Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske (rechts vorne) bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Die Gewerkschaften fordern für die rund 800.000 Angestellten der Länder 5,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 175 Euro. Foto: dpa-Zentralbild

Alle Parteien wissen am Samstag bei den Tarifverhandlungen in Potsdam um den Ernst der Lage. Gelingt jetzt keine Einigung, drohen nach Ostern unbefristete Streiks im öffentlichen Dienst.

Potsdam - Ungeachtet aller Kompromisssignale haben die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder am Samstag noch keinen Durchbruch gebracht. Mehrere große Themen seien auf dem Tisch, verlautete nach etwa fünf Stunden am Rand der Verhandlungen in Potsdam. Es werde intensiv gerechnet, dennoch sei weiter alles offen. Die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) verhandeln über die Arbeitsbedingungen und Einkommen von rund 800.000 Länder-Beschäftigten. Eine Einigung ist möglich, doch auch unbefristete Streiks sind noch nicht vom Tisch.

Sachsen-Anhalts Finanzminister und TdL-Verhandlungsführer Jens Bullerjahn (SPD) zeigte sich zu Gesprächsbeginn bereit, zu einem Abschluss zu kommen. „Eine Einigung und anständige Tarifanhebungen sind möglich, allerdings nur, wenn wir uns auf ein Gesamtpaket verständigen“, hatte er zuvor auch der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gesagt. Von den Gewerkschaften forderte er Zugeständnisse in der Frage der Betriebsrenten. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, lehnte jegliche Eingriffe in die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung weiter entschieden ab. Er zeigte sich jedoch kompromissbereit. Es sei möglich, über Zusatzbeiträge nachzudenken.

Bsirske verlangte, die Arbeitgeber müssten jetzt ein umfassendes Angebot vorlegen. Eine weitere Verhandlungsrunde sei „absolut unwahrscheinlich“. Auch der Verhandlungsführer des Beamtenbundes dbb, Willi Russ, verlangte ein Ende der Taktiererei. Sollten die Verhandlungen auch in der vierten Runde scheitern, könnte es schon nach Ostern unbefristete Streiks in Ämtern und Schulen geben.

Gestritten wird nach wie vor vor allem über die Altersversorgung und die Bezahlung der rund 200.000 angestellten Lehrer. Den Ländern wird die betriebliche Altersvorsorge zu teuer, weil die Lebenserwartung steigt und die Zinsen niedrig sind. Nicht alle Länder können das gleich gut verkraften. Zwar schlossen sie das vergangene Jahr insgesamt mit einem Überschuss von 1,9 Milliarden Euro ab. Sie standen Ende 2014 aber nach Angaben des Statistischen Bundesamts auch mit 621,9 Milliarden Euro in der Kreide. Die Unterschiede zwischen finanzschwachen und „reicheren“ Ländern sind groß.

Die Gewerkschaften fordern für die rund 800.000 Angestellten der Länder 5,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens jedoch 175 Euro im Monat. Die Tarifgemeinschaft der Länder hat das bislang als unbezahlbar abgelehnt. Klar sei, dass die Lohnforderungen auch in den vergangenen Jahren nicht zu 100 Prozent eingelöst werden konnten, sagte Bsirske. „Insofern bewegen wir uns.“ Die Länderseite rechnete vor, dass die ursprüngliche Erhöhung allein bei den Angestellten 2,1 Milliarden Euro ausmachten, bei einer Übertragung auf die Beamten summiere sich das auf 6,5 Milliarden Euro.

Ihren Forderungen hatten die Gewerkschaften zuletzt mit Warnstreiks in zahlreichen Bundesländern Nachdruck verliehen. Daran nahmen nach Verdi-Angaben allein in dieser Woche insgesamt 80.000 Menschen teil.