, sagt das Land Baden-Württemberg. Foto: Ast

Oberbürgermeisterin zweifelt an Berechnungen des Landes und sieht in der Kreisstadt keinen angespannten Wohnungsmarkt.

Offenburg - Dass Offenburg von der Landesregierung in die sogenannte Gebietskulisse wohnungspolitischer Rechtsverordnungen aufgenommen worden ist, kann Oberbürgermeisterin Edith Schreiner nicht verstehen. Die Stadt wäre dort "völlig falsch eingeordnet", schließlich sei Ende des Jahres das Oberzentrum zu 100 Prozent mit Wohnungen versorgt. Sie würde den Wohnungsmarkt gerne stadtintern regeln.

Also schrieb Schreiner einen Brief ans Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und machte Minister Nils Schmidt (SPD) ihren Unmut deutlich: Die Aufnahme in die Verordnung zur Kappungsgrenze, also in die Verordnung, die die Deckelung von Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen regelt, und die Aufnahme in die Verordnung zur Mietpreisbremse seien nicht notwendig. Das Antwortschreiben, das aus Stuttgart auf die erste Beschwerde aus Offenburg eingetroffen ist, stelle "keine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit unserer Kritik am methodischen Vorgehen dar und entspricht nicht unseren Vorstellungen einer ›Politik des Gehörtwerdens‹", echauffiert sich Schreiner in ihrem aktuellen Brief. "Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass die Festlegung von kommunalen Gebietskulissen zwar nach landesweit einheitlichen Kriterien, jedoch letztendlich durch die Kommunen selbst vorgenommen werden sollte", so Schreiner.

Offenburgs Oberbürgermeisterin stellt klar, "dass wir voraussichtlich bereits Ende dieses Jahres auch nach den von Ihrem Haus angelegten Kriterien eine Wohnraumversorgungsquote von mehr als 100 Prozent erreichen werden." Der Wohnungsmarkt in Offenburg sei derzeit nicht als angespannt im Sinne der wohnungspolitischen Rechtsverordnungen des Landes einzustufen, die Stadt Offenburg sollte daher nicht in die entsprechenden Gebietskulissen aufgenommen werden. "Wir erkennen nicht, dass mit dem von Ihrem Haus ermittelten Wohnraumversorgungsgrad von 99,17 Prozent für Offenburg der vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Nachweis einer Mangelsituation für breite Bevölkerungsschichten beziehungsweise eines Marktversagens vorliegt."

Schreiner zweifelt die Berechnungen an. Denn: "Angesichts der großen Unschärfe bei den Ausgangsdaten aus dem Zensus 2011 muss nach den Regeln der Statistik davon ausgegangen werden, dass Offenburg mit dem vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft ermittelten Wohnungsversorgungsgrad von 99,17 Prozent doch deutlich innerhalb der Vertrauensgrenzen liegt." Der Verweis auf die Notwendigkeit eines landesweit einheitlichen Ansatzes "begründet unserer Ansicht nach weiterhin nicht die pauschale Annahme eines angespannten Wohnungsmarkts ab einem Wert unterhalb der 100-Prozent-Schwelle", so Schreiner. Zudem würden ja bis 2020 in Offenburg 1775 neue Wohneinheiten gebaut. Die Stadt Offenburg habe daher bereits nachhaltige Maßnahmen zur Sicherstellung von ausreichendem Wohnraum in die Wege geleitet.

Auch die Mietpreisbremse sei in Offenburg nicht vonnöten: Die Berechnungsgrundlagen des Landes würde auch dabei nicht stimmen. Denn: Die Rechnung beruhe nur auf der Kaltmiete und nicht auf der Warmmiete. "Zudem weisen wir darauf hin, dass das Nutzerverhalten einen erheblichen Einfluss auf Kosten für Heizung sowie Warm- und Kaltwasserverbrauch hat und diese Größen daher als Berechnungsgrundlage für die Gebietskulisse nicht geeignet sind." Offenburg schließe sich darüber hinaus auch den vom Städtetag Baden-Württemberg vorgebrachten Zweifeln hinsichtlich der Konformität der Vorgehensweise des Landes mit den Regelungen der Ermächtigungsgrundlage an. "Konkret sehen wir für Baden-Württemberg die Notwendigkeit einer deutlichen Erhöhung der Landesmittel für die Förderung des (sozialen) Wohnungsbaus. Hierdurch würde der Wohnungsmarkt deutlich stärker entspannt als durch die aktuellen Änderungen im Mietrecht."

Die Stadt werde nun eine Wohnraumbedarfsanalyse in Auftrag geben. Diese soll über die Daten des Zensus 2011 hinausgehen und die Bevölkerungsentwicklung, Wohnungsbestandsentwicklung sowie künftige Bedarfe verschiedener Haushalts- und Einkommensgruppen vor Ort erheben und gegenüberstellen. Mit diesen Daten werde die Stadtverwaltung Bestand und Bedarf abgleichen – zum Beispiel, welche Wohnungsgrößen und Wohnformen für welche Nutzergruppen künftig benötigt werden. "Auf dieser Grundlage kann die Stadt Offenburg ihre kommunale Wohnungspolitik zielgerichtet fortschreiben und an örtliche Gegebenheiten angepasste Instrumente entwickeln und einsetzen", betont Schreiner.